Read Zodiac Online

Authors: Robert Graysmith

Tags: #True Crime, #Murder, #Serial Killers

Zodiac (11 page)

BOOK: Zodiac
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Die Mädchen fuhren schließlich zum See weiter. Als sie eine Stunde später in der Sonne lagen, fiel ihnen der Mann wieder auf, der sie nun beobachtete. Zwanzig Minuten später fuhr er weg.

Um vier Uhr parkte Bryan seinen schwarzen Karmann Ghia nahe beim See am Straßenrand. Es standen keine anderen Autos in der Nähe. Die beiden jungen Leute gingen ein paar hundert Meter zu Fuß zu den beiden großen Eichen am See.

»Wenn das Wasser höher steht, ist das hier eine richtige Insel«, erzählte ihr Bryan. »Es ist wirklich schön da draußen.«

Die beiden fanden einen halben Kilometer von der Straße entfernt auf einer Halbinsel am Westufer des Sees ein kühles Plätzchen für ihr Picknick. Und so saßen sie dann etwa eine Stunde eng umschlungen auf ihrer Decke am See.

Der See ist von sanften Hügeln umgeben, und an diesem Nachmittag spiegelte sich die Sonne in dem ruhigen Gewässer, das sich vor ihnen ausbreitete. Die beiden sahen Goat Island vor sich und zu ihrer Linken gelegentlich ein Boot vorüberfahren. Der Strand, an dem sie lagen, war menschenleer, und die Büsche, die das Ufer säumten, machten ihr Plätzchen noch abgeschiedener, als es ohnehin schon war.

 
 

Einen guten Kilometer weiter hatte ein Zahnarzt seinen Wagen abgestellt, um mit seinem Sohn zum Strand hinunterzugehen. Den beiden fiel keine hundert Meter entfernt auf der anderen Seeseite in einer Bucht ein Mann auf, der sie offensichtlich beobachtete. Er war etwa einen Meter achtzig groß, stämmig gebaut und mit einer dunklen Hose und einem langärmeligen dunklen Hemd bekleidet. Der Mann schien einfach nur am Fuße der Hügel zwischen der Straße und dem See spazieren zu gehen.

Als der Fremde merkte, dass der Zahnarzt und sein Sohn ihn gesehen hatten und dass der Sohn noch dazu ein Gewehr bei sich hatte, drehte er sich abrupt um und stieg nach Süden den Hügel hinauf, die Hände in seiner blauen Windjacke vergraben.

Reifenspuren zeigten, dass der Wagen des stämmigen Mannes direkt hinter dem Auto des Zahnarztes geparkt war. Der Mann hatte möglicherweise verschiedene Autos an der Straße unter die Lupe genommen. Als er das allein stehende Auto sah, ging er wahrscheinlich zum See, um zu sehen, wem es gehörte.

Der Fremde kehrte zu seinem Wagen zurück und fuhr einen guten Kilometer weiter südwärts, bis er den weißen Karmann Ghia sah, hinter dem er stehen blieb.

Langsam ging er vom Highway zu einer Schotterstraße hinunter. Etwa 200 Meter vom Highway entfernt erstreckte sich zu seiner Linken ein kleines Wäldchen und sumpfiges Land. In der Ferne sah er eine lange Halbinsel ohne Bäume und Büsche, die mehr als 300 Meter weit in den See hineinragte. An der Spitze der Halbinsel standen zwei stämmige Eichen, unter denen ein Junge und ein Mädchen auf einer Decke lagen.

Offensichtlich wollte er sich an das »Wild«, das er aufgespürt hatte, heranpirschen und es überraschen - keine einfache Aufgabe, wenn man bedachte, dass er eine relativ große offene Fläche zu überwinden hatte, um ans Ziel zu gelangen.

 
 

Cecelia sah in der Ferne die Gestalt eines Mannes. Sie konnte sein Gesicht nicht erkennen, doch er schien sie zu beobachten. Der Mann war kräftig gebaut und hatte dunkelbraunes Haar. Er verschwand schließlich etwa 250 Meter entfernt zwischen den Bäumen.

Einige Augenblicke später sah sie den stämmigen Mann erneut, wie er aus dem Wäldchen heraustrat und auf sie zukam. Sie hörte sofort auf, mit Bryan in Erinnerungen zu schwelgen, und machte ihn darauf aufmerksam, dass sie Gesellschaft bekamen. Bryan lag auf dem Rücken - mit dem Kopf in Richtung des stämmigen Manns, der über dem steinigen Boden langsam auf sie zukam. Cecelia lag auf dem Bauch, das Gesicht dem Ufer zugewandt, den Kopf an Bryans Schulter. Der Mann war inzwischen schon sehr nahe gekommen.

