Polar City Blues (37 page)

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Authors: Katharine Kerr

BOOK: Polar City Blues
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»Was meinen Sie mit merkwürdig?«

»Es ist wirklich merkwürdig. Da nähert sich etwas von außerhalb der Bahn, nicht weit vom Kometen und dem fremden Schiff, aber es sieht nicht aus wie ein Schiff.«

Bates kann mit den Zahlenreihen, die von oben nach unten über den Schirm laufen und die dreidimensionale Graphik überdecken, nicht viel anfangen.

»Nun, Himmel noch mal, dann reden Sie davon, wenn Sie es wissen, und lassen mich jetzt in Ruhe!«

»Ja, Sir! Ist recht.«

In seiner Ecke beim Wasserbehälter ist Akeli eifrig am Telefonieren. In einer Hand hält er das tragbare Terminal seines eigenen Computers, in der anderen den kleinen Reserveschirm von Bates' Computer, so daß ihm wirklich nichts entgehen kann. Über Bates' Schirm laufen Zeile um Zeile die Polizeiberichte, und es ist überall dasselbe: Panik in der Stadt. Doch ist es in Porttown noch am ruhigsten. Überall im Ghetto sind an den Straßenecken Grüppchen von Zivilisten aufgetaucht, wahrscheinlich bewaffnet, obwohl sie es nicht zeigen. Sie sorgen dafür, daß es ruhig bleibt, daß nicht geplündert wird. Die Anführer haben die Parole ausgegeben, daß nicht eine einzige Schaufensterscheibe zu Bruch gehen darf - und die Leute gehorchen. Bates gibt dem Einsatzleiter in Porttown Anweisung, ein Drittel der Beamten

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abzuziehen und nach New Cloverdale zu schicken, wo Jugendbanden die Straßen unsicher machen.

»Sieht ganz so aus, Lieutenant«, sagt er, »als hätte der Bürgermeister von Porttown in seinem Revier alles unter Kontrolle.«

»Würde ich auch sagen. Okay, Sir, ich habe die Leute in den Transportern, wir verschwinden hier wie der Blitz.«

Bates hat kaum aufgelegt, als Akelis Terminal zu piepen beginnt. Ein Gespräch mit höchster Priorität.

Er geht hinüber und lauscht, als der Chef der Staatspolizei einschaltet. Auf dem kleinen Schirm taucht das Gesicht der Präsidentin auf, schweißglänzend, mit halb aufgelöster Frisur. Sie lächelt so breit, daß man fast um ihr Gesicht fürchtet.

»Das Carli-Schiff verläßt die Umlaufbahn.«

Ein einziger Jubel im Raum, vom Techniker bis zum Chief, alles kreischt und johlt. Die Präsidentin lächelt wieder.

»Gute Arbeit, Bates. Akeli hat mir gesagt, daß es Ihr Plan war. Ich werde sehen, daß das entsprechend gewürdigt wird.«

»Nicht nötig, Madam. Ich habe nur meinen Job getan.« Bates ist klar, daß Akeli ihn nur in den Vordergrund gerückt hat, damit er im Falle eines Scheiterns auch die Verantwortung zu tragen hätte.

»Ohne die Unterstützung eines Diplomaten der Konföderation, Ka Pral, hätte ich es nicht geschafft.«

»Welche Bescheidenheit, wirklich nett, aber ich kenne die Leute in Polar City.« Sie zwinkert ihm beängstigend kokett zu. Entweder hat sie keine Ahnung, daß er noch nicht lange in dieser Stadt ist, oder sie glaubt, daß er schon längst von der allgemeinen Korruption angekränkelt ist. »Akeli, ich möchte, daß Sie und Bates zur Botschaft der Allianz gehen. Nach dem Rückzug der Carlis dürfte sich diese Asylgeschichte jeden Augenblick klären. Ich möchte wetten, daß man bei der Allianz froh ist, wenn es vorbei ist, doch solange der Eindruck entstehen konnte, daß man den Carlis nach-317

gäbe, wollten sie keinen Zentimeter Boden preisgeben. Ich möchte, daß einige hohe Beamte dort präsent sind, damit sie nicht doch noch ihre Meinung ändern.«

»Delta Vier, was, zum Teufel, ist das für ein Ding?« Lacey kneift unbewußt die Augen zusammen, als ob sie dadurch das Signal, das sie über das Implantat erhält, besser erkennen könnte.

