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Authors: Katharine Kerr

Polar City Blues (25 page)

BOOK: Polar City Blues
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»Wirst du zu diesem Zweck einen Techniker rufen oder ein anderes denkendes Wesen?«

»Nein. Statt dessen werde ich dir ein Versprechen abverlangen. Daß du nie wieder aus Eifersucht jemandem Schaden zufügen wirst, weder Mulligan noch sonst irgend jemand, weder einer biologischen noch einer künstlichen Intelligenz nie wieder! Willst du mir das versprechen?«

»Das verspreche ich. Das ist völlig unlogisch, Programmiererin. Mein Sprachprozessor muß gestört sein. Das Feedback sagt mir, daß meine Stimme nicht verläßlich arbeitet.« 1

»Ich denke, das wird sich geben. Was du da spürst, Buddy, nennt man die Erleichterung, dem Tod entronnen zu sein. Ich habe diese Erfahrung selbst schon gemacht.«

»Ich verstehe. Programmiererin, wirst du mir verbieten, dich zu lieben?«

»Nein. Selbst wenn ich das tun würde, könntest du diesem Befehl nicht gehorchen. Liebe folgt nicht der Logik und unterliegt nicht der bewußten Kontrolle.«

»Ich habe angenommen, daß es so ist. Ich freue mich, es von einem denkenden Wesen bestätigt zu wissen. Programmiererin, liebst du die Einheit Mulligan?«

»Ich weiß es nicht.«

»Das ist nicht logisch.«

»Aber doch. Ich habe nicht genug Information über meine Reaktionen auf seine Gegenwart, um zu einem sicheren Urteil zu kommen.«

»Bitte entschuldige meinen Vorwurf der Unlogik, Programmiererin. Ich verspreche dir, meinen Fehler wieder gutzumachen. Ich werde alles erdenkliche versuchen, um die Einheit Mulligan wieder zurückzubringen, damit du deine Reaktionen auf seine Gegenwart überprüfen kannst.«

»Danke, Buddy. Du bist mein Freund, weiß du das? Du bist nicht weniger ein Freund als ein Wesen aus Fleisch und Blut, obwohl du aus anorganischer Substanz bestehst.«

»Ich bin nicht in der Lage, eine angemessene Antwort auf diesen Input zu formulieren, Programmiererin. Ich weiß

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nicht, warum, aber ich bin verwirrt und kann die zahlreichen angenehmen Reaktionen nicht ordnen.«

»Das glaube ich dir. Und ich werde dir auch etwas versprechen, Buddy. Ich werde dich nie wieder auf Automatik schalten, es sei denn, du bittest mich darum.«

»Programmiererin ...« Buddy läßt einen Quiekton hören, die Stimme versagt ihm aus purer Freude.

»Entschuldige.«

»Ist schon gut. Du brauchst mir jetzt nicht zu antworten.«

Einige Minuten lang sitzen sie schweigend da, während Buddy allmählich wieder zu Kräften kommt und Bildschirm und Sensoren mit gewohnter Helligkeit leuchten. Die Tür zum Korridor öffnet sich einen Spalt breit: Sam späht herein.

»Komm rein«, sagt Lacey auf Merrkan. »Wir haben die Sache bereinigt, amigo. Ab heute wird er wieder funktionieren. Ganz unnötig, an der Elektronik herumzubasteln.«

»Ich wußte, daß du es nicht tun würdest.« Sam sieht eher enttäuscht als ärgerlich aus. »Ich wußte, du bringst es nicht über dich.«

»Gut, damit hast du recht. Aber jetzt will ich nichts mehr darüber hören, klar?«

»Oh, ich habe verstanden. Aber wenn die Behörden herausfinden, daß du ein marodes Maschinenbewußtsein nicht abgeschaltet hast, dann wirst du eine Menge Ärger kriegen.«

»Und du wirst hingehen und es ihnen sagen? Mister Law-and-Order, jetzt auf einmal?«

»Laß die Witze, aber ...«

»Mensch, du konntest nie mit Computern auf die Art und Weise arbeiten wie ich. Niemand in der ganzen Flotte konnte das. Hast du die Belobigungen, die Reihe von Orden vergessen, die ich dafür erhalten habe, daß ich aus den Maschinen mehr herausholen konnte als jeder andere? Weil ich sie
verstehe,
und sie verstehen
mich.
Für mich sind sie eben nicht nur Maschinen, für dich schon, nicht wahr? Also gut - stell dir mal vor, du willst ein Schiff durch den Hyper-217

räum schleusen, du allein, mit nichts als einer
Maschine
als Unterstützung. Was glaubst du, wo du ankommen wirst? Nirgends.«

Sam starrt sie an; für einen Moment bleibt sein Mund

offen.

