Polar City Blues (29 page)

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Authors: Katharine Kerr

BOOK: Polar City Blues
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»Bates, wie günstig, daß Sie jetzt von sich hören lassen.« Akelis Gesicht auf dem kleinen Monitor ist totenbleich. »Um es auf die flotte militärische Art zu sagen: Die Scheiße quillt schon aus den Luftschächten. Ich habe fast eine Stunde mit der Präsidentin telefoniert. Dieses Amnestieverlangen im 247

Fall des getöteten H'Allevae droht sich zu einem interstellaren Zwischenfall erster Kategorie auszuweiten.«

»Und erste Kategorie heißt Landungstruppen hier bei uns?«

»Genau, verdammt.« Akeli ist nun selbst so erschrocken, daß er sich ungewohnt kurz faßt. »Und zwar Carli-Truppen, wenn wir nicht ganz schnell die Karre aus dem Dreck ziehen können.«

Bates gibt ein Gurgeln und Ächzen von sich, als würde er ersticken.

»Der Carli-Botschafter hat offensichtlich eine Möglichkeit gewittert, ihre Einflußsphäre zu vergrößern«, fährt Akeli fort. »Es scheint, daß sie schon seit einiger Zeit etwas von einem möglichen Erstkontakt mit einer fremden Spezies wissen.«

»Verfluchter Ka Pral! Dann hat er mich angeführt, der Kerl.«

»Ich würde es nicht so kraß sagen. Er hatte Befehl vom Botschafter, nichts verlauten zu lassen. Er hat mich selbst angerufen, um es zu erklären, und mir aufgetragen, Ihnen sein Bedauern für diese unumgängliche Irreführung zu übermitteln. Ich glaube sogar, daß er die Sache bis vor wenigen Stunden selber nicht durchschaute. Aber wie dem auch sei, der Botschafter hat die Carlis, und ich zitiere hier die Übersetzung, zu den >Beschützern aller hilfsbedürftigen und im All verirrten Wesen< erklärt.«

»Verdammt! Und natürlich hat die Allianz protestiert.«

»Natürlich. Und auch unsere Präsidentin ...« Akeli macht eine Pause, um nach Luft zu schnappen wie ein balzender Frosch. »Sie hat erklärt, daß es an uns ist, Schutz zu gewähren, da dieses fremde Wesen sich auf unserem Staatsgebiet befindet.«

»Sie hat sich mit beiden angelegt? Ich weiß nicht, ob ich lachen oder heulen soll. Aber wie kommt der tote Hüpf er jetzt ins Spiel?«

»Sowohl die Carlis als auch unsere Präsidentin haben die 248

offiziellen Verlautbarungen zu dem Todesfall als unglaubwürdig bezeichnet. Sie haben beide der Hauptfrau des Toten und dem Hauptneutrum aus dieser verrückten Familie Asyl angeboten. Die Konföderation verlangt, daß sie einer gemeinsamen Abordnung von Menschen und Carlis übergeben werden. Wenn man sie allerdings nicht aus der Allianz-Botschaft freibekommen kann, dann werden sie gefoltert, damit sie vor Gericht gegen den Toten aussagen.«

»Ja, ich kenne die Hüpfer und ihre Vorstellungen von Recht und Gesetz, aber eine gemeinsame Abordnung?«

»Eine gemeinsame Abordnung. Das bedeutet Carli-Truppen in unserer Stadt.«

Bates würde gern fluchen, aber es fehlt ihm einfach die Luft dafür.

»Sie müssen dieses fremde Wesen mit gebotener Schnelligkeit finden, Bates. Wir können von einer Frist von zwanzig Stunden ausgehen. Nicht Tage, Bates -r Stunden.«

»Habe schon verstanden. Wenn die Carlis hier erst einmal Truppen gelandet haben, könnte es passieren, daß sie für immer hierbleiben wenigstens, solange sie nicht einbalsamiert in hübschen Paketen die letzte große Reise um ihre Sonne antreten.«

»Sie nehmen mir das Wort aus dem Mund. Aber wenn wir erst diesen Alien unter unsere Fittiche genommen haben, dann haben wir eine Trumpfkarte im Spiel. Für einen Anteil an den Handelsrechten mit den Fremden werden die Carlis sicher zu der Überzeugung kommen, daß auch eine Einheit unserer Truppen zum Schutz der Witwe und dieses Neutrums oder was das auch immer ist ausreichen könnte.

