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Authors: Katharine Kerr

Polar City Blues (19 page)

BOOK: Polar City Blues
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»Ich habe Sie gewarnt«, sagt Bates leise.

»Aber ja. Sieht aus, als wäre dieses Zeug da am aktivsten, wo es frisches Blut findet.«

»Der Gerichtsmediziner hat sich ähnlich geäußert. Er arbeitet an seinem Bericht, zusammen mit Dr.

Carol. Es J müssen diese exotischen Bakterien sein, meint er, in einem weiteren Entwicklungsstadium wahrscheinlich. Er legt sich nicht gern fest.«

»Und wo ist Carol jetzt?«

»Im Quäker-Hospital, sagte man mir zuletzt, immer noch mit Little Joe Walker beschäftigt. Wenn sich das Zeug tatsächlich so entwickelt«, er deutet auf die Leiche, »dann wird er wohl bald einen Kunstdarm brauchen.«

Lacey stößt einen Seufzer aus und wendet sich ab.

»Also, Chief, wie war das mit der Armee? Daß sie die

Stadt besetzen wollen? Lassen Sie doch einfach etwas durchsickern, von dem, was wir hier gesehen haben. Ich wette Ihren Hintern, daß die Typen desertieren werden, bevor sie noch einen Fuß in die Stadt gesetzt haben.«

»Ein paar Bilder in den Abendnachrichten würden genügen, denke ich. Ich werd's mir überlegen.«

»Sie haben einen Durchsuchungsbeschluß für Sallys Wohnung?«

»Sicher. Sie sehen so besorgt aus, warum? Liegt dort Stoff herum?«

»Wie, zum Teufel, kommen Sie darauf?«

»Durch meinen Hang zum logischen Denken und weil ich offensichtlich richtig geraten habe. Aber keine Sorge, ich kann keine Toten einsperren, nicht wahr? Kommen Sie mit, wenn Sie wollen.«

Die Wohnung ist ein wüstes Durcheinander, von der schmalen Türnische bis zum Wohnzimmer, vom Wohnzimmer bis zur Küche am anderen Ende. Man tritt auf Scherben, Sallys Nippeskram ist zu Boden geworfen. Ein umgestürzter Sessel beim Fernseher, Sallys Kleider, Datenboxen, Musikspeicher, Küchengeschirr, alte Pizzakartons und ähnliches alles, was ihr gehörte, scheint ringsum verstreut. Doch es fehlen der 3-D-Fernseher, der Mikrowellenherd und der nagelneue sehr teure Computer. Der alte Putzroboter, den sie vor Jahren gebraucht gekauft hat, liegt ohne Lebenszeichen in einer Ecke. Sein Genick ist gebrochen.

»Wirklich clever«, sagt Lacey laut. »Ich wette, daß auch ihr Schmuck fehlt. Ein gelungener vorgetäuschter Einbruch, aber wozu die Mühe?«

Bates zuckt mit den Schultern, nicht weniger erstaunt als sie. Doch die Verwüstung scheint wie eine Spur hinüber ins Schlafzimmer zu führen. Plötzlich wird Lacey die Absicht klar, sie sollen ihr folgen.

Und sie spürt einen Stich im Herzen, denn sie glaubt zu wissen, was sie finden werden.

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»Schweinekerl«, sagt sie, »das wirst du mir büßen.«

»Was ist los?«

»Kommen Sie, el jefe.«

Im Schlafzimmer liegt, wie sie befürchtet hat, Ibrahim -ausgebreitet auf dem Bett, mit einem sauberen kleinen Loch im Hinterkopf. Der arme alte fette Ibrahim, in einem zerrissenen Unterhemd und blutgetränkten Shorts.

»Ach so ist das!« platzt es aus Lacey heraus. »Was für ein Zufall, man hat ihn überfallen und die Wohnung ausgeräumt, genau an dem Tag, an dem sie umgebracht wurde. Ein sehr wahrscheinliches Zusammentreffen, ganz zweifellos. Ibrahim muß etwas gewußt haben, also mußte auch er sterben. Ich denke, wir sollten glauben, daß die Einbrecher ihn getötet haben, nicht wahr?«

»Ja, klar doch, die Einbrecher. Man braucht sich nur anzusehen, wie er getötet wurde - anders als die übrigen Opfer. Aber es ist wirklich stümperhafte Übertreibung, ein Overkill - das sollte kein Witz sein, Entschuldigung.«

Vor dem Kleiderschrank liegen die Beutel mit dem Sarah-Haschisch, die Jeans und die lavendelfarbene Bluse, genau so, wie sie es in Erinnerung hat und Buddy es fotografierte. Nur daß die Bluse jetzt mit Blut beschmiert ist.

