Authors: Rainer Maria Rilke
dient als ein Ding, oder stirbt in ein Dingâ, und jenseits
selig der Geige entgeht.âUnd diese, von Hingang
lebenden Dinge verstehn, daà du sie rühmst; vergänglich,
traun sie ein Rettendes uns, den Vergänglichsten, zu.
Wollen, wir sollen sie ganz im unsichtbarn Herzen verwandeln
inâo unendlichâin uns! Wer wir am Ende auch seien.
Erde, ist es nicht dies, was du willst:
unsichtbar
in uns erstehn?âIst es dein Traum nicht,
einmal unsichtbar zu sein?âErde! unsichtbar!
Was, wenn Verwandlung nicht, ist dein drängender Auftrag?
Erde, du liebe, ich will. Oh glaub, es bedürfte
nicht deiner Frühlinge mehr, mich dir zu gewinnenâ,
einer,
ach, ein einziger ist schon dem Blute zu viel.
Namenlos bin ich zu dir entschlossen, von weit her.
Immer warst du im Recht, und dein heiliger Einfall
ist der vertrauliche Tod.
Siehe, ich lebe. Woraus? Weder Kindheit noch Zukunft
werden weniger . . . . . Ãberzähliges Dasein
entspringt mir im Herzen.
THE NINTH ELEGY
Why, when this span of life might be passed
as a laurel, slightly darker than everything else
green, with tiny waves on the edges
of each leaf (like the wind's smile)â: why then
have
to be humanâand, fleeing destiny,
long for destiny?â¦
                                              Oh,
not
for some dream of happiness,
that premature profit of an imminent loss.
Not out of curiosity, not to give practice to the heart,
which would also pulse with laurel . . . . .
But because
life
here compels us, and because everything here
seems to need us, all this fleetingness
that strangely entreats us. Us, the
most
fleeting â¦
Once
for each thing, only once. Once and no more. And we, too,
only once. Never again. But to have been
once, even though only once:
this having been
earthly
seems lasting, beyond repeal.
And so we press on and try to achieve it,
try to contain it in our simple hands,
in our brimming eyes, our voiceless heart.
Try to
become
it. Try to give itâto whom? Best of all,
to hold on to it all forever ⦠Ah, but what can one carry across
into that other relation? Not the art of seeing,
learned so slowly here, and no event that transpired here. Not one.
The pain, then. Above all, the hard labor of living,
the long experience of love, âall the purely
unsayable things. But later on,
among the stars, what then: there the unsayable
reigns.
The traveler doesn't bring from the mountain slope
into the valley some handful of sod, around which all stand mute,
but a word he's gained, a pure word, the yellow and blue
gentian. What if we're here just for saying:
house,
bridge, fountain, gate, jug, fruit tree, window,
â
at most:
column, tower
 ⦠but for
saying,
understand,
oh for such saying as the things themselves
never hoped so intensely to be. Isn't this the sly purpose
of the taciturn earth, when it urges lovers on:
that in their passion each single thing should find ecstasy?
O Threshold: what must it mean for two lovers
to have their own older threshold and be wearing down so lightly
the ancient sillâ, they too, after the many before,
before the many to come . . . . .
Here
is the time for the sayable,
here
is its home.
Speak and attest. More than ever
the things we can live with are falling away,
and ousting them, filling their place: a will with no image.
Will beneath crusts which readily crack
whenever the act inside swells and seeks new borders.
Between the hammers our heart
lives on, as the tongue,
even between the teeth, remains
unceasing in praise.
Praise the world to the Angel, not what's unsayable.
You can't impress him with lofty emotions; in the cosmos
that shapes
his
feelings, you're a mere novice. Therefore show him
some simple object, formed from generation to generation
until it's truly our own, dwelling near our hands and in our eyes.
Tell him of
things.
He'll stand more amazed; as you stood
beside the ropemaker in Rome or by the potter along the Nile.
Show him how happy a thing can be, how innocent and ours,
how even sorrow's lament resolves upon form,
serves as a thing or dies into a thingâ, and in that blissful beyond
is unmoved even by the violin. âAnd these things
that keep alive on departure know that you praise them; transient,
they look to us, the
most
transient, to be their rescue.
They want us to change them completely, in our invisible hearts,
intoâO endlesslyâ
us!
Whoever, finally, we may be.
Earth, isn't that what you want: to arise
in us
invisibly?
