Read Ahead of All Parting Online
Authors: Rainer Maria Rilke
Bestürz mich, Musik, mit rhythmischen Zürnen!
Hoher Vorwurf, dicht vor dem Herzen erhoben,
das nicht so wogend empfand, das sich schonte. Mein Herz:
da:
sieh deine Herrlichkeit. Hast du fast immer Genüge,
minder zu schwingen? Aber die Wölbungen warten,
die obersten, daß du sie füllst mit orgelndem Andrang.
Was ersehnst du der fremden Geliebten verhaltenes Antlitz?—
Hat deine Sehnsucht nicht Atem, aus der Posaune des Engels,
der das Weltgericht anbricht, tönende Stürme zu stoßen:
oh, so
ist
sie auch nicht, nirgends, wird nicht geboren,
die du verdorrend entbehrst …
Startle me, Music, with rhythmical fury!
Lofty reproach, lifted before the heart
that never could feel with such surges, that spared itself. My heart:
there:
behold your magnificence. Are you almost always contented
with lesser vibrations? But the uppermost arches wait
for you to fill them with organ-resounding impulse.
Why do you long for the hidden face of the distant beloved?—
If your yearning lacks enough breath to compel ear-shattering storms
out of the angel’s trumpet that will sound on the world’s last day:
oh, then she too doesn’t exist, anywhere, will never be born,
she in whose absence you are withering …
Hinter den schuld-losen Bäumen
langsam bildet die alte Verhängnis
ihr stummes Gesicht aus.
Falten ziehen dorthin …
Was ein Vogel hier aufkreischt,
springt dort als Weh-Zug
ab an dem harten Wahrsagermund.
O und die bald Liebenden
lächeln sich an, noch abschiedslos,
unter und auf über ihnen geht
sternbildhaft ihr Schicksal,
nächtig begeistert.
Noch zu erleben nicht reicht es sich ihnen,
noch wohnt es
schwebend im himmlischen Gang,
eine leichte Figur.
Behind the innocent trees
old Destiny is slowly forming her mute
expressionless face.
Wrinkles are moving onto it …
What a bird screeches, here,
springs up there as a furrow of pain
on the harsh prophetic mouth.
Oh and the soon-to-be lovers
smile and are still departureless;
above them their fate sets and rises
like a constellation,
enraptured by night.
Not yet does it offer itself to them;
it remains
hovering in the paths of the sky,
an ethereal form.
Oft anstaunt ich dich, stand an gestern begonnenem Fenster,
stand und staunte dich an. Noch war mir die neue
Stadt wie verwehrt, und die unüberredete Landschaft
finsterte hin, als wäre ich nicht. Nicht gaben die nächsten
Dinge sich Müh, mir verständlich zu sein. An der Laterne
drängte die Gasse herauf: ich sah, daß sie fremd war.
Drüben—ein Zimmer, mitfühlbar, geklärt in der Lampe—,
schon nahm ich teil; sie empfandens, schlössen die Läden.
Stand. Und dann weinte ein Kind. Ich wußte die Mütter
rings in den Häusern, was sie vermögen—, und wußte
alles Weinens zugleich die untröstlichen Gründe.
Oder es sang eine Stimme und reichte ein Stück weit
aus der Erwartung heraus, oder es hustete unten
voller Vorwurf ein Alter, als ob sein Körper im Recht sei
wider die mildere Welt. Dann schlug eine Stunde—,
aber ich zählte zu spät, sie fiel mir vorüber.—
Wie ein Knabe, ein fremder, wenn man endlich ihn zuläßt,
doch den Ball nicht fängt und keines der Spiele
kann, die die andern so leicht an einander betreiben,
dasteht und wegschaut,—wohin—?: stand ich und plötzlich,
daß
du
umgehst mit mir, spielest, begriff ich, erwachsene
Nacht, und staunte dich an. Wo die Türme
zürnten, wo abgewendeten Schicksals
eine Stadt mich umstand und nicht zu erratende Berge
wider mich lagen, und im genäherten Umkreis
hungernde Fremdheit umzog das zufällige Flackern
meiner Gefühle—: da war es, du Hohe,
keine Schande für dich, daß du mich kanntest. Dein Atem
ging über mich. Dein aufweite Ernste verteiltes
Lächeln trat in mich ein.
