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Authors: Katharine Kerr

Polar City Blues (18 page)

BOOK: Polar City Blues
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»Er ist nicht
mein
Mulligan.« Die leichte Schärfe in ihrem Ton bereut sie sofort. Sie lächelt, als ob es ein Scherz gewesen wäre. »Und was erwartest du von mir? Soll ich ihm sagen, daß er deinetwegen schon mal einen Ball fallen lassen soll?«

»So verzweifelt ist unsere Lage nicht«, erwidert Kelly lachend. »Ich wette, daß wir sie diese Saison ohne weiteres schlagen können.«

Der Wein ist eingeschenkt, Kelly geht, er wischt seine sauberen Hände immerzu an einem ebenso sauberen Handtuch

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ab. Sam nimmt einen Schluck und wirft Lacey über den Rand des Glases ein freches Grinsen zu.

»Schau mich an!« sagt er. »Er ist also nicht
dein
Mulligan? Aber jeder Mensch hier redet von Mulligan, wenn er dich sieht. Halb Porttown scheint ihn für deinen Freund zu halten.«

»Er ist etwas zwischen einem guten Bekannten und einem streunenden Hund.«

»Ja, sicher. Sag das deiner Tante.«

»Er ist wahrscheinlich viel eher dein Geschmack als meiner. Stehst du nicht auf dünne blonde Typen?

Aber du wirst bei ihm kein Glück haben, ist nicht sein Fall.«

»Dann liebt er dich, ohne Zweifel, ganz egal, was in dem Stück rostfreiem Stahl vorgeht, das du dein Herz nennst.«

»Sei still!«

»Ich hab's erraten, nicht wahr?«

Lacey braucht nicht zu antworten, denn der Robotkellner rollt an ihren Tisch und bringt ein Tablett mit Appetithappen. »Auf Rechnung des Hauses«, sagt er mit seiner nasalen Stimme. Lacey fragt sich, wer bloß die Robotkellner so programmierte, daß sie sich wie stark verschnupfte kleine jungen anhören.

»Nicht übel.« Sam hat sich schon eine Kohlroulade genommen und spricht nun zwischen den einzelnen Bissen. »Verglichen mit anderen Planeten ist das Essen hier nicht besonders, aber die Schiffsrationen schlägt es allemal.«

»Ein kleiner Ausgleich, immerhin.«

Sam starrt sie erschrocken an.

»He, amiga, que pasa? Alles in Ordnung hier bei den Landratten?«

»Muß es wohl sein, nicht? Oder hab' ich eine Wahl?«

»Nun gut.« Er nimmt die nächste Roulade. »Hör zu, wenn wir beide an den richtigen Fäden ziehen, dann können wir vielleicht deine Papiere zurückbekommen, dann kommst du mit mir als mein Chef Operator.«

»Und wie, in aller Welt, wollen wir das schaffen?«

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»Die Chancen stehen nicht gut.« Seine Stimme klingt müde und traurig. »Verdammt, ich fühle mich verpflichtet, etwas zu tun. Schließlich bin ich auch einer von denen, die dir das Leben verdanken.«

»Du verdankst mir nicht die Bohne. Ich hab' meinen eigenen verdammten Hintern gerettet!«

»Gut, gut ... ich weiß. Das sagst du doch immer. Aber trotzdem, wenn du nicht gewesen wärst, war'

ich jetzt tot, und fünfhundert andere gottverdammte Leute noch dazu. Es macht mich immer ganz krank, wenn ich daran denke, wie sie dich dafür geschaßt haben.«

»Nun vergiß nicht, nach dem Gesetz hätten sie mich an die Wand stellen müssen. Die richtigen Fäden ziehen! Denk an Eisenschnauze und seine Admiralsterne, ohne ihn wäre es aus gewesen mit mir.«

»Das meine ich doch, wir sind dir etwas schuldig.«

»Chinga tu madre!«

Sam zuckt zusammen und gibt nun endlich Ruhe. Lacey nimmt sich ein Stück Toast mit leuchtendrosa Krabbencreme. Langsam kaut sie und hofft im stillen, daß Sam nicht auch noch den Rest der alten Geschichte aufwärmt. Damit sie jenes Wort nicht hören muß, den Grund dafür, daß sie den Dienst quittieren mußte und niemals wieder zur Besatzung eines Schiffs gehören kann. Er fühlt sich mitverantwortlich, es ließ ihm einfach keine Ruhe, wann immer sie sich trafen. Einige Menschen das galt auch für andere Wesen - gehören einfach in den Raum; andere gewöhnen sich eigentlich nie daran, in einem kleinen Metallgehäuse gefangen zu sein und durch den endlosen Wirbel von Lichtpunkten zu gleiten. Captain Rostow von der
Avalon
gehörte zu solchen Leuten. Zwanzig Jahre war er schon im Dienst, doch sträubte sich sein Innerstes dagegen, formierte sich zu einem einzigen lautlosen Aufschrei, wenn ihm bewußt wurde, daß er sein Leben einer dünnen Hülle und etwas Technik anvertraut hatte der schiere Wahnsinn in dieser fremden Welt des kosmischen Staubs und der Sterne, die