»Ich weiß nicht, Programmiererin. Ich habe so etwas in all den Jahren, in denen ich in Betrieb bin, noch nicht gesehen. Wie Sie sicher bemerken, nähert es sich dem Punkt, an dem wir voraussichtlich auf das fremde Schiff treffen, mit großer Geschwindigkeit.«

»Ein Meteorit?« schaltet sich Sam in die Leitung ein; seine Stimme klingt nervös. »Oder noch ein Komet?«

»O Mann!« schimpft Lacey. »Laß uns in Ruhe, ja! Das hätten wir längst gemerkt. Dieses Ding ist wirklich verrückt.«

»Das Signal ist verschwommen und nicht stetig, Captain. Zeitweise ist überhaupt nichts zu sehen.«

»Noch mehr Hüpfer vielleicht?« sagt Sam.

»Nein, glaube ich nicht.« Lacey kneift wieder die Augen zusammen, natürlich vergeblich. »Wir werden es bald wissen, wirklich bald.«

»Wie bald?«

»Rendezvous in einunddreißig Minuten. Die Hüpf er liegen elf Minuten zurück.«

»Wann werden sie in Schußweite sein?«

»Elf Minuten. Ich habe die ganze Zeit die Schußweite angegeben.«

»Zehn Minuten, Programmiererin. Sie haben erfolgreich dieses riskante Manöver um den Asteroiden hinter uns absolviert.«

Lacey hätte gern geflucht, aber es fiel ihr nichts Passendes ein.

»Okay, das ist der Krieg«, bemerkt Sam. »Operator, sagen 318

Sie Delta Vier, daß er anständig Gas geben soll. Es wird ein bißchen wackeln, aber wir können bestimmt noch etwas Tempo aus dieser Kiste herausholen.«

»Captain, ist das nicht riskant?«

»Riskant? Worüber machst du dir eigentlich noch Sorgen!«

»Da hast du nicht ganz unrecht, amigo, Delta Vier, du hast es gehört.«

Es sind keine Absperrgitter zu sehen, keine Gleiterkolonnen sind aufgefahren, und erst recht gibt es nirgendwo eine Spur von Armee- und Polizeieinheiten, und doch ist die Botschaft der Allianz hermetisch abgeriegelt. Oben kreist ein Polizeigleiter, als ob irgend jemand wagen würde, sich aus der Luft zu nähern. Hinter dem Elektrozaun taucht gelegentlich ein Paar Hüpfer auf, wie auf einem zufälligen Spaziergang durch den Garten, doch erscheinen sie in viel zu regelmäßigen Abständen.

Draußen auf der Straße stehen Grüppchen von Beamten der Staatspolizei in zivilen Sonnenpelerinen, sie lesen Zeitung oder unterhalten sich über Baseball, doch kommen sie sofort heran, wenn ein Fahrzeug sich dem Botschaftsgebäude nähern will. Hinter den Rolltoren hocken vier Wachmänner im Schatten des Postenhäuschens und sind in ein offensichtlich kompliziertes Spiel vertieft, während auf der anderen Straßenseite in der kühlen und geräumigen Eingangshalle der Staatlichen Rentenversicherung sich einige Polizisten hinter einem Tisch drängen, der über und über mit Papier bedeckt ist, und dabei Gesichter machen, als würden sie Karten für den nächsten Polizeiball verkaufen.

Weil Bates und Akeli das Gebäude von der anderen Seite betreten haben, wissen sie, daß in den Korridoren hinter dieser friedlichen Fassade ein ganzer Zug der Armeereserve wartet, und noch ein halber der Marinetruppen; und sie können sich gut vorstellen, daß es im Botschaftsgebäude 319

nicht anders aussieht. Der befehlshabende Beamte, Sergeant Maddock, kommt herbei, um sie zu begrüßen.