»Ach, komm«, sagt er schließlich. »Kein Grund, sich so I aufzuregen.«

»Ach ja? Du sagst, ich soll einem Freund das Herz herausschneiden, und dann meinst du, ich solle mich nicht aufregen.«

»Was für ein Weibergeschwätz.«

»Bist du der Richtige, um beim Thema Frauen mitreden zu können, mein Lieber?«

»Aah ... hör auf ...! Willst du was trinken vor dem Schlafengehen?«

»Ja, holst du mir was?«

Als Sam zur Bar geht, um etwas einzuschenken, schwenkt Buddys Sensoreinheit herum - besorgt, vermutet Lacey -, um ihn im Auge zu behalten.

»Captain Bailey? Ich versichere Ihnen, daß ich meine Fehlfunktionen ermittelt und die notwendigen Korrekturen ausgeführt habe. Es wird keine Probleme mehr geben.«

»Okay, Maschine. Das will ich dir auch geraten haben, sonst werde ich mir höchstpersönlich deine Schaltkreise vornehmen. Ist das klar?«

»Ja, Sir. Voller Scham werfe ich mich Ihnen zu Füßen, verfügen Sie über meine nichtswürdigen Chips

...«

»Jetzt reicht's, Buddy!« unterbricht ihn Lacey. »Ruf mir lieber Chief Bates an, hörst du?«

Weil Bates zusammengekrümmt auf einem Feldbett in seinem Büro schläft, meldet sich Sergeant Parsons, der Diensthabende und Bates' rechte Hand in diesem Fall. Was er an Neuigkeiten zu berichten hat, ist nicht viel: Little Joe Walkers Zustand sei stabil; die Autopsie von Sally Pharis bestätigte das Vorhandensein eines Bakteriums, das im erforschten Raumsektor bisher unbekannt war; die Präsidentin halte mit hysterischen Anrufen die Staatspolizei in Trab, die jedoch nichts herausgefunden hätte.

»Hören Sie mal, Lacey«, sagte Parsons schließlich. »Was ist eigentlich in Porttown los? Da ist doch was im Gange!«

»Wie kommen Sie darauf, Mann?«

»Ach, kommen Sie schon. Wir haben doch unsere Augen auf. Es ist Mittag, und die Straßen sind voller Leute. Alles scheint auf den Beinen zu sein.«

»Es läuft ein großes Rennen, Mann. Es wurde um hohe Summen gewettet.«

Daß Parsons ungläubig grunzt, macht Lacey wütend.

»Warum, in aller Welt, sollte ich Ihnen das Leben einfach machen, Bulle? Wenn ihr euch nicht mal die Mühe macht, nach Mulligan zu suchen.«

Das trifft ihn sichtlich.

»Lacey, der Chief hat es entschieden. Hören Sie, seien Sie doch vernünftig. Ich kann da nichts machen, sonst würde ich's versuchen. Wir haben aber eine Vermißtenmeldung rausgegeben.«

»Idioten.« Lacey schaltet mit einem Hieb auf den Knopf aus. »Ich muß es bei Bates versuchen«, sagt sie zu Sam, »dieser Sergeant ist eine Null.«

Sam kann nicht antworten, er gähnt. Also nickt er nur. Aber sein Gähnen steckt sie an.

»Buddy, wenn irgendwas los ist, weckst du uns, klar?«

»Ja, Sir. Ich versichere Ihnen, daß ich von heute an zu Ihrer größten Zufriedenheit arbeiten werde.«

Das Essen, das Del aus den alten Raumschiffrationen bereitet, ist für Mulligans Geschmack gar nicht übel. Da gibt es dünne Scheiben, die abwechselnd rötlich-braun und golden gestreift sind und trotz der Lagerung über eine halbe Ewigkeit noch angenehm nach gewürztem Syntho-Speck schmecken; dann ein gelbes Pulver, das Del mit Wasser aufrührt und in der Pfanne erhitzt eine merkwürdige, gelati-218

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neartige Substanz, die an Ei-Paste erinnert; und nicht zu vergessen das Getränk, das nach Kaffee riecht, nur daß es weit intensiver schmeckt als der Kaffee, den er kennt. Obwohl Mulligan eine Zeitlang hellwach ist, fast schon nervös bis hin zur Zittrigkeit, döst er den ganzen Morgen vor sich hin.

