5. Sobald der Bus in einer solchen Gegend angekommen ist, soll unverzüglich die Polizei verständigt werden.
Der Schuldistrikt Napa Valley wandte sich an seine 90 Schulbusfahrer, um ihnen zu sagen, dass der Fahrer das erste Ziel wäre, falls der Zodiac-Killer einen Schulbus angreifen würde. Aus diesem Grund wurde jedem Bus ein zusätzlicher Mann zugewiesen, der sich, falls nötig, ans Lenkrad setzen würde. Das Gesetz schreibt vor, dass ein Schulbusfahrer, wenn er seinen Bus verlässt, um Kinder über die Straße zu geleiten, den Zündschlüssel mitnehmen muss. Angesichts der Bedrohung würde der Fahrer nun den Schlüssel seinem Ersatzmann hinterlassen, der bei den Kindern im Bus zu bleiben hatte. Falls auf den Busfahrer geschossen wurde, so sollte der zweite Fahrer so schnell wie möglich losfahren und sich so weit wie möglich vom Tatort entfernen. »Und nicht vergessen«, schärfte man den Fahrern ein, »Sie sollen so viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen wie möglich, indem Sie hupen, Lichtsignale geben und, wenn nötig, auch im Zickzack fahren.«
Zehntausend Kinder in achtundzwanzig Schulen waren täglich mit den fünfundsechzig gelb gestreiften Schulbussen von Napa County unterwegs. Die Busse legten jeden Tag insgesamt siebentausend Kilometer zurück, auf denen eine Vielzahl von gefährlichen Kurven und unübersichtlichen Kreuzungen durchfahren wurden. Es gab immer wieder Straßenabschnitte, die durch völlig verlassene und unbewohnte Gegenden führten. Toschi konnte sich lebhaft vorstellen, wie ein Bus voller schreiender Kinder mit lautem Hupen über eine leere Landstraße raste, während der schwer verletzte Fahrer versuchte, das Fahrzeug aus dem Gefahrenbereich zu bringen; oder wie ein Bus durch gezielte Schüsse des Killers auf die Reifen zum Stillstand gebracht wurde, ehe der Mann die vierzig Schüler im Bus aufs Korn nahm.
Man versuchte eine Katastrophe zu vermeiden, indem siebzig Einheiten von schwer bewaffneten Polizisten in den Schulbussen von Napa County mitfuhren, um sie zu bewachen. Das Sheriff’s Department von Napa, die Polizei von St. Helena und die Highway-Polizei erhielten den Auftrag, die Kinder in den Bussen zu beschützen. Die Forstbehörde und die Ranger vom Lake Berryessa setzten ihre Pick-ups ein, um den Bussen im Abstand von rund hundert Metern zu folgen. Flugzeuge vom Napa Aero Club und vom Sheriff’s Department waren über den Schulbusstrecken unterwegs, um jederzeit eingreifen zu können. »Angesichts einer solchen Drohung kann man gar nicht drastisch genug reagieren«, stellten die Verantwortlichen für die Schulen in Napa fest. »Wir machen uns immer noch Sorgen, ob wir auch genug zum Schutz der Kinder unternommen haben. Wenn selbst Präsident Kennedy nicht vor dem Attentat durch einen Wahnsinnigen geschützt werden konnte, dann könnte die Katastrophe hier in Napa trotz all unserer Maßnahmen immer noch passieren.«
Aufgrund einer Bombendrohung, die in Santa Rosa von einem Anrufer ausgesprochen wurde, der andeutete, Zodiac zu sein, wurde am Morgen, bevor die Schulbusse starteten, eine ausgedehnte Suche nach einer Bombe durchgeführt.
Doch auch im Polizeihauptquartier in der Hall of Justice herrschte Alarmstufe Rot. Am 16. Oktober um neun Uhr wurde den beiden Streifenpolizisten Foukes und Zelms, die den stämmigen Mann auf der Straße gesehen hatten, bewusst, dass sie höchstwahrscheinlich dem Mörder begegnet waren. Sie erstatteten unverzüglich ihrem Captain Bericht, worauf auch Armstrong und Toschi verständigt wurden. Die beiden Polizisten waren »beschämt und bestürzt.«
Mithilfe der beiden Streifenpolizisten wurde eine zweite Zeichnung des Mörders angefertigt. Diese ergab einen fünfunddreißig bis fünfundvierzig Jahre alten Mann, der mindestens neunzig Kilo schwer sein musste und mit einer dunkelblauen oder schwarzen Jacke mit Reißverschluss bekleidet war. Der Mann war demnach etwa eins achtzig groß, hatte rötlich braunes kurz geschnittenes Haar und trug eine Brille mit dickem Rand.
Die Meldung der beiden Streifenpolizisten wurde geheim gehalten; offiziell blieb die Polizei bei ihrer Aussage, dass der Mörder von keinem Polizisten je gesehen worden sei - eine Haltung, an der sich bis heute nichts geändert hat. Ich habe aus verschiedenen Quellen erfahren, dass »die Polizei von San Francisco den Zodiac-Killer beinahe gefasst« hätte. Die Polizei konnte nie eine Erklärung liefern, wie das zweite Phantombild vom Mörder zustande gekommen war.
In den Redaktionsstuben der
Palo Alto Times
hatte ein Mann in der Nachrichtenredaktion angerufen und behauptet: »Hier spricht Zodiac. Ich musste San Francisco verlassen, weil es mir dort zu heiß geworden ist.« Der Polizeichef von Palo Alto sprach von einer »sehr ernst zu nehmenden Botschaft.« Natürlich bestand die Möglichkeit, dass es sich um einen Juxanruf gehandelt hatte, doch er wollte kein Risiko eingehen und setzte sich sofort mit dem Verantwortlichen für den öffentlichen Verkehr in Verbindung. Daraufhin wurde jedem der fünfundzwanzig Busse des Systems ein bewaffneter Wächter zugeteilt.
In fast ganz Nordkalifornien wurde die Bevölkerung durch die Polizei geschützt: In San Francisco wurden die Busse von Polizisten in Zivil bewacht, die mit vierundzwanzig Zivilfahrzeugen unterwegs waren. Außerdem wurden über hundert Polizeiwagen zum Schutz des öffentlichen Verkehrs abgestellt.
»Der Täter schlägt offenbar in immer kürzeren Abständen zu«, teilte Armstrong den Medien mit. »Es könnte jeden Tag wieder so weit sein - auch wenn es mir noch so sehr gegen den Strich geht, mit dieser ständigen Bedrohung leben zu müssen.«
Zodiacs Route in der Nacht des 4. Juli 1969, als er Darlene Ferrin und Michael Mageau verfolgte und attackierte. Es ist auf diesem Plan auch der Tatort des Jensen-Faraday-Mordes eingezeichnet.
Karte von R. Graysmith.
Zodiacs erster Brief an den
San Francisco Chronicle,
1. August 1969. Dieser Brief ist hier zum ersten Mal abgebildet.
Die Drohung aus dem Brief an den
Vallejo Times Herald
, 1. August 1969. Der Brief an den
Chronicle
war geringfügig anders formuliert.
An den
Vallejo Times-Herald
.
An den
San Francisco Examiner
.
An den
San Francisco Chronicle
.
Die Lösung des dreiteiligen Geheimtextes, der vom Ehepaar Harden entschlüsselt wurde.
Die erste Seite des dreiseitigen Briefes des Killers an den
Vallejo Times-Herald
vom 7. August 1969. Darin nannte er sich zum ersten Mal »Zodiac«. Der Brief ist hier zum ersten Mal abgebildet.