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mit ihren Protuberanzen nach dem vorbeischwebenden Schiff zu greifen scheinen. Bei einem Routineeinsatz gegen Piraten brach er dann zusammen. Als die
Avalon
sie schon in die Flucht geschlagen hatte, befahl er plötzlich, die Schutzschirme abzuschalten, um sich mit voller Kraft zurückziehen zu können. Ohne die Schutzschirme konnten die Piraten die
Avalon
mit einem einzigen guten Schuß atomisieren, aber in seiner Panik hatte der Captain nur noch den Wunsch, so schnell wie möglich festen Boden unter die Füße zu bekommen, dem erbarmungslosen Raum zu entkommen und unter dem blauen Himmel des nächsten Planeten Zuflucht zu suchen.

Meuterei. Ein häßliches Wort, denkt Lacey, für eine häßliche Tat. Sie war der einzige Offizier auf der Brücke, der es wagte, die Laserpistole auf Betäubung einzustellen und auf Rostow zu richten.

Nachdem sie ihn in seine Kabine eingeschlossen hatte, verhängte sie als diensthabender Offizier über sich selbst Arrest und übergab das Kommando an Sam. Hinter vorgehaltener Hand sagte man sich bei der Admiralität, daß sie das einzig Richtige getan hätte, aber um der Disziplin willen wurde die Todesstrafe beantragt. Nur das Eingreifen von Eisenschnauze, Admiral Wazerzis, verhinderte das Schlimmste. Aber er konnte auch nicht mehr erreichen, als daß man ihr erlaubte, von sich aus den Dienst zu quittieren, um einer unehrenhaften Entlassung zuvorzukommen. Ihre Schiffspatente wurden unter Verschluß genommen.

Was Lacey niemandem so ganz erklären kann, ist, daß sie im Grunde mit dem Oberkommando übereinstimmte. Nicht, daß sie sterben wollte. In der Nacht, als sie von der Begnadigung hörte, lachte und bebte sie im Wechsel, zwei Stunden lang, aus purer Erleichterung. Eigentlich hatte sie ja nur zwischen zwei Todesarten gewählt, damals, auf der Brücke, als Rostow zu schwitzen und toben begann. Und ihr Leben gegen das von fünfhundert anderen schien ihr ein vernünftiger und gerechter Preis, ein Preis, den sie durchaus zu bezahlen bereit war im Namen jener Disziplin, die dem 157

Kriegsgericht so am Herzen lag. Eines der wichtigsten Bollwerke gegen jenen Raumkoller, dem Rostow zum Opfer fiel, ist eine rigide Disziplin mit ihren Routineverrichtungen -eine künstlich festgefügte Welt, in der alles geregelt ist, was ebenso beruhigend wirken kann, wie es lästig ist. Auf einem Schiff ist man völlig dem ausgeliefert, was die anderen tun. Ein einziger Verrückter mit einer Pistole bedroht nicht nur einzelne Menschen, sondern das ganze Schiff. Ein unerträglicher Gedanke, daß eines Tages sich jemand finden könnte, der durch ihr Beispiel ermutigt einen Grund zum Meutern zu haben glaubt obwohl er nichts weiter als irrsinnig ist.

»Weißt du«, sagt Sam, »vielleicht kommst du eines Tages in die Lage, irgend jemanden ein bißchen erpressen zu können. Ich werd' die Ohren offenhalten; vielleicht ergibt sich etwas, mit dem man diesen Viersternetypen Beine machen kann, daß sie deine Papiere herausrücken.«

»Gracias, Amigo. Scheint mir etwas unwahrscheinlich.«

Das Essen kommt, und sie essen schweigend, bis sie fast am Ende sind, wie es zur Etikette einer Offiziersmesse gehört. Wenn eine Mahlzeit jederzeit durch die Alarmsirenen unterbrochen werden kann, dann ist Essen wichtiger als eine Unterhaltung bei Tisch. Schließlich verteilt Sam den Rest Wein so gerecht wie möglich und lehnt sich behaglich zurück, das Glas in der Hand.