»Das hätte der Mörder nicht liegen lassen dürfen«, sagt Bates. «Entweder hält er uns für blöd, oder er ist inzwischen so in Bedrängnis, daß er nicht mehr klar denken kann.«

»Da muß ich zustimmen. Es ist wirklich dämlich, den Stoff hier liegen zu lassen - kein Einbrecher würde so etwas übersehen. Außer wenn er nicht weiß, wie wertvoll das Zeug ist. Und in diesem Fall ist er tatsächlich nicht von diesem Planeten.«

»Richtig. Also unser psi-begaber Killer?«

»Könnte sein.« Der Gedanke macht sie schaudern. »Aber, Chief - sorgen Sie dafür, daß niemand hier etwas ohne Handschuhe anfaßt, unbedingt!«

»Was?«

»Sally war von diesen Bakterien infiziert, und ich wette, 164

daß es diesen Kerl kaum weniger erwischt hat. Er mußte Sally erst überwältigen, bevor er sie tötete, und sie war sehr kräftig. Sie hatte immerhin den schwarzen Gürtel, Mann. Es muß von diesen Bakterien hier nur so wimmeln.«

»Himmel, Sie haben recht! Übrigens, wir haben die Geschichte ans Fernsehen gegeben, die ganze Nacht läuft es schon in den Nachrichten. Die Leute werden aufgefordert, alles Auffällige zu melden.

Der Kerl muß doch von Blut nur so triefen, jemand muß das gesehen haben.«

»Das sollte man meinen, Teufel noch mal.«

»Ich werd' das Einbruchsdezernat anrufen. Wird Zeit, daß sie sich hier an die Arbeit machen. Sie gehen jetzt nach Hause?«

»Ja, bald. Aber Sie können mich über den Computer jederzeit erreichen. Sagen Sie mal, dieser Stoff, Chief ... dieser Beutel ist noch verschlossen, und die einzelnen Päckchen darin kann man sicher ohne Risiko anfassen. Können Sie mir etwas davon überlassen? Ich brauche es, um einige Leute zum Reden zu bringen.«

»Sicher. Ist besser als Geld, nicht wahr? Nehmen Sie, was Siebrauchen.«

Lacey stopft sich die Taschen voll, vielleicht hundert Gramm kann sie so unterbringen. Als sie durch den Flur geht, wirft sie zufällig einen Blick ins Bad.

»Verdammt, Chief, sehen Sie mal. Hier hat jemand gebadet, und ich wette, es war nicht Ibrahim, so, wie er gerochen haben muß: Jede Seife, jede Lotion hat er ausprobiert.«

»So sieht es aus. Lacey - scheint, als hätten Sie recht mit diesen verrückten Bakterien.«

Mulligan arbeitet im Garten, er jätet das Unkraut in einem Beet Brotfarn. Das ist eine der wenigen Pflanzen der gemäßigten Zonen von Sarah, die auf Hagar gedeihen. Zwar werden die blaugrünen Farnwedel in dem trockenen Klima nur ein Meter hoch, nicht sechs wie auf Sarah, doch erntet man 165

auch hier die begehrten Knollen, einige Kilo schwer und reich an wertvollen Kohlenhydraten und Proteinen. Das Wasser, das man dafür opfern muß, ist keineswegs verschwendet. Mulligan jätet gerne; Unkrauttriebe und Pilze zu entfernen ist gerade die richtige Arbeit für ihn: Es ist nicht anstrengend, und doch kann er sich damit von dem ablenken, was ihn quält. Aber wie sehr er auch hofft, sich betäuben zu können, er ist und bleibt in Nunks' Bannkreis und kann nicht umhin, dessen Sorgen mitzufühlen: Er zerbricht sich den Kopf, wie man dem geheimnisvollen Wesen draußen im Rattennest helfen könnte, und schreckt doch vor der Gefahr immer wieder zurück. Zwar fühlt auch Mulligan großes Mitleid mit der Insektenfrau, aber er hat keineswegs das Bedürfnis, nach ihr zu suchen, zumal dieser psi-begabte Killer hinter ihm her ist. Sollte Nunks zu einem Entschluß kommen, dann würde er sich eine gute Ausrede ausdenken, um hier hinter den verschlossenen Türen von A-bis-Z bleiben zu können.

Die erste Reihe von Beeten hat er gerade beendet, als Nunks sich meldet: Da sei jemand an der Tür, der sich als Freund von Lacey ausgebe und eingelassen werden wolle. Mulligan kann Nunks Mißtrauen spüren, es ist wie ein Kribbeln entlang seiner Wirbelsäule.

Großer Bruder, spüre keine Lüge.

Keine Lüge zu spüren. Aber: Vorsicht! Denke an Mörder mit Psi. Buddyfragen, Kontrolle.

Zögernd geht Mulligan in Laceys Büro. Der Computer scheint nicht zu arbeiten; auf dem Bildschirm ist nichts als ein schwaches Leuchten zu sehen. Doch sofort reagiert er I auf den Eindringling, die Sensoren blinken auf, und der Scanner schwenkt zu ihm herum.