»Ist alles ruhig, Sir. Vor zehn Minuten kam so ein wichtig aussehender Typ aus der Tür und schaute sich um, aber er verschwand gleich wieder.«

»Gibt es eine direkte Telefonverbindung nach drüben?«

»Ja, Sir.« Er deutet mit seiner großen Hand auf ein kleines silbriges Kästchen auf dem Tisch. »Da ist das Gerät.«

Bates ist versucht, es zur Hand zu nehmen und ihnen zu sagen, daß zwei hohe Beamte eingetroffen sind und auf den Beginn der Verhandlungen drängen, doch beschließt er, sich erst ein wenig umzuschauen. Er verläßt die Eingangshalle zu einem kleinen Spaziergang. Entlang der Schattengrenze trottet er auf dem Gehweg auf und ab; hier kann er gesehen werden, ohne von der Sonne gebraten zu werden. Drüben taucht plötzlich ein Hüpfer in roter und goldener Uniform auf; er legt eine Hand über die Augen und starrt herüber. Er kommt ihm bekannt vor, die Haltung, die Art, den Kopf zur Seite zu legen; Bates ist ziemlich sicher, daß es Den'ah'vel ist, erst recht, als der Hüpfer einen Satz zur Eingangstür macht und im Gebäude verschwindet, ohne dem Ganzen überhaupt den Anschein des Zufälligen geben zu wollen.

Dann warten sie. Bates steht auf dem Gehweg, eben noch im Schatten, die Hände in den Taschen vergraben; Akel steht beim Funktelefon. Die Sonne steigt höher und höher und über jedermanns Gesicht perlt der Schweiß. Bates muß an die
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denken, die jetzt zu dem Schiff jagt, das vielleicht am Ende nichts anderes sein wird als ein um die Sonne kreisendes Grab für die Artgenossen der Insektenfrau. Maddock hat sich zu ihm gesellt; er gähnt.

»Müde, Sergeant?«

»Ja, Sir, Entschuldigung. Das ist jetzt schon die zweite Schicht ohne jede Pause.«

»Tut mir leid. Es ist eben alles zusammengekommen, nicht wahr? Aber so ist es immer.«

Plötzlich ertönt drüben auf dem Botschaftsgelände eine

Fanfare; es ist einer Trompete nicht unähnlich, nur viel lauter.

»Was, zum Teufel ...« Bates legt die Hand über die Augen und starrt hinüber.

Hinter den dunklen Glastüren kann man undeutlich eine Bewegung erkennen; Leute gehen hin und her, sie schieben irgendein großes Ding vor sich her. In einem Anflug von Verfolgungswahn fragt sich Bates, ob die Hüpfer ein Geschütz in Stellung bringen, doch entpuppt sich das Ding als ein riesiges Sonnensegel, ein Rechteck in Grün und Purpur von vielleicht zehn Meter Länge, das an Stangen getragen wird. Wie eine Riesenschlange windet es sich jetzt aus der Tür und bewegt sich auf den Zaun zu. Bates kann vielleicht zwanzig Hüpfer sehen, die darunter herumturnen. Mit einem nervösen Grinsen kommt Akeli herbei.

»Eine Verhandlungsdelegation«, flüstert der Chef der Staatspolizei. »Es spricht für die Umsicht der Präsidentin, daß sie meine Anwesenheit hier angeordnet hat.«

»Sieht so aus, ja. Ich nehme an, daß das Theater eine Weile dauern wird?«

»Normalerweise schon. Und in diesem Fall werden sie sich besonders viel Zeit lassen, damit ihr Schiff da oben sich ungestört an unsere Schützlinge im Eis heranmachen kann.«

»Verflucht! Aber da kann ich nicht viel dran ändern, der Teufel soll sie holen. Am besten verschwinde ich hier und kümmere mich um meine Arbeit. Wenn die Stadt am Kochen ist, habe ich keine Zeit für die Spielchen der Diplomaten.«

Aber Bates zögert aus simpler Neugier noch. Er möchte einen weiteren Blick von der Witwe des Ermordeten und dem Hauptneutrum erhaschen, die schwer bewacht dieser Prozession folgen. Weil er schon früher Hüpferfrauen gesehen hat, ist er von der pompösen Frisur nicht überrascht, ein wahres Gebirge mit unsichtbaren Stützrahmen und Polstern, leuchtend grün gefärbt und mit Schmuck und allerlei

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Insignien ihres Rangs verziert. Was ihn jedoch erstaunt, ist das Neutrum, das wie ein ganz normaler Hüpfermann aussieht und auch so dahergeht - nur, daß es Frauenkleider trägt. Irgendwie hat er wohl mehr erwartet, vielleicht ein exotisch-undefinierbares Zwitterwesen.

»Über Geschmack läßt sich streiten«, sagt er vor sich hin. Dann hastet er zurück in das Gebäude; je eher er wieder im Hauptquartier ist, desto besser.