Die abendliche Brise wehte ihr etwas Staub in die Augen, und als sie den Kopf wieder hob, war die dunkel gekleidete Gestalt verschwunden. Es war so ein angenehmer Abend, dass sich Bryan nicht einmal die Mühe machte, sich umzudrehen, aber Cecelia war ziemlich beunruhigt. Als sie den Fremden so nahe vor sich gesehen hatte, war er ihr viel bedrohlicher erschienen als noch aus der Ferne. Er war mit langsamen, schweren Schritten gegangen. Wie konnte es sein, dass er so plötzlich verschwunden war?

Einige Augenblicke später hörte Bryan Blätter rascheln. »Hast du deine Brille auf?«, fragte er. »Sieh doch mal nach, was da drüben los ist.«

»Es ist dieser Mann,« sagte sie.

»Ist er allein?«

»Er steht jetzt hinter einem Baum.« Bryan dachte zuerst, sie meinte einen Baum in dem Wäldchen ein paar hundert Meter entfernt.

»Na, dann«, sagte Bryan, »halt die Augen offen und sag’s mir, wenn dir etwas auffällt.«

Bryan und Cecelia lagen unter der größeren der beiden Eichen auf der Halbinsel. Der stämmige Mann stand hinter der anderen Eiche rechts von Cecelia, nur etwa sechs Meter entfernt.

»Oh, Mann, er hat eine Pistole!«, rief Cecelia erschrocken und drückte Bryans Arm. Der stämmige Mann war hinter dem Baum hervorgetreten, und Bryan sah nun auch aus dem Augenwinkel die breite dunkle Gestalt zu seiner Linken. Als sich die beiden umdrehten, kam er direkt auf sie zu.

Der Mann war um sie herumgegangen. Hinter dem Baum hatte er sich eine schwarze Kapuze mit geraden Kanten übergezogen, die an einen Papiersack erinnerte. Er sah damit aus wie ein Scharfrichter aus dem Mittelalter.

Die Kapuze reichte vorne und hinten bis fast zur Taille hinunter, während sie seitlich an den Schultern endete. Sie war oben flach und an den Rändern mit Ziernähten versehen. Auf der latzartigen Vorderseite war ein weißes Kreuz in einem Kreis zu sehen. Die Enden des Kreuzes ragten über den Kreis hinaus. Das Kreuz schimmerte orangefarben in der untergehenden Sonne und war sehr sauber angenäht. Die Kapuze war mit Schlitzen für Augen und Mund versehen, und der Mann trug darüber Sonnenschutzgläser zum Aufstecken. Bryan wunderte sich, wie fachmännisch die Kapuze angefertigt war.

Die Hose des Mannes steckte unten in Gummi-Überschuhen, die er über den Halbstiefeln trug. An der linken Seite trug er in einer Scheide, die an seinem Gürtel hing, ein bajonettartiges Messer, das mindestens dreißig Zentimeter lang war. Rechts an der Taille hing ein schwarzes Halfter mit offener Klappe. Außerdem hatte der Unbekannte mehrere Stücke einer Plastikwäscheleine bei sich, die aus der Jacke heraushingen.

Mit den Füßen sank der Mann tief in den Boden des Seeufers ein; Bryan glaubte zu sehen, dass der Bauch des Mannes über die Hose herausragte. Dennoch machte der Mann einen eher kräftigen Eindruck.

Der Fremde kam mit ausgestreckter rechter Hand auf die beiden jungen Leute zu; in der Hand hielt er eine halb automatische Pistole aus blauem Stahl.

Bryan und Cecelia lagen in der beginnenden Abenddämmerung wie erstarrt da und beobachteten, wie der stämmige Mann näher kam. War das etwa ein eigenartiger Scherz von einem ihrer Freunde? Nein - sie hatten ja niemandem gesagt, dass sie hierher fahren würden. Oder war ihnen vielleicht jemand gefolgt?

»Und dann kam er also auf uns zu«, erzählte mir Bryan später. »Ich dachte mir, na ja, das ist ja auch mal eine interessante Erfahrung; als echte Bedrohung sah ich es eigentlich überhaupt nicht. Außerdem hatte ich höchstens noch fünfzig Cent bei mir - von daher drohte mir also kein großer Verlust. An irgendetwas anderes habe ich gar nicht gedacht.«

Der untersetzte Mann stand vor den beiden jungen Leuten, die immer noch auf der Decke lagen.

»Ich habe mit ihm geredet«, berichtete Bryan.