Sie haben verstanden? Höchste Eile.«

»Ja, ich ...« Bates muß lächeln bei diesem Gedanken, der keineswegs neu ist, vielmehr von Lacey stammt. Es war zu einem früheren Zeitpunkt dieses endlosen Alptraums, daß sie ihren Spaß damit trieb. »O Mann, mir ist da was eingefallen!«

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»Tatsächlich? Etwas, das einer militärischen Präsenz der Carlis auf Hagar entgegensteht?«

»Etwas, das jede Armee des ganzen Universums von der Stadt fernhalten wird und auch vom Rest des Planeten. Äh ... aber passen Sie auf, das muß sehr vorsichtig gehandhabt werden, sonst wird es hier eine Panik geben.« Bates zögert. Das wollte gut durchdacht sein. Akeli war damit überfordert, er würde selbst die Nerven verlieren und es zu früh bekanntgeben. »Da sind noch ein paar Dinge zu klären, bevor ich davon am Telefon reden kann. Aber eines müssen Sie für mich tun, ja? Ich wette, daß die Reporter wie die Schmeißfliegen um Sie herumschwirren?« »Leider haben Sie mit dieser Metapher völlig recht.« , »Ich möchte, daß Sie ein paar Andeutungen über ein medizinisches Problem in Polar City fallen lassen, etwas, von dem Sie noch zu wenig wüßten. Geben Sie am besten wörtlich wieder, was ich Ihnen jetzt sage: Unsere Wissenschaftler arbeiten daran, und es gibt keinen Grund für die Leute, sich zu ängstigen.«

»Großer Gott, Bates ... wenn ich derart vage Andeutungen mache, dann wird das die Öffentlichkeit alles andere als beruhigen.«

»Sie haben's erfaßt, mein Lieber. Genau das ist es, was ich erreichen möchte: daß eine Menge Leute sich zu fragen beginnt, was auf sie zukommt.«

»Mich eingeschlossen. Was soll das heißen, ein medizinisches Problem?«

»Wie ich schon sagte, es ist einiges noch zu klären. Aber wenn es sich bestätigen sollte, dann können wir der Presse ein paar Tips geben, sagen wir morgen früh. Und Sie werden sehen, daß die Carlis zu ihren Schiffen laufen werden, so rasch die kleinen Kuschelbeinchen sie tragen.«

»Oho! Langsam begreife ich den versteckten Sinn Ihres Kriegsplans. Sehr schön, wir versuchen es mit List und der Büchse der Pandora.«

»Und warum versuchen Sie es nicht mit ganz gewöhnli-

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chem Merrkan! Aber ich denke, Sie haben begriffen, worum es geht. Am besten Sie machen sich gleich an die Arbeit. Wir haben ein dickes Brett zu bohren, aber es ist unsere einzige Chance.«

Bates schaltet mit einer solchen Vehemenz ab, daß das Funktelefon wütend zu piepsen beginnt.

»Entschuldigung«, sagt er. »Wirst du mich jetzt mit dem Hauptquartier verbinden, ja?«

Ein vor Aufregung fast aufgelöster Beamter in der Einsatzleitung verbindet ihn sofort mit einem nicht minder aufgeregten und wieder hellwachen Parsons. Die Nachricht, die er nun wiedergibt, hat zweifellos beim ersten Hören seinen Adrenalinspiegel hochgetrieben. Kurz nachdem Bates das Hauptquartier verlassen hat, hat sich ein anonymer Anrufer gemeldet: Zwei Leichen lägen in einer Gasse vor A-bis-Z-Unter nehmungen. Dem einen Mann war das Gesicht von einem Laser weggebrannt, dem anderen hatte man eine tiefe Stichwunde am Rücken beigebracht und sicherheitshalber noch die Kehle durchschnitten. Der Tatort war inzwischen wieder geräumt, und zwei Beamte hätten sich an die Arbeit gemacht, in der Umgebung Zeugen zu finden. Ein ziemlich hoffnungsloses Unterfangen in Porttown, doch mußte es versucht werden.

»Hört sich an, als hätte das etwas mit diesem Assassinen zu tun«, sagt Bates.

