Polar City Blues (34 page)

Read Polar City Blues Online

Authors: Katharine Kerr

BOOK: Polar City Blues
8.9Mb size Format: txt, pdf, ePub

»Programmiererin!« Er spricht Kangolan. »Du bist verletzt.«

»Nein, Buddy. Nur mein Implantat wurde freigelegt, damit ich mich an den Computer von Sams Schiff anschließen kann.«

Er gibt einen Ton von sich wie das Wimmern einer elektrischen Gitarre; man kann es sich gut als den Aufschrei eines eifersüchtigen Computers vorstellen.

»Wir reden darüber, wenn ich zurück bin«, sagt Lacey bestimmt, dann spricht sie auf Merrkan weiter.

»Okay, Mulligan, paß gut auf Maria auf, ja?«

»Ich werde mir Mühe geben.« Seine Stimme ist etwas unsicher; er ist überrascht, daß sie ihm ein Stück Verantwortung überträgt, auch wenn es eher ein Scherz ist. »Und paß du auf dich selber und die Insektenfrau auf!«

»Sicher. Sam, wo ist Rick?«

»Verstaut die Lady im Kofferraum des Bentley und bringt ihn vor die Tür. O Lacey, ich möchte wissen, was der Zoll sagen wird, wenn sie sie finden.«

»Stell deinen Laser auf Betäubung und sorg dafür, daß sie keine Zeit für Fragen haben. Vamos, amigo.«

Während sie die Treppe hinunterlaufen, denkt sie an Mulligan und wünscht sich, daß sie wenigstens diese drei ganz einfachen Wörter herausgebracht hätte ...

Es stellt sich heraus, daß es eine Untertreibung wäre, die Insektenfrau gelenkig zu nennen; sie hat sich zu einem Bündel zusammengerollt, das ohne weiteres in den Kofferraum des Gleiters paßt. Als sie einigermaßen bequem liegt, steigen Nunks und Rick hinten ein, Sam und Lacey vorn, und sie starten zum Flughafen. Sobald sie aus der Gasse in die D-Straße einbiegen, stoßen sie schon auf eine dichte Menge aus Menschen und Lizzies, die dicht gedrängt auf den Gehwegen sich tummeln und die Kreuzungen belagern; man redet gedämpft mit hängenden Köpfen, die Stimmung ist gedrückt.

Jemand hat einen großen Fernseher in ein Fenster im ersten Stock gestellt und den Ton voll aufgedreht; die Leute starren hinauf, als Mrs. Jimenez Ibarra immer von neuem wiederholt, daß es keinen Grund zur Panik gäbe, daß Chief Bates und sein oberster wissenschaftlicher Berater (damit muß Carol gemeint sein, denkt Lacey) versichert hätten, daß eine Lösung in Sicht sei. Als das Band ein weiteres Mal abläuft, fängt die Menge zu johlen und zu lachen an.

»Nichts wie weg hier«, sagt Sam.

Aber er ist nicht schnell genug. Bevor die große Maschine abgehoben hat, erkennt jemand Lacey und ruft ihren Namen. Eine Gruppe von Menschen kommt auf sie zu, umringt den Gleiter und drängt sich dagegen, als sie das Fenster herunterkurbelt, um mit dem dickbäuchigen Mann zu reden, der nicht weniger aufgeregt ist als die übrigen. Irgendwer murmelt, daß es Lacey noch am ehesten wissen müßte.

»Was ist los, Mac?«

»Was los ist, was soll das heißen! Mist, Lacey, hast du nicht die Sendung gesehen?«

»Sicher, habe ich das. Ich wollte wissen, was
ihr
darüber denkt!«

»Die verfluchte Regierung will es uns besorgen. Sie reden schon seit Jahren davon, daß in Porttown endlich aufgeräumt werden muß. Ha ... Wenn du mich fragst, sie haben da ein Virus in Umlauf gebracht, und jetzt ist es außer Kontrolle geraten.«

»Das ist nicht richtig.« Sie zwingt sich, ruhig und gelassen zu sprechen. »Es ist ein Bakterium, und es ist nicht gegen uns, sondern gegen die Carlis gerichtet. Ehrenwort, ich schwör's dir.«

Mac dreht sich um und brüllt es über die Straße, so laut er nur kann. Wie eine Welle breitet es sich aus, und sicher nicht darauf würde sie wetten - ohne mehr und mehr verfälscht zu werden. Sie fragt sich, ob man ihr glaubt. Wahrscheinlich nicht.