»Du hast mir nicht gesagt, was es mit diesem Mulligan auf sich hat.«

»Hab' ich wohl. Hab' dir gesagt, du sollst den Mund halten, nicht wahr? Es gibt nichts zu sagen.«

»Warum gibst du dir dann so viel Mühe, nichts zu sagen? Bekomm' ich ihn zu sehen?«

»Teufel, du kannst ihn haben.«

»O ja, ganz bestimmt. Das hast du schon einmal über einen Typ gesagt, ich erinnere mich sehr gut daran. Und du warst stinksauer, als ich dich beim Wort genommen habe.«

»Ich dachte nicht, daß er darauf eingehen würde, du Mist-158

kerl.« Trotz des Schimpfwortes lächelte sie. »Man kann nicht immer gewinnen, nicht?«

»Du hast das eine Mal gewonnen, als es wirklich zählte.« Sam sagt es recht melancholisch, er hält sein Glas ins Licht, daß der süße Wein blutrot aufleuchtet. »Wenigstens sah es damals so aus. Wirklich, als hättest du den ersten Preis gewonnen. Eher ein faules Ei im Nest, nicht wahr? Wenn ich daran denke, was dieser Hurensohn dir angetan hat!« Der melancholische Unterton ist verschwunden, er grinst sie an.

»Geschah dir ganz recht, nachdem du ihn mir weggenommen hattest.«

»Ich hab' dir einen Gefallen getan, das weißt du ganz genau.«

»Heute
weiß ich es. Aber ist es nicht verrückt, wie die Dinge sich entwickeln? Sobald er dich verlassen hatte, wußte ich schon, daß wir beide Freunde würden denn schließlich waren wir beide blöde genug, um auf einen Bastard wie ihn hereinzufallen. Die klassische Dreiecksgeschichte: Ich liebte ihn, du liebtest ihn, und er liebte sich.«

Lacey lacht laut auf, dann macht sie sich an der Speisekarte zu schaffen, um Wein zu bestellen. Nach zwanzig Jahren kann sie auf die einzige große Liebe ihres Lebens mit einer milden, fast schon komischen Gelassenheit zurückblicken, kaum anders als Sam, obwohl sie damals vom Selbstmord nicht mehr weit entfernt war. Es war wohl die strenge Disziplin der Flotte, die sie davon abhielt, die Überzeugung, daß ein Offizier, der sich tötete, nicht nur sich selbst, sondern auch der Flotte Schande bereitete.

»O mein Gott!« sagte sie unvermittelt. »Sam, sag bloß, wie hieß er doch? Alvarez oder Alvarado?«

Sam überlegt, das Glas in der Hand.

»Alvarez. Wie die Zeit vergeht. Ich mußte auch erst nachdenken. Was wohl aus unserem guten Jaime geworden ist? Ich werde alles, was du willst, darauf wetten, daß er noch immer mit der verdammten Flotte herumschippert. Madre de Dios, was war er schön! Ist es vielleicht noch immer. Die-159

ses verfluchte Verjüngungsmittel es bringt die verlassenen Geliebten um ihre späte Genugtuung.

Wenn es eine Gerechtigkeit gäbe, dann müßte er jetzt schlaff und welk sein, aber wahrscheinlich bricht er immer noch die Herzen, wo immer er auftaucht.«

»Ja, sicher. Aber es war nicht nur sein Aussehen, Mann. Wie er sich gab, dieser Gang ... Ich war hin und weg, sobald ich ihn sah. Manchmal hatte ich das Gefühl, daß es schon etwas Besonderes war, irgendwo herumzustehen und auf ihn warten zu dürfen, wenn er mich wieder einmal versetzt hatte.

Und nie vergaß man, daß er ein Held war. Es hört sich albern an, wenn man es sagt, aber er war wirklich einer.«

»Orden von der Schulter bis zur Taille, nicht wahr?« Sam blickt an ihr vorbei, er hängt seinen Erinnerungen nach. »Und er hat jedes verfluchte Stück Blech verdient. Mir fällt nicht mal eine zynische Bemerkung ein. Er hat sie verdient, wirklich.« Er nimmt die offene Weinflasche vom Tablett des Robotkellners. »Wollen wir auf die Vergänglichkeit der Liebe trinken?«

»Warum nicht? Mach die Gläser voll, amigo.«

Sie prosten sich zu, leeren dann die Gläser bis zur Hälfte, ein anderer Brauch aus der Offiziersmesse.