»Nun, das haben wir auch gedacht, el jefe ...« Parsons zögert so merkwürdig. »Ach, da war noch ein Anruf, kaum daß wir die Leichen in die Gerichtsmedizin geschafft hatten.«

»Ja? Derselbe Kerl?«

»Nein. Diesmal eine Frau. Äh ... hat behauptet, sie rufe im Auftrag des Bürgermeisters von Porttown an.«

»Mist! War doch sicher eine Verrückte, oder?«

»Na ja, dann sicher die vernünftigste Verrückte, mit der ich je gesprochen habe. Hören Sie, sie hat uns erzählt, daß der Bürgermeister seine Gründe hätte, diesen Killer aus dem 251

Weg zu räumen, und daß er ihn die ganze Zeit hätte überwachen lassen. Gab uns eine wirklich gute Beschreibung, konnte uns sagen, was er den ganzen Tag gemacht hat ich meine, der Killer, nicht der Bürgermeister. Und das beste: Sie sagte, es gäbe noch eine Leiche in einem Hotel im Basar, und unsere Leute fanden tatsächlich einen Mann, dem man wie dem anderen die Kehle durchgeschnitten hatte.«

»Sie haben das auf Band? Ja? Gut geben Sie es mir auf mein Terminal, über diese Frequenz hier. Ich werd's mir während der Fahrt anhören. Aber wahrscheinlich weiß die Sekretärin des Bürgermeisters, oder wer immer sie ist, auch nicht, wo der Dreckskerl jetzt steckt.«

»Sie hat uns immerhin einen Tip gegeben. Jemand hätte gesehen, wie er mit einem gestohlenen Transporter in Richtung Rattennest verschwunden ist, sagt sie.«

»Was!? Menschenskind, dort sind wir ja gleich.«

»Ich wäre darüber nicht so erfreut. Sie sagt, er wäre bis an die Zähne bewaffnet.«

»O Mann, als ob ich mir das nicht denken könnte.«

Nunks, der sich auf dem Rücksitz des Bentley zusammengerollt hat, befindet sich in einem Zustand zwischen Trance und Wachheit. Zwar nimmt er die Außenwelt durchaus noch wahr das weiche Leder unter ihm, das Summen des Gleiters, die Stimmen von Sam und Lacey auf den Vordersitzen -, doch beansprucht der Psi-Kontakt mit Mulligan den größten Teil seines Bewußtseins. Heute ist es doppelt schwierig, denn er muß die Verbindung mit dem kleinen Bruder aufrechterhalten, dabei aber sein eigenes Signal so stark dämpfen, daß es vom Killer nicht entdeckt werden kann. So ausschließlich ist er darauf konzentriert, daß sie fast das Rattennest erreicht haben, bevor er bemerkt, daß die Insektenfrau ihn schon seit einiger Zeit zu erreichen versucht.

Schwester!
Überraschung, Erleichterung.
Du weißt, was mit kleiner Bruder passiert ist?

Ich weiß.
Schuldgefühle.
Meine Schuld. Ich habe euch nicht geantwortet bei eurer Suche. Großes
Bedauern.

Schwester!
Freude, Erleichterung.
Du hilfst uns?

Ich helfe.
Reue, Gewissensbisse.
Habe zuvor aus Angst nicht geholfen.

Verstehe. Bleib jetzt in Kontakt. Ich bin hier mit Freunden, wir nähern uns schnell. Wenn du Mißt,
können wir triangulieren.

Nicht nötig. Sehe Feind, gerade jetzt. Kriecht in eine Höhle. Wir fangen ihn, er muß sagen, wo kleiner
Bruder ist. Wir finden kleiner Bruder.

Du kennst diesen Mann, den Feind? Woher?

Ich habe ihn gesehen. Er tötete meinen ...
Schmerz, Verzweiflung.

Ich verstehe, Schwester. Sprich nicht weiter. Bleib in Verbindung. Führe uns zu der Höhle.

Nicht nötig. Ich zeige sie dir. Schau.

Und Nunks blickt auf eine Szene, so klar und detailliert, als betrachte er ein Hologramm. Es ist irgendeine Ecke im Rattennest. Für einen Augenblick verschlägt ihm die Bewunderung für diese Leistung den Atem, seine Konzentration läßt nach. Dann hält er das Bild fest (natürlich im übertragenen Sinne) und prägt sich jede Einzelheit ein. Er sendet seinen Dank an die Insektenfrau, aber sie hört ihn nicht mehr, ist schon unterwegs im Rattennest.

Nunks beugt sich nach vorn und tippt Sam auf die Schulter. Nach langem Gestikulieren und mit Unterstützung Buddys, der über das Terminal an Laceys Gürtel mitreden kann, hat Sam endlich verstanden, daß Nunks von jetzt an die Richtung angeben möchte. Hinter ihnen folgt die Schlange der Polizeifahrzeuge. Doch auch jetzt, als sie wie die wilde Jagd im Rattennest einfallen, peinigt Nunks der Gedanke, daß sie zu spät kommen könnten, denn er fühlt noch ein anderes Psi-Wesen herankommen, ein Bewußtsein, das ebenso stark wie das der Insektenfrau ist, aber absolut bösartig, und das nach Blut geradezu schreit.

