Ahead of All Parting (10 page)

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Authors: Rainer Maria Rilke

BOOK: Ahead of All Parting
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Bestürz mich, Musik, mit rhythmischen Zürnen!

Hoher Vorwurf, dicht vor dem Herzen erhoben,

das nicht so wogend empfand, das sich schonte. Mein Herz:
da:

sieh deine Herrlichkeit. Hast du fast immer Genüge,

minder zu schwingen? Aber die Wölbungen warten,

die obersten, daß du sie füllst mit orgelndem Andrang.

Was ersehnst du der fremden Geliebten verhaltenes Antlitz?—

Hat deine Sehnsucht nicht Atem, aus der Posaune des Engels,

der das Weltgericht anbricht, tönende Stürme zu stoßen:

oh, so
ist
sie auch nicht, nirgends, wird nicht geboren,

die du verdorrend entbehrst …

[Startle me, Music, with rhythmical fury!]

Startle me, Music, with rhythmical fury!

Lofty reproach, lifted before the heart

that never could feel with such surges, that spared itself. My heart:
there:

behold your magnificence. Are you almost always contented

with lesser vibrations? But the uppermost arches wait

for you to fill them with organ-resounding impulse.

Why do you long for the hidden face of the distant beloved?—

If your yearning lacks enough breath to compel ear-shattering storms

out of the angel’s trumpet that will sound on the world’s last day:

oh, then she too doesn’t exist, anywhere, will never be born,

she in whose absence you are withering …

Hinter den schuld-losen Bäumen

langsam bildet die alte Verhängnis

ihr stummes Gesicht aus.

Falten ziehen dorthin …

Was ein Vogel hier aufkreischt,

springt dort als Weh-Zug

ab an dem harten Wahrsagermund.

O und die bald Liebenden

lächeln sich an, noch abschiedslos,

unter und auf über ihnen geht

sternbildhaft ihr Schicksal,

nächtig begeistert.

Noch zu erleben nicht reicht es sich ihnen,

noch wohnt es

schwebend im himmlischen Gang,

eine leichte Figur.

[Behind the innocent trees]

Behind the innocent trees

old Destiny is slowly forming her mute

expressionless face.

Wrinkles are moving onto it …

What a bird screeches, here,

springs up there as a furrow of pain

on the harsh prophetic mouth.

Oh and the soon-to-be lovers

smile and are still departureless;

above them their fate sets and rises

like a constellation,

enraptured by night.

Not yet does it offer itself to them;

it remains

hovering in the paths of the sky,

an ethereal form.

DIE GROSSE NACHT

Oft anstaunt ich dich, stand an gestern begonnenem Fenster,

stand und staunte dich an. Noch war mir die neue

Stadt wie verwehrt, und die unüberredete Landschaft

finsterte hin, als wäre ich nicht. Nicht gaben die nächsten

Dinge sich Müh, mir verständlich zu sein. An der Laterne

drängte die Gasse herauf: ich sah, daß sie fremd war.

Drüben—ein Zimmer, mitfühlbar, geklärt in der Lampe—,

schon nahm ich teil; sie empfandens, schlössen die Läden.

Stand. Und dann weinte ein Kind. Ich wußte die Mütter

rings in den Häusern, was sie vermögen—, und wußte

alles Weinens zugleich die untröstlichen Gründe.

Oder es sang eine Stimme und reichte ein Stück weit

aus der Erwartung heraus, oder es hustete unten

voller Vorwurf ein Alter, als ob sein Körper im Recht sei

wider die mildere Welt. Dann schlug eine Stunde—,

aber ich zählte zu spät, sie fiel mir vorüber.—

Wie ein Knabe, ein fremder, wenn man endlich ihn zuläßt,

doch den Ball nicht fängt und keines der Spiele

kann, die die andern so leicht an einander betreiben,

dasteht und wegschaut,—wohin—?: stand ich und plötzlich,

daß
du
umgehst mit mir, spielest, begriff ich, erwachsene

Nacht, und staunte dich an. Wo die Türme

zürnten, wo abgewendeten Schicksals

eine Stadt mich umstand und nicht zu erratende Berge

wider mich lagen, und im genäherten Umkreis

hungernde Fremdheit umzog das zufällige Flackern

meiner Gefühle—: da war es, du Hohe,

keine Schande für dich, daß du mich kanntest. Dein Atem

ging über mich. Dein aufweite Ernste verteiltes

Lächeln trat in mich ein.