Often I gazed at you in wonder: stood at the window begun
the day before, stood and gazed at you in wonder. As yet
the new city seemed forbidden to me, and the strange
unpersuadable landscape darkened as though
I didn’t exist. Even the nearest Things
didn’t care whether I understood them. The street
thrust itself up to the lamppost: I saw it was foreign.
Over there—a room, feelable, clear in the lamplight—,
I already took part; they noticed, and closed the shutters.
Stood. Then a child began crying. I knew what the mothers
all around, in the houses, were capable of—, and knew
the inconsolable origins of all tears.
Or a woman’s voice sang and reached a little beyond
expectation, or downstairs an old man let out
a cough that was full of reproach, as though his body were right
and the gentler world mistaken. And then the hour
struck—, but I counted too late, it tumbled on past me.—
Like a new boy at school, who is finally allowed to join in,
but he can’t catch the ball, is helpless at all the games
the others pursue with such ease, and he stands there staring
into the distance,—where—?: I stood there and suddenly
grasped that it was you:
you
were playing with me, grown-up
Night, and I gazed at you in wonder. Where the towers
were raging, where with averted fate
a city surrounded me, and indecipherable mountains
camped against me, and strangeness, in narrowing circles,
prowled around my randomly flickering emotions—:
it was then that in all your magnificence
you were not ashamed to know me. Your breath moved tenderly
over my face. And, spread across solemn distances,
your smile entered my heart.
Du im Voraus
verlorne Geliebte, Nimmergekommene,
nicht weiß ich, welche Töne dir lieb sind.
Nicht mehr versuch ich, dich, wenn das Kommende wogt,
zu erkennen. Alle die großen
Bilder in mir, im Fernen erfahrene Landschaft,
Städte und Türme und Brücken und un-
vermutete Wendung der Wege
und das Gewaltige jener von Göttern
einst durchwachsenen Länder:
steigt zur Bedeutung in mir
deiner, Entgehende, an.
Ach, die Gärten bist du,
ach, ich sah sie mit solcher
Hoffnung. Ein offenes Fenster
im Landhaus—, und du tratest beinahe
mir nachdenklich heran. Gassen fand ich,—
du warst sie gerade gegangen,
und die Spiegel manchmal der Läden der Händler
waren noch schwindlich von dir und gaben erschrocken
mein zu plötzliches Bild.—Wer weiß, ob derselbe
Vogel nicht hinklang durch uns
gestern, einzeln, im Abend?
You who never arrived
in my arms, Beloved, who were lost
from the start,
I don’t even know what songs
would please you. I have given up trying
to recognize you in the surging wave of the next
moment. All the immense
images in me—the far-off, deeply-felt landscape,
cities, towers, and bridges, and un-
suspected turns in the path,
and those powerful lands that were once
pulsing with the life of the gods—
all rise within me to mean
you, who forever elude me.
You, Beloved, who are all
the gardens I have ever gazed at,
longing. An open window
in a country house—, and you almost
stepped out, pensive, to meet me. Streets that I chanced upon,—
you had just walked down them and vanished.
And sometimes, in a shop, the mirrors
were still dizzy with your presence and, startled, gave back
my too-sudden image. Who knows? perhaps the same
bird echoed through both of us
yesterday, separate, in the evening …
Der Weg von der Innigkeit zur Gröβe
geht durch das Opfer. —Kassner
Lange errang ers im Anschaun.
Sterne brachen ins Knie
unter dem ringenden Aufblick.
Oder er anschaute knieend,
und seines Instands Duft
machte ein Göttliches müd,
daß es ihm lächelte schlafend.
Türme schaute er so,
daß sie erschraken:
wieder sie bauend, hinan, plötzlich, in Einem!
Aber wie oft, die vom Tag
überladene Landschaft
ruhete hin in sein stilles Gewahren, abends.