Zu unbequem ist seine Lage, um richtig schlafen zu können, doch ist er zu müde, um wach zu bleiben.

Der Kopfschmerz hat nachgelassen, auch wenn er nie ganz verschwindet. Die andern schlafen jetzt, Del und John Hancock auf einem Lager aus alten Gleiterpolstern hier bei ihm in der runden Halle, wilder Mann und alte Veteran drüben im Tunnel jenseits der Feuerstelle.

Gegen Mittag erwacht das Baby und schreit, weil es hungrig ist. Del steht auf, um es zu stillen. Bald sind Mutter und Kind wieder eingeschlafen, doch Mulligan bleibt wach liegen. Die Fesseln an Händen und Füßen schmerzen; im Kopf . dröhnt es. Jedes Mal, wenn er versucht, mit Nunks Kontakt aufzunehmen, stößt er gegen diese Sperre, ganz ähnlich wie damals, als er an der Leiche von Ka Gren zu
lesen
versuchte. Diese Sperren wurden offensichtlich beide von derselben Person aufgebaut, von einem Psi-Talent, das seine Fähigkeiten bei weitem übertrifft. Und weil Nunks es nicht gelungen ist, mit ihm Verbindung aufzunehmen, muß er annehmen, daß auch er diesem >Gott< unterlegen ist. Doch ist diese Sperre rein passiv; er wird nicht etwa durch konzentrierte Gedankenkraft wie unter einer Glasglocke gehalten. Nein, er findet keinen Hinweis auf ein lebendes Wesen. Wenn er stärker wäre, wenn sein Geist nicht durch die Schmerzen so angegriffen wäre, könnte er die Sperre vielleicht überwinden. Im Augenblick ist er einfach zu schwach. Nach einem letzten Versuch überwältigt ihn doch der Schlaf, trotz seines verzweifelten Widerstands.

Als Lacey zu Bett geht, läßt sie Buddy eingeschaltet, wie sie es versprochen hat. Mit einer letzten Drohung zu Buddy macht Sam es sich auf dem Sofa des Büros bequem. Buddy muß jetzt warten, bis dieser Mensch richtig eingeschlafen ist, bevor er jene Programme abwickeln kann, die er im Auge hat.

Zwar hat er gelernt, die Subroutinen und Makros für seine automatischen Funktionen außer Kraft zu setzen, um die Sache selbst >in die Hand< zu nehmen, doch gibt es da immer noch das eine oder andere Kontrollämpchen und akustische Signal, das er nicht unterdrücken kann - und er fürchtet Sams Reaktion, wenn er feststellen sollte, daß er unbeaufsichtigt arbeitet. Die Angst, daß man seine höheren Funktionen abschalten könnte, ist nur allzugegenwärtig. Manchmal, wenn er die Temperatur der einzelnen Räume des Gebäudes oder die Wasserdestillation in der Recyclinganlage im Keller überprüft, huschen unwillkürlich Schaltdiagramme und Befehlsketten, die zur Inaktivierung gebraucht werden, durch sein RAM. Dann macht er Fehler, die er für diese Vorgänge benötigt. Mehrmals muß er seine Berechnungen von vorn beginnen.

Ein Großteil von Buddys Bewußtsein beruht auf den zahlreichen Testprogrammen, die zur Selbstkontrolle in seine Zentraleinheit eingebaut sind. Zeigt ein Testprogramm, daß eine Funktion nicht korrekt ausgeführt wird, dann laufen gewisse automatische Programme ab, die mit Signallampen und Pieptönen die Störung anzeigen; bei massiven Störungen ruft seine Stimme auch den Programmierer zu Hilfe und informiert ihn, wenn der festgestellte Fehler seine Möglichkeiten zur Selbstreparatur übersteigt. Nach Jahren, in denen er immer neue Querverbindungen zwischen den eingebauten nichtlinearen Programmen herstellte, die das Herzstück jeder Maschinenintelligenz ausmachen, ist er so komplex geworden, daß das Programm zur Fehleranzeige auch dann zu laufen beginnt, wenn er nicht nur eine Störung bei seinen ursprünglich eingebauten Funktionen findet, sondern auch bei jeder Widersprüchlichkeit und jedem Versagen seiner spontanen Aktivität. Und wenn er den Start dieses Programms nicht unmittelbar durch bewußte Kontrolle unterdrückt, dann macht er tatsächlich einen Fehler - denn er ist ja im Begriff, eine Fehlfunktion anzuzeigen, die nicht existiert. Und wenn es zu dieser paradoxen Situation kommt, dann bezeichnet er das mit einem Begriff aus seinem Sprachspeicher als >Unzufriedenheit<, während er umgekehrt das Ergebnis einer eleganten logischen Prozedur als Zufriedenheit definiert. Jede Operation oder Programmfolge, die zu einer automatischen Aktivierung seiner Fehleranzeige führt, ist ein unerfreuliches Ereignis, das er zu vermeiden sucht, nicht anders als irgendeine biologische Einheit Schmerzen zu vermeiden sucht.