John Hancock kehrt zurück, als die anderen gerade das Frühstück beendet haben. Del hat ihm seinen Anteil in der Bratpfanne aufgehoben. Sie will es ihm auf einen Teller geben, aber er winkt ab und ißt aus der Pfanne. Zwischen den einzelnen Bissen erzählt er, Mulligan fällt es schwer, ihm zuzusehen.

»Also gut, ich habe mit Gott gesprochen. Ich habe den Kopf auf den Heiligen Altar gelegt, genau wie er mir gesagt hat, und habe gesprochen. Er will diesen Weißen kaufen, basta. Er ist sehr zufrieden, daß wir ihn gefangen haben.«

Mulligans Magen krampft sich zusammen, aber es liegt nicht an John Hancocks Tischmanieren.

Wilder Mann und alter Veteran tauschen einen verstohlenen Blick aus, zwei Verschwörer.

»Und was wird er uns bezahlen?« fragt wilder Mann.

»Schnaps, wie das letzte Mal. Aber, Mensch, wir haben den Namen nicht richtig verstanden. Es ist Manna, sagt er, Manna vom Himmel, Mann!«

»Das ist nicht genug.« Wilder Mann steht auf.

»Was?« John legt die Pfanne beiseite und starrt ihn an. »Was ist in dich gefahren, Blödmann? Man kann nicht mit Gott herumstreiten!«

»Klar kann ich das. Als du weg warst, haben wir herausgefunden, daß Gott uns betrogen hat. Erinnerst du dich an den Diamanten, den er uns gegeben hat? Es war Glas, kein Diamant!«

John Hancock steht auf und wischt die Hände an seinen , Shorts ab. Er stellt sich ihm gegenüber. Del rafft das Kind an sich und drückt sich gegen die Wand, nicht weit von Mulligan. Auch alter Veteran, der noch einen Augenblick gezögert hat, gesellt sich zu ihnen. Mulligan wird klar, daß es nun ums Ganze geht.

»Nun hör mir mal zu, Mann.« Wilder Mann hebt einen schmutzigen Zeigefinger, um seine Worte zu unterstreichen. »Wir haben den Diamanten aus dem Kasten genom-254

men, den Gott uns gegeben hat. Wir haben ihn genau angeschaut, und es war Glas. Nichts als Glas.«

»So ein Quatsch. Es ist ein Diamant.«

»Nein, Glas.«

»Diamant, sag' ich.«

»Falsch.« Mit triumphierender Miene holt wilder Mann einen langen Splitter aus der Tasche seines Overalls. »Siehst du das? Das ist alles, was von deinem Schwindeldiamanten noch übrig ist.«

»Gib das her!«

Als John ihm die Glasscherbe aus den Fingern reißt, schneidet er sich. Blut quillt hervor. Mit einem Fluch wirft er ihn nach wilder Mann, der überraschend geschickt ausweicht.

»Da schau, was du gemacht hast!«

»Du hast dich geschnitten, weil es Glas ist. Kein Diamant, niemals. Gott hat dich hereingelegt, und ich werde mir nie wieder von dir sagen lassen, was ich zu tun habe.«

Mit einem Wutschrei stürzt sich John Hancock auf ihn. Sie beißen und knurren wie Hunde, zerren sich über den Fußboden, kaum, daß sie Schläge austeilen. Sie rollen durch die Halle, zerbrechen krachend irgendwelches Gerumpel, kommen dem Feuer gefährlich nahe. Del sieht unbeteiligt zu, mit großen Kuhaugen, und schaukelt das Baby in den Armen, um es ruhig zu halten. Den Kopf leicht schräg steht sie da, während wilder Mann nun John unter sich begräbt und die Hände um seinen Hals legt. John keucht, schnappt nach Luft, wehrt sich verzweifelt, dann wird er matt. Doch als wilder Mann den Griff lockert, bäumt er sich auf und kann ihn mit einer einzigen raschen Bewegung abschütteln. Er packt ihn, drückt ihn bäuchlings zu Boden und setzt sich auf ihn. Dann greift er in den dichten Haarschopf und schlägt den Kopf gegen den Plastbetonboden. Wilder Mann bettelt um Gnade.

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