Tiere traten getrost
in den offenen Blick, weidende,
und die gefangenen Löwen
starrten hinein wie in unbegreifliche Freiheit;
Vögel durchflogen ihn grad,
den gemütigen; Blumen
wiederschauten in ihn
groß wie in Kinder.
Und das Gerücht, daß ein Schauender sei,
rührte die minder,
fraglicher Sichtbaren,
rührte die Frauen.
Schauend wie lang?
Seit wie lange schon innig entbehrend,
flehend im Grunde des Blicks?
*
The road from intensity to greatness
passes through sacrifice. —Kassner
For a long time he attained it in looking.
Stars would fall to their knees
beneath his compelling vision.
Or as he looked on, kneeling,
his urgency’s fragrance
tired out a god until
it smiled at him in its sleep.
Towers he would gaze at so
that they were terrified:
building them up again, suddenly, in an instant!
But how often the landscape,
overburdened by day,
came to rest in his silent awareness, at nightfall.
Animals trusted him, stepped
into his open look, grazing,
and the imprisoned lions
stared in as if into an incomprehensible freedom;
birds, as it felt them, flew headlong
through it; and flowers, as enormous
as they are to children, gazed back
into it, on and on.
And the rumor that there was someone
who knew how to look,
stirred those less
visible creatures:
stirred the women.
Looking how long?
For how long now, deeply deprived,
beseeching in the depths of his glance?
*
Wenn er, ein Wartender, saß in der Fremde; des Gasthofs
zerstreutes, abgewendetes Zimmer
mürrisch um sich, und im vermiedenen Spiegel
wieder das Zimmer
und später vom quälenden Bett aus
wieder:
da beriets in der Luft,
unfaßbar beriet es
über sein fühlbares Herz,
über sein durch den schmerzhaft verschütteten Körper
dennoch fühlbares Herz
beriet es und richtete:
daß es der Liebe nicht habe.
(Und verwehrte ihm weitere Weihen.)
Denn des Anschauns, siehe, ist eine Grenze.
Und die geschautere Welt
will in der Liebe gedeihn.
Werk des Gesichts ist getan,
tue nun Herz-Werk
an den Bildern in dir, jenen gefangenen; denn du
überwältigtest sie: aber nun kennst du sie nicht.
Siehe, innerer Mann, dein inneres Mädchen,
dieses errungene aus
tausend Naturen, dieses
erst nur errungene, nie
noch geliebte Geschöpf.
When he, whose vocation was Waiting, sat far from home—
the hotel’s distracted unnoticing bedroom
moody around him, and in the avoided mirror
once more the room, and later
from the tormenting bed
once more:
then in the air the voices
discussed, beyond comprehension,
his heart, which could still be felt;
debated what through the painfully buried body
could somehow be felt—his heart;
debated and passed their judgment:
that it did not have love.
(And denied him further communions.)
For there is a boundary to looking.
And the world that is looked at so deeply
wants to flourish in love.
Work of the eyes is done, now
go and do heart-work
on all the images imprisoned within you; for you
overpowered them: but even now you don’t know them.
Learn, inner man, to look on your inner woman,
the one attained from a thousand
natures, the merely attained but
not yet beloved form.
Wem willst du klagen, Herz? Immer gemiedener
ringt sich dein Weg durch die unbegreiflichen
Menschen. Mehr noch vergebens vielleicht,
da er die Richtung behält,
Richtung zur Zukunft behält,
zu der verlorenen.
Früher. Klagtest? Was wars? Eine gefallene
Beere des Jubels, unreife.
Jetzt aber bricht mir mein Jubel-Baum,
bricht mir im Sturme mein langsamer
Jubel-Baum.
Schönster in meiner unsichtbaren
Landschaft, der du mich kenntlicher
machtest Engeln, unsichtbaren.
Whom will you cry to, heart? More and more lonely,
your path struggles on through incomprehensible
mankind. All the more futile perhaps
for keeping to its direction,
keeping on toward the future,
toward what has been lost.