Als Lacey eben einen zweiten Trinkspruch anbringen möchte, sieht sie Bates, der durch die Tischreihen mit großen Schritten auf sie zukommt. So düster ist sein Gesichtsausdruck, daß sie erschrocken aufspringt, noch bevor er sie erreicht hat.

»Wir haben Sally Pharis gefunden. Kein schöner Anblick.«

»Das ist das, was ich schon die ganze Zeit befürchtet habe, Chief. Ist es wie bei den anderen?«

Bates muß schlucken, als er daran erinnert wird. Dann holt er tief Luft.

»O je ... tut mir leid, euch beim Essen zu stören. Aber wollen Sie mit mir ins Leichenschauhaus kommen? Wir müssen auch reden, Lacey. Ich schwör's: Wir brauchen Ihre Hilfe wirklich dringend.«

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Wenn Bates das eingestand, dann mußte die Lage schlichtweg katastrophal sein.

»Okay, ich werde mitkommen. He, Sam wirst du zu Hause auf mich warten?«

»Wenn du möchtest, komme ich auch mit.« Bates schüttelte den Kopf.

»Je weniger davon wissen, um so besser«, sagt er. »Tut mir leid, Captain, ist nicht persönlich gemeint.«

»So hab' ich es auch nicht aufgefaßt, Chief.« Sam steht auf und trinkt sein Glas aus. »Ich werd'

bezahlen, Lacey. Wir sehen uns dann bei A-bis-Z.«

Während der Fahrt zum Leichenschauhaus berichtet Bates Lacey, daß er die Polizei-Hypnotiseurin angewiesen hat, sich Little Joe vorzunehmen; vielleicht fiel ihm noch das eine oder andere Detail zu Sally und der Nacht ein, in der Ka Gren ermordet wurde. Dann kommt er auf Akeli zu sprechen, auf dieses Füllhorn von Drohungen, das er über ihn ausgeschüttet hat. Lacey ist überrascht, wie groß die Wut ist, die sie mit einem Mal packt; eigentlich ist sie über das Stadium hinaus, in dem man sich über Regierungsentscheidungen noch aufregt.

»Schwachsinnige Kuh«, sagt sie und meint damit die Präsidentin der Republik.

»Äh, der Gedanke ist mir nicht ganz fremd. Hören Sie mal, ich wollte dort im Restaurant nichts sagen, aber es ist etwas wirklich Schreckliches mit Sally passiert. Wenn Sie die Leiche nicht sehen wollen, sagen Sie es nur.«

»Ich hab' das Gefühl, ich sollte es mir anschauen. Wofür halten Sie mich eigentlich? Mensch, schließlich war ich Soldat, haben Sie das vergessen? Ich hab' mehr als einen Menschen gesehen, den es über den ganzen Geschützturm verteilt hatte, wie Himbeermarmelade.«

Als sie in der langen, kalten Halle stehen, jedes Geräusch ein vielfaches Echo, und auf die Bahre starren, die vom Rest der Welt durch eine Plastikplane hermetisch abgetrennt ist, kann Lacey Bates Besorgnis verstehen. Ohne die Erfahrun-161

gen aus ihrer Dienstzeit, die sie abgehärtet haben, hätte sie nicht da stehen und dieses Bild in sich aufnehmen können. Sogar der Gehilfe des Gerichtsmediziners scheint mit der Übelkeit zu kämpfen, er, der wohl über zwei Dutzend Mordopfer im Laufe seiner Karriere gesehen haben mußte, ganz zu schweigen von den unzähligen Toten, die man aus zertrümmerten Gleitern geboren hatte. Aber daß sie nun Ekel fühlt, kaum Trauer, das liegt daran, daß sie dieses Wesen, das vor ihr liegt, nicht als Sally begreift. Die Kehle ist von einem Ohr zum anderen durchschnitten worden; ein Sturzbach von Blut hat sich über den Leib ergossen, doch was einmal Brust und Bauch war, das ist ein verkrustetes Etwas, eine schäumende Masse aus silbergrauen Fäden, die sich in das Fleisch eingewoben haben. Auch die Oberarme existieren nicht mehr, sind zerfressen, freigelegt bis auf den Knochen. Und das Gesicht ist kaum wiederzuerkennen als hätte jemand eine Büste von Sally machen wollen, aber die graue Tonerde war zu naß, um die Form halten zu können. Ein zerlaufenes Gesicht. Laceys Kehle ist wie zugeschnürt, wie gern hätte sie geflucht, doch gibt es kein Wort für das, was Sally zugestoßen ist.

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