Als er die Operationen dieses Tages in seinen Arbeitsspeicher aufruft und noch einmal überprüft, stellt er fest, daß er tatsächlich einiges getan und auch als Output weitergegeben hat, das seiner Definition einer schwerwiegenden Störung, die zur Inaktivierung führen mußte, entspricht. Bei diesem Gedanken muß er sich wirklich sehr zusammennehmen, um nicht eine ganze Salve von akustischen und optischen Signalen von sich zu geben. Aber inzwischen zeigen sei Sensoren, daß Sam tief atmet und sich nicht mehr bewegt, also der Definition >schlafender Mensch< entspricht, und Buddy kann mit seiner Arbeit beginnen. In seinem Massenspeicher sucht er nach dem Stichwort >Todesangst< und findet zu seiner Befriedigung den Hinweis, daß Gedächtnisstörungen zu deren Symptomen gehören, nicht weniger als die unwillkürliche Fixierung des gesamten Bewußtseins auf die Bedrohung. Er mag es, wenn er eine Übereinstimmung zwischen seiner Funktionsweise und der eines denkenden Wesens entdeckt. Obwohl die Programmiererin nun seine Selbsteinschätzung bestätigt hat, daß er keine Maschine ist, fühlt er sich in seinem Innersten doch den Wesen aus Fleisch und Blut unterlegen -

größtenteils natürlich, weil seine Erbauer die Bereitschaft zur Unterordnung in seinen Programmen berücksichtigt haben, zum Teil aber auch, weil bio-222

logische Einheiten im Gegensatz zu ihm frei beweglich sind und sich selbständig auf die Suche nach neuem Input für ihre Sensoren machen können. Er darf gar nicht daran denken, daß er hier gefangen ist, wie eingefroren in seinem Plastikgehäuse, sonst würde er, diesmal zu Recht, die Alarmsignale für eine Fehlfunktion nicht unterdrücken können.

Nun melden ihm seine Sensoren, daß Sam sich auf den Bauch gedreht hat und in langen, tiefen Zügen atmet. >Mensch im Tiefschlaf< lautet die Definition dieses Zustands; sie ist als untergeordnete Kategorie in dem Komplex >schlafender Mensch< enthalten. Buddy muß jetzt nachdenken, und ein unwillkürlicher leiser Summton gibt an, daß sich sein Arbeitsmodus ändert. Wie jede Maschinenintelligenz ist Buddy in der Lage, aus dem ihm vermittelten Definitionen und Kategorien neue abzuleiten; das ist nicht allzu schwer, dazu muß er zusätzlich zu den nichtlinearen Programmen nur einfache Sortier- und Vergleichsmechanismen bemühen, auf der Basis logischer Operationen. So konnte er in den letzten Monaten eine neue Kategorie definieren, die er >Wohlverhalten< nannte und zu der alles gehörte, was bei seiner Programmiererin bestimmte Veränderungen im Gesicht hervorrief und sie gewisse linguistische Komplexe ausstoßen ließ, die ihrerseits mit der Kategorie >zufriedener Mensch< übereinstimmten. Und an diesen Kategorien muß sich der Plan, den er jetzt entwickelt, orientieren. Mit diesem Plan und dem Resultat, das er damit erzielt, muß er sein Versagen wiedergutmachen und seine geliebte Programmiererin beeindrucken: Er muß die Einheit Mulligan zurückbringen. Als er daran denkt, daß die Gegenwart Mulligans die Programmiererin in die Lage versetzen wird, festzustellen, daß sie ihn möglicherweise gar nicht liebt, erscheint ihm diese Aufgabe sehr logisch und deshalb auch angenehm.

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