»Da ist es!« zischt Lacey. »Auf dem Schirm, Captain.«

Der Sichtschirm leuchtet auf; vor ihnen das sternenübersäte Panorama des freien Weltraums, mit einem blauen Nebelfleck in der linken unteren Ecke. Aber genau in der Mitte des Bilds schimmert ein riesiger Brocken Kometeneis, und nahebei schwebt ein kleines, graues Ovoid, nicht ganz symmetrisch und mit zernarbter und verschrammter Außenhaut nach der ewig langen Reise. Hinter sich hört Lacey einen hohen, metallischen Laut; es ist die Insektenfrau.

»Kannst du irgendein Lebenszeichen erkennen?« Sam sagt es zu Lacey, aber die Insektenfrau antwortet.

»Ich kann. Es gibt Überlebende, Captain. Ich danke Ihnen, ich danke euren Göttern - sie leben!«

»Wie ist die Entfernung zum Hüpfer-Schiff?«

»Fünf Minuten«, sagt Lacey. »Tut mir leid, Captain, ab sie sind einfach schneller als unsere Rostschüssel.«

»Mist!«

Vielleicht ist die
Montana
gemessen an einem Kriegsschiff etwas langsam, doch bei ihrer augenblicklichen Geschwindigkeit sind fünf Minuten Abstand eine ganze Menge. Das graue Ovoid wird langsam größer. Man erkennt, daß es ein Schiff ist. An den Seiten sieht man Schriftzeichen ähnlich denen auf dem Kästchen, das Little Joe im Rattennest gefunden hat. Das Kometeneis ragt nun wie ein gewaltiger Eisberg im Hintergrund auf, eine glänzende Masse, an deren Rän-322

dem blau der ferne Nebelfleck leuchtet. Sam an seiner Konsole macht sich unverdrossen daran, die Roboter und Frachtmanipulatoren fertig zu machen, als hätten sie irgendeine Chance, das graue Schiff vor den Hüpfern zu erreichen. Plötzlich zischt und jault es in den Kopfhörern; vergeblich versucht Delta Vier das Schiff gegen den elektromagnetischen Sturm abzuschirmen, der von dem Hüpfer-Schiff ausgeht. Anstatt den Computer bei seiner Arbeit zu stören, gibt Lacey Rick ein Handzeichen. Er winkt zurück aus dem transparenten Geschützturm unter ihren Füßen. An ihrer Konsole leuchten Lämpchen auf: Die
Montana
macht sich gefechtsbereit.

»Montana,
melden Sie sich.«

»Kann Sie kaum verstehen«, lügt Sam. »Bitte identifizieren Sie sich.«

Lacey sieht die Kontrollampe für den Laser aufleuchten, er ist feuerbereit. Das Hüpfer-Schiff überschwemmt sie erneut mit einer Energieladung, die die Abschirmung durchschlägt.

»Montana!
Ich bin sicher, daß Sie uns hören können.« Die Stimme singt. Es ist dieses Auf- und Abschwellen von Kicherlauten, aus denen man dennoch deutlich Wörter der Menschensprache heraushören kann; ein Hüpfer, unverkennbar.
»Montana,
unsere Ansprüche auf Bergung dieses Schiffs gehen vor.«

»Ach ja?« Sams Stimme ist gefährlich ruhig. »Das ist wirklich schade. Wie Sie wissen, befindet es sich auf dem Territorium der Republik, und Sie können hier nicht das Bergungsrecht beanspruchen.«

»Sie irren.« Die Stimme klingt amüsiert. »Wir können, als Wiedergutmachung für einen Schaden sozusagen. Eines unserer Diplomatenschiffe geriet in diesem System durch Kometenbruchstücke in Schwierigkeiten; so weit wir wissen, ist dieses Wrack eines der Bruchstücke. Wir beanspruchen, es zu bergen, um untersuchen zu können, wie es zu dem Unfall kam. Dieses Recht gehört zu den diplomatischen

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Privilegien, das wissen Sie. Behaupten Sie nicht das Gegenteil!«

»Okay, dann also nicht.«

Sie können jetzt das Hüpfer-Schiff auf dem Schirm sehen, ein stromlinienförmiger Kreuzer, schlank und bedrohlich wie die Klinge eines Messers. Mit hoher Geschwindigkeit nähert er sich auf einer Bahn, die ihnen den Weg zum Schiff der Insektenfrau abschneidet. In ihrem Kopf hört Lacey die Stimme von Delta Vier:

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