THE VAST NIGHT

Often I gazed at you in wonder: stood at the window begun

the day before, stood and gazed at you in wonder. As yet

the new city seemed forbidden to me, and the strange

unpersuadable landscape darkened as though

I didn’t exist. Even the nearest Things

didn’t care whether I understood them. The street

thrust itself up to the lamppost: I saw it was foreign.

Over there—a room, feelable, clear in the lamplight—,

I already took part; they noticed, and closed the shutters.

Stood. Then a child began crying. I knew what the mothers

all around, in the houses, were capable of—, and knew

the inconsolable origins of all tears.

Or a woman’s voice sang and reached a little beyond

expectation, or downstairs an old man let out

a cough that was full of reproach, as though his body were right

and the gentler world mistaken. And then the hour

struck—, but I counted too late, it tumbled on past me.—

Like a new boy at school, who is finally allowed to join in,

but he can’t catch the ball, is helpless at all the games

the others pursue with such ease, and he stands there staring

into the distance,—where—?: I stood there and suddenly

grasped that it was you:
you
were playing with me, grown-up

Night, and I gazed at you in wonder. Where the towers

were raging, where with averted fate

a city surrounded me, and indecipherable mountains

camped against me, and strangeness, in narrowing circles,

prowled around my randomly flickering emotions—:

it was then that in all your magnificence

you were not ashamed to know me. Your breath moved tenderly

over my face. And, spread across solemn distances,

your smile entered my heart.

Du im Voraus

verlorne Geliebte, Nimmergekommene,

nicht weiß ich, welche Töne dir lieb sind.

Nicht mehr versuch ich, dich, wenn das Kommende wogt,

zu erkennen. Alle die großen

Bilder in mir, im Fernen erfahrene Landschaft,

Städte und Türme und Brücken und un-

vermutete Wendung der Wege

und das Gewaltige jener von Göttern

einst durchwachsenen Länder:

steigt zur Bedeutung in mir

deiner, Entgehende, an.

Ach, die Gärten bist du,

ach, ich sah sie mit solcher

Hoffnung. Ein offenes Fenster

im Landhaus—, und du tratest beinahe

mir nachdenklich heran. Gassen fand ich,—

du warst sie gerade gegangen,

und die Spiegel manchmal der Läden der Händler

waren noch schwindlich von dir und gaben erschrocken

mein zu plötzliches Bild.—Wer weiß, ob derselbe

Vogel nicht hinklang durch uns

gestern, einzeln, im Abend?

[You who never arrived]

You who never arrived

in my arms, Beloved, who were lost

from the start,

I don’t even know what songs

would please you. I have given up trying

to recognize you in the surging wave of the next

moment. All the immense

images in me—the far-off, deeply-felt landscape,

cities, towers, and bridges, and un-

suspected turns in the path,

and those powerful lands that were once

pulsing with the life of the gods—

all rise within me to mean

you, who forever elude me.

You, Beloved, who are all

the gardens I have ever gazed at,

longing. An open window

in a country house—, and you almost

stepped out, pensive, to meet me. Streets that I chanced upon,—

you had just walked down them and vanished.

And sometimes, in a shop, the mirrors

were still dizzy with your presence and, startled, gave back

my too-sudden image. Who knows? perhaps the same

bird echoed through both of us

yesterday, separate, in the evening …

WENDUNG

Der Weg von der Innigkeit zur Gröβe

geht durch das Opfer. —Kassner

Lange errang ers im Anschaun.

Sterne brachen ins Knie

unter dem ringenden Aufblick.

Oder er anschaute knieend,

und seines Instands Duft

machte ein Göttliches müd,

daß es ihm lächelte schlafend.

Türme schaute er so,

daß sie erschraken:

wieder sie bauend, hinan, plötzlich, in Einem!