Es war eine bemerkenswert ruhige Stimme, die unter der Kapuze hervordrang. Der Stimme nach schien der Mann kaum älter als Mitte zwanzig zu sein.

»Er klang irgendwie - wie ein Student«, erzählte mir Bryan später. »Er sprach ein bisschen gedehnt, aber nicht im Südstaatendialekt.«

»Ich will euer Geld und den Autoschlüssel«, sagte der Mann.

»Er will uns nur ausrauben«, dachte Bryan.

Der Mann mit der Kapuze sprach leise und ruhig weiter.

»Er wirkte nicht besonders gebildet, aber auch nicht dumm«, sagte Bryan später.

»Ich brauche euren Wagen, weil ich nach Mexiko will«, fuhr der Fremde fort.

Bryan sah zu der schwarzen Kapuze mit der dunklen Sonnenbrille über den Augenschlitzen auf. Konnte es sein, dass hinter den Schlitzen noch eine Brille aufblitzte? Bryan sah außerdem unter der Kapuze dunkelbraune verschwitzte Haare hervorgucken.

Der untersetzte Mann trug eine leichte blauschwarze Windjacke über einem rötlich schwarzen Wollhemd. Aus der Nähe konnte Bryan nun erkennen, dass das Kreis- symbol mit dem Kreuz angenäht war. Die Hände des Mannes steckten in schwarzen Handschuhen, und er trug eine ausgebeulte altmodische Hose mit Bügelfalten. Bryan schätzte, dass der Mann ungefähr einen Meter achtzig groß war und gute hundert Kilo wog. Da er selbst sehr groß war, konnte Bryan die Größe von anderen nur schwer einschätzen.

Er griff rasch in seine Hosentasche, um Geld und Autoschlüssel hervorzuholen. »Ich habe nicht viel dabei«, sagte er und reichte ihm das Geld, das er noch hatte, zusammen mit dem Schlüssel. Der vermummte Fremde steckte das Kleingeld ein, warf den Autoschlüssel auf die Decke und steckte seine Pistole in den Holster.

Vielleicht braucht der Kerl wirklich dringend Hilfe, dachte Bryan und sagte: »Hören Sie, ich habe wirklich nicht mehr Geld bei mir, aber wenn Sie so dringend Hilfe brauchen, kann ich ja vielleicht etwas für Sie tun.«

»Nein«, erwiderte der Fremde, »so viel Zeit habe ich nicht. Ich bin aus dem Gefängnis in Deer Lodge, Montana, ausgebrochen. Ich habe dort einen Wärter erschossen. Jetzt bin ich mit einem gestohlenen Wagen unterwegs, habe kein Geld in der Tasche und absolut nichts mehr zu verlieren.«

»Immer mit der Ruhe«, erwiderte Bryan. »Sie können die Knarre ruhig wieder einstecken.«

»Spiel bloß nicht den Helden«, entgegnete der Mann. »Versuche ja nicht, mir die Waffe abzunehmen.«

»Ich habe nicht geglaubt, dass die Pistole wirklich geladen war«, erzählte mir Bryan später. »Ich habe oft gehört, dass solche Typen meistens mit einer ungeladenen Waffe bluffen. Aber ich wollte es trotzdem nicht drauf ankommen lassen.«

»Sie verschwenden wirklich nur Ihre Zeit mit mir«, beharrte Bryan. »Mehr Geld habe ich nun mal nicht bei mir.«

»Ich habe einfach irgendwas dahergequasselt«, berichtete er hinterher. »Ich hatte ja keine Ahnung, wie Kriminelle so reagieren - schließlich war ich im wirklichen Leben noch nie einem begegnet. Also, ich dachte mir, dass ich von dem Kerl nichts zu befürchten hätte und dass er nur auf unser Geld aus wäre. Aber ich glaube, er hat es nachher gar nicht mitgenommen, und der Autoschlüssel blieb auch auf der Decke liegen. Er erzählte mir, dass sein Wagen ›heiß‹ sei, und ich dachte, er meinte, dass es ein schneller Wagen sei, aber er sagte, dass er gestohlen wäre. Er sprach über seine Zeit im Gefängnis und sagte noch, dass er sich vielleicht später bei mir melden würde. Wir redeten eine ganze Weile.«

Der Mann mit der Kapuze nahm schließlich die Wäscheleine, die er bei sich hatte, zur Hand. Bryan betrachtete das Messer des Mannes, das in einer Holzscheide steckte, etwas genauer; die Klinge war zwei bis drei Zentimeter breit und fünfundzwanzig bis dreißig Zentimeter lang. Es handelte sich möglicherweise um ein Brotmesser, dessen Holzgriff mit zwei Nieten verziert und mit Fixierpflaster umwickelt war. Die Klinge war auf beiden Seiten scharf.