Isn't it your dream
to be invisible someday? Earth! Invisible!
What, if not transformation, is your urgent charge?
Earth, my darling, I will! Believe me, you need
no more of your springtimes to win meâ,
one,
just a single one, is already too much for my blood.
Nameless now, I am betrothed to you forever.
You've always been right, and your most sacred tenet
is Death the intimate Friend.
Look, I am living. On what? Neither childhood nor future
lessens . . . . . Superabundant existence
wells in my heart.
DIE ZEHNTE ELEGIE
Daà ich dereinst, an dem Ausgang der grimmigen Einsicht,
Jubel und Ruhm aufsinge zustimmenden Engeln.
Daà von den klar geschlagenen Hämmern des Herzens
keiner versage an weichen, zweifelnden oder
reiÃenden Saiten. Daà mich mein strömendes Antlitz
glänzender mache; daà das unscheinbare Weinen
blühe. O wie werdet ihr dann, Nächte, mir lieb sein,
gehärmte. Daà ich euch knieender nicht, untröstliche Schwestern,
hinnahm, nicht in euer gelöstes
Haar mich gelöster ergab. Wir, Vergeuder der Schmerzen.
Wie wir sie absehn voraus, in die traurige Dauer,
ob sie nicht enden vielleicht. Sie aber sind ja
unser winterwähriges Laub, unser dunkeles Sinngrün,
eine
der Zeiten des heimlichen Jahresâ, nicht nur
Zeitâ, sind Stelle, Siedelung, Lager, Boden, Wohnort.
Freilich, wehe, wie fremd sind die Gassen der Leid-Stadt,
wo in der falschen, aus Ãbertönung gemachten
Stille, stark, aus der GuÃform des Leeren der AusguÃ
prahlt: der vergoldete Lärm, das platzende Denkmal.
O, wie spurlos zerträte ein Engel ihnen den Trostmarkt,
den die Kirche begrenzt, ihre fertig gekaufte:
reinlich und zu und enttäuscht wie ein Postamt am Sonntag.
DrauÃen aber kräuseln sich immer die Ränder von Jahrmarkt.
Schaukeln der Freiheit! Taucher und Gaukler des Eifers!
Und des behübschten Glücks figürliche SchieÃstatt,
wo es zappelt von Ziel und sich blechern benimmt,
wenn ein Geschickterer trifft. Von Beifall zu Zufall
taumelt er weiter; denn Buden jeglicher Neugier
werben, trommeln und plärrn. Für Erwachsene aber
ist noch besonders zu sehn, wie das Geld sich vermehrt, anatomisch,
nicht zur Belustigung nur: der Geschlechtsteil des Gelds,
alles, das Ganze, der Vorgangâ, das unterrichtet und macht
fruchtbar . . . . . . . . .
.⦠Oh aber gleich darüber hinaus,
hinter der letzten Planke, beklebt mit Plakaten des âºTodlosâ¹,
jenes bitteren Biers, das den Trinkenden süà scheint,
wenn sie immer dazu frische Zerstreuungen kaunâ¦,
gleich im Rücken der Planke, gleich dahinter, ists
wirklich.
Kinder spielen, und Liebende halten einander,âabseits,
ernst, im ärmlichen Gras, und Hunde haben Natur.
Weiter noch zieht es den Jüngling; vielleicht, daà er eine junge
Klage liebt . . . . . Hinter ihr her kommt er in Wiesen. Sie sagt:
âWeit. Wir wohnen dort drauÃen.â¦
                                                                Wo? Und der Jüngling
folgt. Ihn rührt ihre Haltung. Die Schulter, der Halsâ, vielleicht
ist sie von herrlicher Herkunft. Aber er läÃt sie, kehrt um,
wendet sich, winkt ⦠Was soils? Sie ist eine Klage.
Nur die jungen Toten, im ersten Zustand
zeitlosen Gleichmuts, dem der Entwöhnung,
folgen ihr liebend. Mädchen
wartet sie ab und befreundet sie. Zeigt ihnen leise,
was sie an sich hat. Perlen des Leids und die feinen
Schleier der Duldung.âMit Jünglingen geht sie
schweigend.