»Hör mal, Mac.« Sie senkt die Stimme und flüstert es ihm zu. »Tu mir den Gefallen, aber sei vor allem verschwiegen. Es wird sich sicher für dich lohnen. Du weißt, wo du den Bürgermeister von Porttown findest?«

»Sicher weiß ich das.«

»Dann geh und sag Richie ihm persönlich, und nicht am Telefon -, daß Lacey die Sache arrangieren wird, wie es versprochen ist. Er soll seine Leute losschicken, damit sie für Ordnung in den Straßen sorgen. Aber es wird bald erledigt sein, in fünf oder sechs Stunden höchstens. Hast du verstanden?«

Er wiederholt die Botschaft mit solcher Genugtuung, daß sie weiß, daß es in nicht einer Stunde ganz Porttown wissen wird und es wird beruhigend wirken. Nach einigem Hin und Her um den Gleiter verläuft sich die Menge, und Sam kann endlich starten. Während der kurzen Fahrt zum Hafen kann Lacey aus der Luft sehen, daß immer mehr Leute in die Straßen strömen. Es ist, als würde Milch gerinnen und immer größere Klumpen bilden.

Weil man in den Luftraum über den Hafen nicht eindringen kann, ohne Alarm auszulösen, müssen sie durch das Tor. Was Bates und Buddy sich ausgedacht haben, ist den Wachen schon bekannt. Als sie ihre Ausweise zeigen, öffnet man ihnen das Tor. Gleich dahinter erwartet sie jedoch der Zoll; sie müssen eine metallene Röhre, hundert Meter lang,

294

passieren, doch zunächst stellen sich ihnen vier Beamte, zwei Menschen und zwei Lizzies, in den grünen und rotbraunen Uniformen der Hafenbehörde in den Weg. Als Sam das Fenster öffnet, legt eine dicke Lizzie-Frau eine Klaue auf den Rahmen und lehnt sich herein.

»Ein Sonderkurier, so? Und eine Drogenfahnderin in geheimer Mission? Donnerwetter, kann ich nur sagen. He, Lacey, sie werden Ihnen die Papiere nicht zurückgeben, ohne vorher mit uns zu reden.«

Lacey zieht mit einer raschen Bewegung den Laser und feuert. Als der Betäubungsstrahl die Lizzie trifft, schreit sie auf und fällt zuckend zu Boden. Sam tritt das Gaspedal durch, der Bentley schießt nach vorne. Die drei übrigen Zollbeamten werfen sich zur Seite und prallen gegen die Metallwand, daß es nur so dröhnt. Mit einem Aufheulen jagt der Gleiter durch die Röhre.

Während sie über das Hafengelände brausen, ertönen Alarmsirenen. Lacey kann das zierliche Shuttle der
Montana
erkennen, das schon aufgerichtet an einer Startrampe steht. Sam sucht etwas in seiner Hemdtasche, dann wirft er ihr ein kleines Kästchen zu, eine Art Fernbedienung. Obwohl dieses höchst illegale Gerät nur zehn Knöpfe hat, kann sie damit den Shuttlecomputer dazu bringen, die Frachtluke zu öffnen und die Verbindungen zur Startrampe zu lösen, während sie noch fast einen Kilometer entfernt sind und ohne daß die Hafenverwaltung erfährt, daß ein Raumfahrer sich anschickt zu starten, ohne seine Rechnung bezahlt zu haben. Als sie das Shuttle erreichen, ist das Tor zum Rampenkomplex geöffnet, und an der weißen Wolke um den Rumpf kann man erkennen, daß es vollgetankt ist.

»Also, Leute«, sagt sie, »tun wir doch einfach so, als ob es ein Notfall wäre und wir die Lady aus dem Kofferraum und ins Schiff schaffen müßten, als ginge es um Leben und Tod.«

»Teufel noch mal«, sagt Sam, der den Bentley mit einem Ruck zum Stehen bringt, »vielleicht ist es so.«

Als Rick die Insektenfrau im Kofferraum verstaute, hat er 295

in Laceys Garage eine Rolle Plastiktuch gefunden, die er ihr als Kissen unterschob. Als sie nun herausklettert, wickelt sie das Tuch um ihre untere Körperhälfte, während Sam aus der Frachtluke eine große Kiste holt, die er vor ihrer oberen Hälfte herbalanciert. Wie sie nun gemeinsam unten oder oben anfassen und schieben, sieht es zumindest von weitem so aus, als würden sie ein gewöhnliches Frachtstück in den Laderaum schaffen. Leider werden sie aus der Nähe beobachtet. Gerade als Lacey die Luke schließen will, sieht sie zwei Hafenarbeiter, die sie anstarren.