Hätte Bryan jemals den Film »The Most Dangerous Game« gesehen, so hätte er sofort erkannt, dass es sich um eine Kopie des Messers handelte, das Graf Zaroff auf seinen Jagden bei sich trug.

»Legt euch mit dem Gesicht nach unten auf den Boden«, befahl der vermummte Mann schließlich. »Ich muss euch fesseln.«

Bryan stand von der Decke auf, worauf der Mann ihn aufforderte, sich wieder hinzulegen. »Sie werden’s nicht glauben, Robert«, erzählte Bryan, »aber ich war einfach nur sauer, weil er uns fesseln wollte. Ich wollte es ihm ausreden und überlegte, ob ich nicht versuchen sollte, ihm die Pistole abzunehmen. Ich hatte das Gefühl, dass es mir gelingen könnte. Der einzige Grund, warum ich es nicht versuchte, war, dass ich das Risiko nicht eingehen wollte. Wenn jemand dabei verletzt worden wäre, hätte man mir vielleicht vorgeworfen, dass ich unnötigerweise den Helden spielen wollte.«

»Ich glaube, ich kann ihm die Pistole abnehmen«, flüsterte Bryan Cecelia zu. »Hast du was dagegen?«

»Der Vorschlag schien ihr irgendwie Angst zu machen«, erzählte mir Bryan, »also ließ ich es sein, weil es ja nicht nur um mein Leben allein ging, sondern auch um das ihre. Ich dachte mir, gehen wir auf Nummer Sicher. Wenn dich jemand ausraubt, dann gib ihm dein Geld und geh kein Risiko ein. Der Kerl wirkte irgendwie abgedreht, aber man konnte einigermaßen normal mit ihm reden. Ich dachte mir, dass er wirklich nur auf Geld aus war.«

Der Mann mit der Kapuze wandte sich Cecelia zu. »Du fesselst den Jungen«, befahl er ihr.

Cecelia schlang die Leine um Bryans Hände und Füße und knotete sie so, dass sie sehr locker saß. »Sie hat mich gar nicht fest gefesselt«, berichtete Bryan, »und ich hielt die Hände weit auseinander, so wie man es in Filmen sieht.«

Während Cecelia Bryan fesselte, griff sie in seine Hosentasche, zog die Brieftasche hervor und warf sie dem Mann hin. Er fing sie aber nicht auf. Als sie fertig war, fesselte der stämmige Mann sie ebenfalls. Als er das Mädchen berührte, begannen seine Hände zu zittern, doch er band sie trotzdem so fest, dass sie sich nicht mehr bewegen konnte. Dann wandte er sich Bryan zu und knüpfte die lockeren Knoten um einiges fester.

»Ich werde langsam nervös«, sagte der Mann plötzlich.

Die beiden jungen Studenten lagen jetzt völlig hilflos da - Cecelia auf dem Bauch und Bryan auf seiner linken Seite. »Wenn ich so zurückdenke«, erzählte mir Bryan, »hätte man sich schon fragen können, warum uns der Kerl noch fesselte, nachdem er uns beraubt hatte oder eben feststellen musste, dass wir kein Geld bei uns hatten. Warum ließ er mich nicht einfach ein Stück weggehen - mit der Aufforderung, mich nicht umzudrehen? Es wäre doch gar nicht notwendig gewesen, mich auch noch zu fesseln.«

Der Mann mit der Kapuze sprach mit einer so ruhigen Stimme zu den beiden, dass sie gar nicht auf den Gedanken kamen, dass er ihnen etwas antun könnte. Bryan bot ihm erneut an, ihm zu helfen, und die drei redeten noch einige Minuten auf der Halbinsel, über die sich bereits die Dämmerung senkte.

»Er hatte eine sehr charakteristische Stimme. Wenn ich mich recht erinnere, hatte er keinen Akzent. Er hatte einfach nur eine sehr prägnante Art, zu sprechen. Es war aber nicht so, dass er übermäßig gesprächig gewesen wäre. Ich war es, der ihm Fragen stellte, und er hat mir geantwortet. Als ich nun gefesselt dalag, sagte ich zu ihm: ›Okay, jetzt können Sie’s ja sagen, ob die Waffe geladen war oder nicht.‹ Und er zeigte mir die Pistole und zog das Magazin heraus. Es war eine Patrone drin - Kaliber 45, glaube ich. Er steckte die Pistole weg und ich drehte den Kopf zur Seite.«

BOOK: Zodiac
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