Read Sebastian Online

Authors: Anne Bishop

Tags: #Fiction, #Fantasy, #General

Sebastian (32 page)

BOOK: Sebastian
8.85Mb size Format: txt, pdf, ePub
ads
In der Hoffnung, dass der Vogel den Wink verstehen und auf seinen Finger hüpfen würde, hob Sebastian langsam die Hand. Er mochte Sparky. Er mochte ihn wirklich. Aber er hatte das kleine Plappermäulchen lieber, wenn er sehen konnte, was der Vogel tat.
Aber in dem Moment, in dem Sparky die Hand entdeckte, fing er an, mit den Flügeln auf Sebastians Kopf einzuschlagen und in einer Lautstärke zu schimpfen, die alle zusammenfahren ließ.
»In Ordnung«, grollte Sebastian und nahm die Hand herunter. »Wie du willst.«
Das Gezeter erstarb, die Flügel wurden wieder auf den Rücken gefaltet. Sparky marschierte bis zu Sebastians Stirn, beugte sich nach vorne und sagte: »Benimm dich.«
»Oh«, sagte Lynnea. »Er ist hinreißend. Glaubst du, er würde zu mir kommen?« Sie streckte eine Hand aus. Sparky flog zu Lynnea, um gebührend bewundert zu werden, und Sebastian wusste einfach, dass er seine Krallen mit Absicht noch einmal besonders tief in seine Kopfhaut gebohrt hatte. Während Frau und Vogel Komplimente austauschten, erhob Sebastian sich von seinem Stuhl, um Nadia beim Frühstück zur Hand zu gehen.
Dann sagte Sparky: »Küssmch.«
Sebastian setzte sich wieder auf seinen Stuhl und sagte: »Sparky ist ein Wellensittich. Diese Art kommt ursprünglich aus einer fernen Landschaft. Habe ich recht, Tante Nadia?«
»Ja, das stimmt«, antwortete Nadia, während sie Speckstreifen in eine Pfanne legte.
»Es sind schlaue kleine Vögel«, fuhr Sebastian fort. »Und sie können sprechen. Einige Dinge lernen sie, weil jemand sie ihnen beibringt. Und manchmal hören sie etwas oft genug, um es einfach aufzuschnappen. Aber wenn die Worte nicht deutlich ausgesprochen werden, merkt sich der Vogel vielleicht nicht alle Töne.«
Lynnea schenkte Sparky ein entzücktes Lächeln. »Glaubst du, er hat versucht, etwas zu sagen?«
Nadia, die damit beschäftigt war, Rührei in eine andere Pfanne zu gießen, antwortete nicht.
Oh ja, dachte Sebastian und betrachtete seine Tante. Ich glaube, er wollte etwas sagen. Was ich allerdings gerne wüsste, ist wo Sparky oft genug »Küss mich« gehört hat, um es zu lernen.
Wie als Antwort klopfte jemand an die Tür - und Nadia ließ die Gabel fallen, mit der sie gerade den Speck umdrehte.
»Jeb«, sagte Nadia, als sie die dreckige Gabel aufhob.
»Komm rein. Du kommst genau richtig, um mit uns zu frühstücken.« Sie legte die Gabel in die Spüle, nahm eine neue aus der Schublade und wandte sich dann wieder ihren Pfannen zu.
Als die Tür sich öffnete, drehte Sebastian sich auf seinem Stuhl um und bemerkte, dass Jeb die Tür gerade weit genug aufzog, um hindurchschlüpfen zu können, und dann innehielt, um sich zu versichern, dass sie wieder ordentlich geschlossen war. Ein regelmäßiger Besucher also. Einer, dem man nicht sagen musste, dass vielleicht ein paar von Nadias Vögeln frei im Haus herumflogen.
»Hey-a«, sagte Jeb, als er seine Mütze abnahm und sie an einen Haken neben der Tür hängte.
»Hey-a«, antwortete Sebastian.
»Ah … Jeb, das sind mein Neffe Sebastian und seine Freundin Lynnea«, sagte Nadia.
Strahlend schenkte Sebastian Jeb ein falsches Lächeln. »Du hast heute Morgen viel Gesellschaft zum Frühstück«, sagte er und warf seiner Tante einen Blick zu. Er glaubte nicht, dass die Wärme des Herdes der Grund für ihr gerötetes Gesicht war.
»Jeb ist ein Nachbar«, sagte Nadia und nahm Teller und Tassen aus den Schränken.
Jeb nahm ihr beides ab und deckte den Tisch. »Ich helfe Nadia ab und an bei ein paar Dingen. Ich bin Holzarbeiter von Beruf, also bin ich mit den Händen recht geschickt.«
»Da bin ich mir sicher«, erwiderte Sebastian liebenswürdig. Und war es nicht interessant, dass dieser Nachbar so in Eile war, bei ein paar Dingen zu helfen, dass er sich nicht einmal die Zeit genommen hatte, sein Hemd richtig zuzuknöpfen?
Mit einem Knall stellte Nadia den Toast auf den Tisch, woraufhin Sparky wieder erschreckt losschimpfte.
»Füttere ihm ein bisschen Brot«, sagte Nadia scharf. »Vielleicht bringt ihn das zum Schweigen.«
Sebastian verstand den Wink, nahm sich eine Scheibe Toast und brach Lynnea eine Ecke ab, die sie an Sparky verfüttern konnte, während Jeb ihnen Kaffee einschenkte und Nadia Eier und Speck auf den Tisch stellte.
Er hatte es bereits vor dem Frühstück geschafft, zwei Frauen zu verärgern. Sollte das nicht als Rekord gefeiert werden?
Er füllte Lynneas Teller, weil Sparky auf ihrem Handgelenk saß und nicht daran interessiert zu sein schien, sich irgendwo anders hinzusetzen - und lächelte ihr zu, als das gereizte Schweigen unter den anderen zwei am Tisch letztendlich durch den Zauber brach, den der Vogel über sie gelegt hatte.
Sie hielten sich nicht lange mit dem Frühstück auf. Als Jeb seinen Stuhl zurückschob, sich bei Nadia für das Frühstück bedankte und anbot, ein paar Arbeiten zu erledigen, sagte Sebastian: »Ich helfe dir« - und ignorierte den stechenden Blick, den Nadia ihm zuwarf, als er Jeb aus der Tür folgte.
 