»Mist! Sam, bring alle schleunigst in die Kabine, wir müssen starten. Es gibt Ärger.«

Es war nicht schwer zu erraten, daß die beiden Arbeiter losrennen und Alarm schlagen würden, während nun die Luke einrastet und luftdicht abgeschottet wird.

Der Computer des Shuttles ist eine Nebenstation des Schiffscomputers, deshalb schaltet Lacey sofort ein, als sie den Kontrollraum erreicht. Zwar kann Sam das Shuttle auch mit Handsteuerung in die Umlaufbahn bringen, aber sie muß sich jetzt langsam mit dem Schiffsrechner vertraut machen. Doch wird sie das Implantat erst an Bord der
Montana
benutzen; sie muß sich an diesen Gedanken noch gewöhnen. Im Kopfhörer meldet sich die ruhige Stimme des Computers.

»Willkommen an Bord, Programmierer.«

»Danke, Delta Vier. Hier spricht Bobbie Lacey, Lieutenant Commander im Ruhestand, Dienstnummer

...«

»Nicht nötig, Programmiererin. Ich weiß, wer Bobbie Lacey ist, und ich weiß auch die Ehre zu schätzen, mit Ihnen zusammenarbeiten zu dürfen.«

»Was sagst du da?«

»Es ist nicht wichtig, Programmierer in. Ich verfolg gerade den Polizeifunk. Drei bewaffnete Gleiter nähern sich dem Shuttle.«

»Aufgepaßt!« ruft Sam. »Es geht los!«

Die Triebwerke beginnen zu brüllen, der Raumtransporter schüttelt sich, dann drückt die Beschleunigung sie in die Sitze. Unsanft lösen sich die Verbindungen zur Startrampe. Noch in dem ohrenbetäubenden Lärm kann Lacey das Poltern von ungesicherten Gegenständen hören, die in der Kabine herumkullern. Ihr Atem geht keuchend, während der Andruck noch zunimmt, aber Lacey kennt dieses lähmende Gefühl auf der Brust nur zu gut.

»Programmiererin, Flugobjekt bei drei Uhr.«

»Ausweichkurs steuern«, keucht Lacey, »übernehmen Sie, Captain.«

Nunks kreischt auf, als das Shuttle sich zur Seite neigt. Für einen Augenblick läßt die Beschleunigung nach, dann drückt die Riesenfaust sie wieder nieder.

»Delta Vier«, sagt Lacey, »ich übergebe dir die Steuerung des Schiffs. Leite Rendezvous-Manöver ein. Ich verlaß mich ganz auf dich, wirst du es schaffen, Baby?«

»Ja, Sir. Ich bin schon dabei, den Antrieb zu aktivieren. Ich werde die nötigen Codes fälschen, um die Station ohne Genehmigung verlassen zu können. Wie tief soll ich heruntergehen?«

»So tief du kannst, ohne die Umlaufbahn aufzugeben. Evakuiere das Shuttle-Dock und öffne die Luken, damit wir keine Zeit verlieren.«

Mulligan steht am Fenster von Laceys Büro und starrt hinüber zum Hafen. Ein Schiff steigt auf und heult durch die Nacht, und obwohl es zu weit entfernt ist, um irgend etwas erkennen zu können, denkt er, daß er nun Lacey gesehen hat, zum letzten Mal wohl. Ohne sein Zutun hat ein Teil seines Bewußtseins zu senden begonnen.
Lacey, geh nicht. Tu es nicht. Bleib hier.
Als ob sie ihn empfangen könnte. Seine Angst um sie ist wie frostige Luft, die bei jedem Atemzug Schmerzen bereitet.

»Einheit Mulligan?« sagt Buddy.

»Ja? Was willst du?«

296

297

»Ich muß dir etwas gestehen. Ich habe dich angelogen. Sam Bailey ist nicht Laceys Liebhaber.

Tatsächlich zieht er Männer vor.«

Mulligan wirbelt herum und starrt den matt leuchtenden Bildschirm an, als könne er darin lesen wie in dem Gesicht eines Gesprächspartners.

»Du verfluchter Mistkerl!«

»Es tut mir sehr leid. Es war eine vorübergehende Funkstörung, die meine Programmiererin, behoben hat.«

»Wenn du das jemals wieder tust, werde ich mir deine Schaltkreise vornehmen, verdammter Steckdosenlutscher.«

Buddy summt kurz, dann verstummt er. Mulligan hat die Arme fest über der Brust gekreuzt und geht ruhelos im Zimmer auf und ab, bis Buddy ihn anspricht.