Aber wie oft, die vom Tag

überladene Landschaft

ruhete hin in sein stilles Gewahren, abends.

Tiere traten getrost

in den offenen Blick, weidende,

und die gefangenen Löwen

starrten hinein wie in unbegreifliche Freiheit;

Vögel durchflogen ihn grad,

den gemütigen; Blumen

wiederschauten in ihn

groß wie in Kinder.

Und das Gerücht, daß ein Schauender sei,

rührte die minder,

fraglicher Sichtbaren,

rührte die Frauen.

Schauend wie lang?

Seit wie lange schon innig entbehrend,

flehend im Grunde des Blicks?

*

TURNING-POINT

The road from intensity to greatness

passes through sacrifice. —Kassner

For a long time he attained it in looking.

Stars would fall to their knees

beneath his compelling vision.

Or as he looked on, kneeling,

his urgency’s fragrance

tired out a god until

it smiled at him in its sleep.

Towers he would gaze at so

that they were terrified:

building them up again, suddenly, in an instant!

But how often the landscape,

overburdened by day,

came to rest in his silent awareness, at nightfall.

Animals trusted him, stepped

into his open look, grazing,

and the imprisoned lions

stared in as if into an incomprehensible freedom;

birds, as it felt them, flew headlong

through it; and flowers, as enormous

as they are to children, gazed back

into it, on and on.

And the rumor that there was someone

who knew how to look,

stirred those less

visible creatures:

stirred the women.

Looking how long?

For how long now, deeply deprived,

beseeching in the depths of his glance?

*

Wenn er, ein Wartender, saß in der Fremde; des Gasthofs

zerstreutes, abgewendetes Zimmer

mürrisch um sich, und im vermiedenen Spiegel

wieder das Zimmer

und später vom quälenden Bett aus

wieder:

da beriets in der Luft,

unfaßbar beriet es

über sein fühlbares Herz,

über sein durch den schmerzhaft verschütteten Körper

dennoch fühlbares Herz

beriet es und richtete:

daß es der Liebe nicht habe.

(Und verwehrte ihm weitere Weihen.)

Denn des Anschauns, siehe, ist eine Grenze.

Und die geschautere Welt

will in der Liebe gedeihn.

Werk des Gesichts ist getan,

tue nun Herz-Werk

an den Bildern in dir, jenen gefangenen; denn du

überwältigtest sie: aber nun kennst du sie nicht.

Siehe, innerer Mann, dein inneres Mädchen,

dieses errungene aus

tausend Naturen, dieses

erst nur errungene, nie

noch geliebte Geschöpf.

When he, whose vocation was Waiting, sat far from home—

the hotel’s distracted unnoticing bedroom

moody around him, and in the avoided mirror

once more the room, and later

from the tormenting bed

once more:

then in the air the voices

discussed, beyond comprehension,

his heart, which could still be felt;

debated what through the painfully buried body

could somehow be felt—his heart;

debated and passed their judgment:

that it did not have love.

(And denied him further communions.)

For there is a boundary to looking.

And the world that is looked at so deeply

wants to flourish in love.

Work of the eyes is done, now

go and do heart-work

on all the images imprisoned within you; for you

overpowered them: but even now you don’t know them.

Learn, inner man, to look on your inner woman,

the one attained from a thousand

natures, the merely attained but

not yet beloved form.

KLAGE

Wem willst du klagen, Herz? Immer gemiedener

ringt sich dein Weg durch die unbegreiflichen

Menschen. Mehr noch vergebens vielleicht,

da er die Richtung behält,

Richtung zur Zukunft behält,

zu der verlorenen.

Früher. Klagtest? Was wars? Eine gefallene

Beere des Jubels, unreife.

Jetzt aber bricht mir mein Jubel-Baum,

bricht mir im Sturme mein langsamer

Jubel-Baum.

Schönster in meiner unsichtbaren

Landschaft, der du mich kenntlicher

machtest Engeln, unsichtbaren.

LAMENT

Whom will you cry to, heart? More and more lonely,

your path struggles on through incomprehensible

mankind. All the more futile perhaps

for keeping to its direction,

keeping on toward the future,

toward what has been lost.

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