Lynnea wandte die Augen nicht von dem Vogel, der auf ihrem Handgelenk döste. Was für ein freches kleines Wesen, aber fröhlich und liebevoll. Wie wäre es wohl, etwas zu haben, das sie allein dafür liebte, dass es sie gab, allein weil sie es auch liebte? Ein Begleiter, der sie nicht ablehnen oder für minderwertig halten würde?
Sie hatte die Spannung während des Frühstücks gespürt, aber den Grund nicht erkannt. Sie hatte nicht gewusst, was sie sagen oder tun sollte. Und sie hatte befürchtet, dass die Spannung sich in Wut verwandeln und auf sie richten könnte, wenn sie das Schweigen brach.
Aber jetzt war Sebastian draußen und half Jeb, und eine Löwin würde die Vorstellung, ein Gespräch mit einer so netten Frau zu beginnen, nicht erschrecken.
»Ihr habt ein wunderschönes Haus«, sagte sie und sah sich in der Küche um. Es war wirklich wunderschön.
Gemütlich und warm. Einladend. Es erinnerte sie an Sebastians Cottage. Ein Ort, den sie wahrscheinlich nie wieder sehen würde.
»Vielen Dank. Es ist schon seit mehreren Generationen im Besitz der Familie.« Nadia stand auf und begann, die Reste des Frühstücks auf einen einzelnen Teller zu leeren.
»Kann ich helfen?«
Nadia lächelte und blickte zu Sparky hinüber. »Das tust du bereits.« Sie stapelte die Teller übereinander. »Kennst du Sebastian schon lange?«
»Nicht sehr lange. Und wohl auch nicht mehr viel länger.«
»Was bringt dich darauf?«
Ihr Gesicht brannte, so sehr schämte sie sich, versagt zu haben - und Begierde zu verspüren. Also hielt sie den Blick starr auf den Vogel gerichtet, als sie sagte: »Er will nicht mit mir schlafen.«
Der Geschirrstapel geriet ins Wanken und beinah hätte Nadia ihn fallen lassen. »Was willst du damit sagen, er will nicht mit dir schlafen?«
»Er will nicht. Er sagt, er könne nicht, aber er könnte, wenn er wollte. Ich weiß vielleicht nicht viel über … Sex … aber ich weiß genug, um zu wissen, dass ein Mann Sex will, wenn sein … Ding … so hervorsteht.«
Nadia stellte das Geschirr zurück auf den Tisch. »Und Sebastians … Ding … steht hervor, wenn er mit dir zusammen ist?«
Lynnea nickte. »Aber er unternimmt einfach nichts, obwohl ich ein ziemliches Flittchen bin.«
Nadia sank auf einen Stuhl. »Du bist ein Flittchen?«
»Ich bin ein schlechter Mensch. Deshalb bin ich im Pfuhl gelandet. Wenn ich ein schlechter Mensch bin, warum kann ich dann nicht mit dem Mann Sex haben, nach dem sich mein Herz sehnt? Es war wunderschön, als er mich geküsst hat. Es war unglaublich. Als ob sein Zauber
der Löwin noch immer gewirkt hätte und ich immer noch stark und mächtig gewesen wäre.«
»Ich glaube«, sagte Nadia langsam, »dass ich noch eine Kanne Kaffee aufsetzen sollte. Dann kannst du mir die ganze Geschichte darüber erzählen, wie du in den Pfuhl gekommen bist und von diesem Zauberspruch, mit dem Sebastian dich belegt hat.«
 