Aber dort, wo sie wohnen, im Tal, der Ãlteren eine, der Klagen,
nimmt sich des Jünglinges an, wenn er fragt:âWir waren,
sagt sie, ein GroÃes Geschlecht, einmal, wir Klagen. Die Väter
trieben den Bergbau dort in dem groÃen Gebirg; bei Menschen
findest du manchmal ein Stück geschliffenes Ur-Leid
oder, aus altem Vulkan, schlackig versteinerten Zorn.
Ja, das stammte von dort. Einst waren wir reich.â
Und sie leitet ihn leicht durch die weite Landschaft der Klagen,
zeigt ihm die Säulen der Tempel oder die Trümmer
jener Burgen, von wo Klage-Fürsten das Land
einstens weise beherrscht. Zeigt ihm die hohen
Tränenbäume und Felder blühender Wehmut,
(Lebendige kennen sie nur als sanftes Blattwerk);
zeigt ihm die Tiere der Trauer, weidend,âund manchmal
schreckt ein Vogel und zieht, flach ihnen fliegend durchs Aufschaun,
weithin das schriftliche Bild seines vereinsamten Schreis.â
Abends führt sie ihn hin zu den Gräbern der Alten
aus dem Klage-Geschlecht, den Sibyllen und Warn-Herrn.
Naht aber Nacht, so wandeln sie leiser, und bald
mondets empor, das über Alles
wachende Grab-Mal. Brüderlich jenem am Nil,
der erhabene Sphinxâ: der verschwiegenen Kammer
Antlitz.
Und sie staunen dem krönlichen Haupt, das für immer,
schweigend, der Menschen Gesicht
auf die Waage der Sterne gelegt.
Nicht erfaÃt es sein Blick, im Frühtod
schwindelnd. Aber ihr Schaun,
hinter dem Pschent-Rand hervor, scheucht es die Eule. Und sie,
streifend im langsamen Abstrich die Wange entlang,
jene der reifesten Rundung,
zeichnet weich in das neue
Totengehör, über ein doppelt
aufgeschlagenes Blatt, den unbeschreiblichen UmriÃ.
Und höher, die Sterne. Neue. Die Sterne des Leidlands.
Langsam nennt sie die Klage:âHier,
siehe: den
Reiter,
den
Stab,
und das vollere Sternbild
nennen sie:
Fruchtkranz.
Dann, weiter, dem Pol zu:
Wiege; Weg; Das Brennende Buch; Puppe; Fenster.
Aber im südlichen Himmel, rein wie im Innern
einer gesegneten Hand, das klar erglänzende âº
M
â¹,
das die Mütter bedeutet . . . . . . â
Doch der Tote muà fort, und schweigend bringt ihn die ältere
Klage bis an die Talschlucht,
wo es schimmert im Mondschein:
die Quelle der Freude. In Ehrfurcht
nennt sie sie, sagt:âBei den Menschen
ist sie ein tragender Strom.â
Stehn am Fuà des Gebirgs,
Und da umarmt sie ihn, weinend.
Einsam steigt er dahin, in die Berge des Ur-Leids.
Und nicht einmal sein Schritt klingt aus dem tonlosen Los.
Â
Â
Aber erweckten sie uns, die unendlich Toten, ein Gleichnis,
siehe, sie zeigten vielleicht auf die Kätzchen der leeren
Hasel, die hängenden, oder
meinten den Regen, der fällt auf dunkles Erdreich im Frühjahr.â
Und wir, die an
steigendes
Glück
denken, empfänden die Rührung,
die uns beinah bestürzt,
wenn ein Glückliches
fällt.
THE TENTH ELEGY
Someday, at the end of the nightmare of knowing,
may I emerge singing praise and jubilation to assenting angels.
May I strike my heart's keys clearly, and may none fail
because of slack, uncertain, or fraying strings.
May the tears that stream down my face
make me more radiant: may my hidden weeping
bloom. How I will cherish you then, you grief-torn nights!
Had I only received you, inconsolable sisters,
on more abject knees, only buried myself with more abandon
in your loosened hair. How we waste our afflictions!
We study them, stare out beyond them into bleak continuance,
hoping to glimpse some end. Whereas they're really
our wintering foliage, our dark greens of meaning,
one
of the seasons of the clandestine yearâ; not only
a seasonâ: they're site, settlement, shelter, soil, abode.
Ah, but the City of Pain: how strange its streets are:
the false silence of sound drowning sound,
and thereâproud, brazen, effluence from the mold of emptinessâ
the gilded hubbub, the bursting monument.
How an Angel would stamp out their market of solaces,