»Kannst du dich nicht setzen oder wenigstens stillstehen? Du überlastest meine Sensoren, und ich brauche die volle Kapazität, um meiner Programmiererin zu helfen.«

»Okay, okay.« Mulligan läßt sich auf das Sofa fallen. »Was tust du da überhaupt?«

Buddy zögert; ein buntes Kräuselmuster läuft über den Bildschirm.

»Du weißt nicht genug, um mich daran hindern zu können, deshalb werde ich es dir sagen. Ich habe einen Bericht über diesen Vorfall verfaßt und gebe ihn jetzt an die Computer aller Nachrichtenredaktionen des ganzen Sonnensystemsweiter.«

»Du machst was?«

»Die H'Allevae fürchten die öffentliche Meinung. Sie wissen, daß sie im ganzen erforschten Raumsektor gehaßt und gefürchtet werden, und sie wollen diesen Zustand nicht noch verschlimmern.

Solange sie es heimlich tun können, werden sie nicht zögern, Captain Baileys Schiff zu vernichten.

Aber sobald das ganze System zuschaut, werden sie sich zurückhalten.«

»Buddy, manchmal bist du wirklich ein Genie!«

»Obwohl ich mit deiner Einschätzung meiner Intelligenz

übereinstimme, muß ich gestehen, daß ich diese Idee von Chief Bates übernommen habe. Seine Taktik, diese Epidemie bekanntzugeben, war so geschickt, daß ich nur dasselbe Prinzip auf diesen Fall anzuwenden brauchte.« »Sehr gut. Schaltest du mir den Fernseher ein, ja?« Mit einem leichten Zischen leuchtet der große Bildschirm auf. Die Polar City Bears spielen gegen die Freehaven Pirates, und es ist das vierte Inning. Mulligan nimmt sich etwas zu trinken, setzt sich auf die Couch und wartet.

Zwei Gläser später, zum Beginn des fünften Innings, taucht ein Ansager auf, ein grimmig aussehender Lizzie hinter einem Stehpult, ein Blatt Papier in der Hand. Seine Nickhäute flattern nervös.

»Wir unterbrechen die Übertragung für eine Sondermeldung. Heute hat die Polizei von Polar City, wie es heißt, gewisse Aktivitäten der Botschaft der Allianz aufgedeckt. Zu den Vorwürfen, in denen ermittelt wird, gehört der Verdacht auf versuchten Völkermord ...«

»... an einer bisher unbekannten intelligenten Spezies.« Das Gesicht des Ansagers auf dem Bildschirm zwischen den Armaturen des Shuttles ist ziemlich verschwommen.

»O Mann!« sagt Sam grinsend. »Woher wissen die das? Wie, zum Teufel, haben sie es herausgekriegt?«

»Die Medienleute verstehen ihr Handwerk, Mensch.« Lacey beachtet es kaum. »Den Hauptsichtschirm einschalten, Captain.«

Flackernd und nach einigen Lichtblitzen erhellt sich der große Bildschirm, dann taucht die
Montana
auf, die vielleicht zwanzig Kilometer über ihnen schwebt. Ein Bündel aus silbernen Kugelelementen, große und kleine, die durch kurze Tunnelröhren verbunden sind. Dicke Kabelstränge winden sich um die Kugel. Das Shuttle bäumt sich leicht auf, als Sam die Frontdüsen zündet, um abzubremsen, dann gleitet es

298

299

stetig weiter. Über ihnen öffnet sich die riesige Luke des Shuttle-Docks wie zur Begrüßung.

»Lieber Gott, was ist sie niedrig«, murmelt Sam.

»Sei froh, Mann. Seitensichtschirm einschalten.«

Auf einem zweiten Bildschirm, aus einem etwas anderen Blickwinkel, erscheint ein Ausschnitt der roten Kugel von Hagar, auf der man die riesigen Wirbel von Sandstürmen sehen kann und, deutlich dagegen abgehoben, den schwarzen Keil einer Fregatte, die eben die Atmosphäre hinter sich läßt und auf sie zukommt.

Other books

Amber Brown Is Feeling Blue by Paula Danziger
Panther's Prey by Doreen Owens Malek
Venus in Love by Tina Michele
Retief Unbound by Keith Laumer
Moon Bound by Stephanie Julian
Athena Force 12: Checkmate by Doranna Durgin
The One You Want by Showalter, Gena
Fate and Fortune by Shirley McKay