Sebastian wartete, bis sie beim Füllen der Gießkannen aus den Eimern, die sie aus dem Brunnen zogen, in einen gleichmäßigen Rhythmus gefallen waren.
»So«, sagte er, während er Jeb dabei zusah, wie dieser sorgfältig den Boden eines der Blumenbeete bewässerte. »Wie lange schläfst du schon mit Tante Nadia?«
Jeb zögerte einen Moment und ging dann zum nächsten Teil des Beetes über. »Ich weiß nicht recht, ob dich das irgendetwas angeht.«
»Was ist mit Lee? Geht es ihn etwas an?«
»Nein, ich glaube auch nicht. Nadia ist eine erwachsene Frau, die sehr wohl in der Lage ist, darüber selbst zu entscheiden, glaubst du nicht?«
»Also schleichst du einfach ein paar Mal die Woche hier herüber, um zu -«
Jeb ließ die Gießkanne fallen und richtete sich auf. »Du hast keinen Grund etwas zu sagen, das deine Tante beschämen könnte. Dazu hast du keinen Grund. Sie ist eine wundervolle Frau. Die beste, die ich je kennen gelernt habe.«
Sebastian sah den Zorn in Jebs Augen. Nicht die Wut eines Mannes, der bei etwas Unrechtmäßigem ertappt worden war, sondern der Zorn eines Mannes, der etwas - oder jemanden - verteidigte, der ihm etwas bedeutete. »Liebst du sie?«
»Das tue ich.« Mit einem leisen Fluch beugte Jeb sich hinunter und stellte die Gießkanne hin, die in diesem einen Blumenbeet zu viel Wasser vergossen hatte. »Ich
bin zufrieden damit, wie die Dinge zwischen uns laufen. Ich hätte gerne mehr, aber bis Nadia bereit dazu ist, bin ich damit zufrieden, wie es ist.« Er nahm seine Kappe ab, schlug sie gegen seinen Oberschenkel und setzte sie sich dann wieder auf den Kopf. »Ich kann nicht sagen, was Lee weiß oder nicht, aber wenn es dich beruhigt, Glorianna ist sich … dessen bewusst … wie es zwischen Nadia und mir steht.«
»Und du bist noch hier«, murmelte Sebastian.
»Ich bin noch hier.«
Es war nicht so, dass er etwas dagegen hatte, wenn zwei Leute - zwei Menschen - miteinander schliefen, ohne verheiratet zu sein. Und es war nicht so, als ob er nicht wüsste, was Männer und Frauen miteinander taten - und warum. Aber er konnte seinen Verstand nicht dazu bringen, zu begreifen, dass Tante Nadia keuchend und stöhnend unter oder auf einem Mann lag.
»Was ist mit dir?«, fragte Jeb. »Schläfst du mit diesem Mädchen?«
Schon vorher leicht aus der Fassung gebracht, fühlte er sich jetzt, als hätte diese Frage seinem Verstand einen Tritt versetzt, der ihn auf dem Hosenboden landen ließ. »Wir haben zusammen geschlafen«, stammelte er. »Es gab nur ein Bett in dem Raum, also haben wir zusammen geschlafen. Aber wir haben nicht... wir haben nicht miteinander …« Er hob eine Hand, als wolle er etwas zeigen, ließ sie dann aber wieder an seine Seite fallen. »Tageslicht«, murmelte er. »Ich hätte nie gedacht, dass ich so ein Gespräch einmal führen würde.«
»Das überrascht mich auch«, gab Jeb zu. Er kratzte sich den Nacken. »Ich dachte, du wärst ein Inkubus.«
»Das dachte ich auch.«
»Ah.«
Nervös und peinlich berührt sah Sebastian sich im Garten um... und erinnerte sich endlich daran, warum er hergekommen war.
»Wohnst du weit entfernt von hier, Jeb?«
»Nur ein paar Minuten zu Fuß den Pfad hinunter«, antwortete Jeb und zeigte unbestimmt in eine Richtung. »Ich hab ein nettes kleines Häuschen. Zu klein für jemanden, der daran denkt, eine Familie zu gründen, aber es passt zu mir. Und ich habe es genommen, weil ich in der Scheune eine gute Werkstatt einrichten konnte, und ich viel Platz habe, um dort mein Holz und meine Geräte unterzubringen.«
»Aber es ist schon ein Stück von hier entfernt.« Sebastian zögerte. Jeb zog die Worte beim Sprechen ein wenig in die Länge, was darauf hindeutete, dass er irgendwann einmal aus einer anderen Landschaft hierher gekommen war. Aber sein Verhalten deutete eher auf »Land« als auf »Stadt«, und Leute vom Land konnten, was Männer und Frauen betraf, natürlich und ungezwungen oder so prüde und steif wie der Schlüpfer einer alten Jungfer sein. »Du solltest mit Nadia zusammenziehen. Du solltest hier leben.«
»Jetzt wart mal eine Minute.«
»Es wird Schwierigkeiten geben.« Sebastian warf einen Blick zum Küchenfenster und senkte die Stimme. »Ernsthafte Schwierigkeiten. Es sind Landschafferinnen gestorben. Ich bin hergekommen, um es Tante Nadia zu erzählen.«
»Und du denkst, etwas wird versuchen, Nadia Schaden zuzufügen?«
Er nickte. »Sie ist nicht nur selbst eine mächtige Landschafferin; sie ist Belladonnas Mutter. Also frage ich dich, Jeb: Was ist, wenn ein paar Minuten
zu weit
entfernt sind?«
»Ich … ich habe meine Arbeit. Es wäre nicht leicht, meine Werkstatt zu verlegen. Zumindest nicht auf die Schnelle. Und Nadia muss sich um ihre Landschaften kümmern. Dann kann ich auch nicht bei ihr sein.«
»Aber nachts«, Sebastian ließ nicht locker. »Während der Nacht könntest du hier sein.«
Jeb fühlte sich offensichtlich unwohl. »Aurora ist ein kleines Dorf. Was die Leute vermuten und was sie wissen, macht einen Unterschied. Es ist der Ruf deiner Tante, über den wir hier sprechen.«
»Es ist das Leben meiner Tante, über das wir sprechen.«
Jeb nickte. »Gut, in Ordnung. Ich rede mit Nadia. Das ist alles, was ich versprechen kann.« Er hielt inne und fügte dann hinzu: »Was ist mit dir und dem Mädchen?«
»Ich gehöre in den Pfuhl. Sie gehört an einen anderen Ort.«
»Und damit kannst du leben?«
»Damit muss ich leben«, antwortete er scharf.
Jeb nahm erneut seine Kappe ab und drehte sie in den Händen. »Du hast mir eine Frage gestellt, und ich weiß, wie mein Herz antworten möchte. Also stelle ich dir die gleiche Frage. Wenn du sie wegschickst, in irgendeine Landschaft, die du für die richtige für sie hältst, an irgendeinen Ort, der weiter entfernt ist, als ein paar Minuten den Weg hinunter …«
»Das ist etwas anderes. Der Pfuhl ist nicht sicher!«
»Ist denn überhaupt ein Ort sicher?«, fragte Jeb leise. »Wie wirst du dich fühlen, wenn diese Schwierigkeiten den Pfuhl überspringen und genau in der Mitte des Ortes landen, den du für den richtigen hältst, und du sie dann nicht erreichen kannst?«
Bei dem Gedanken wurde ihm schlecht. »Ich versuche, das Richtige zu tun.«
»Das sehe ich. Aber Sebastian? Manchmal ist es nicht das Richtige, das Richtige zu tun.«
BOOK: Sebastian
8.85Mb size Format: txt, pdf, ePub
ads

Other books

Perfect Season by Tim Green
Mistress of Rome by Kate Quinn
Rule's Obsession by Lynda Chance
Second by Chantal Fernando
Refraction by Hayden Scott
The Lost Truth by T.K. Chapin
Double Jeopardy by William Bernhardt