»Da ist jemand am Tor, Buddy. Nunks hat gesagt, ich soll dich um eine Überprüfung bitten, eine Identitätskontrolle.«

»Ist schon geschehen, Einheit Mulligan. Glaubt Nunks etwa, daß ich nachlässig bin?«

»Nein. Wie sollte er ... ich meine, wir wußten doch nicht, was du treibst ... was du eben gemacht hast!«

Buddy antwortet mit einem Geräusch, das irgendwie verächtlich klingt.

»Ja doch!« schimpft Mulligan. »Nun sag endlich, wer da vor dem Tor steht!«

»Die Einheit Sam Bailey, Kapitän der
Montana
und ein sehr guter Freund von Lacey. Identität ist mehrfach bestätigt, durch Handabdruck, Irismuster, Infrarotabtastung und meine Datenspeicher.«

»Okay, schon gut. Ich werd's an Nunks weitergeben.«

»Oh, Einheit Mulligan? Du solltest auf dein Benehmen achten, was Captain Bailey betrifft. Lacey hält sehr viel von ihm, wenn du verstehst. Es wäre gut für dich, einen positiven Eindruck zu machen.«

Wäre Buddy aus Fleisch und Blut, dann würde Mulligan unschwer erkennen können, daß er - nein, nicht lügt -, sondern die Wahrheit aufrecht subjektive Weise formuliert. Aber so treffen ihn die Worte wie ein Blitzschlag, daß er wie gelähmt stehen bleibt und nach Luft schnappt. Während er sich langsam die Treppe hinunterschiebt, kann er nur noch das eine denken: Daß er es hätte wissen müssen, daß natürlich doch Lacey einen tollen Liebhaber haben mußte, vielleicht sogar mehr als einen. Daß er nichts zu bieten hat, was eine Frau wie sie braucht. - Und noch mehr solcher Gedanken, die alle nur den einen Wunsch in ihm wecken: zu trinken, zu trinken bis zur Besinnungslosigkeit, und es dann für immer zu bleiben. Sein erster Blick auf Sam schwarz, muskulös, gutaussehend - kann seine schlimmsten Befürchtungen nur noch bestätigen.

»Mulligan, hab' ich recht?« lächelt Sam freundlich und streckt ihm die Hand entgegen. »Lacey hat von Ihnen erzählt. Freut mich, Sie kennenzulernen.«

Während sie händeschüttelnd dastehen, stellt Mulligan fest, daß er diesen Typ haßt und immer hassen wird, der nicht einmal zugeben will, daß er auf ihn eifersüchtig ist.

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Dann spürt er, daß Nunks sich meldet, der höchst irritiert ist.

Kleiner Bruder, Umfragen: Kommt Lacey nach Hause, ja/nein?

»Captain Bailey, wissen Sie, ob Lacey schon auf dem Heimweg ist?«

»Mensch, sag doch Sam! Dieser Captain hängt mir zum Hals heraus, Lichtjahre lang krieg' ich nichts anderes zu hören. Aber Lacey, die ist mit diesem Bates von der Polizei unterwegs.« Er spricht gedämpft weiter. »Aber sag mal, kennst du eine Sally Pharis? Traurig, aber es scheint, daß sie tot ist, Mann.«

Mulligan kannte Sally nur flüchtig, doch ist jeder Tod ein Schlag für ihn. Und das Entsetzen eines Menschen, der seinem Mörder gegenübersteht, kann er sich allzu lebhaft vorstellen. Er macht einen Schritt, schwankt unsicher. Sam will ihn stützen.

»Nehmen Sie die Hände weg!«

»Aber ...« Bailey tritt einen Schritt beiseite. »Ich wollte dir helfen, das war alles.«

Mulligan knurrt etwas und wendet sich dann Nunks zu, der inzwischen so verwirrt ist, daß ihn dieses Gefühl wie eine Wolke umgibt. Doch er legt einen pelzigen, tröstenden Arm um Mulligan und drückt ihn an sich, während Sam dabeisteht und zu tun versucht, als sei nichts geschehen.

Kleiner Bruder.
Sympathie, Ärger.
Stärke zeigen. Müssen helfen, jetzt, Insektenfrau. Lacey zu spät.

Nicht warten, aufbrechen. Fährst du Gleiter? Habe Laceys Schlüssel.

Das war der Punkt, an dem Mulligan vorgehabt hat, auszusteigen. Dieses verrückte Abenteuer sollte ohne ihn stattfinden, Entschuldigungen hat er sich genug ausgedacht. Aber Lacey liebt ihn nicht, und dieser Sam, der würde niemals etwas versäumen, das so gefährlich war wie dieses Unternehmen.

Überhaupt, wozu noch leben. In der Nationalliga darf er sowieso nicht spielen.

Ich fahre. Du hast völlig recht. Wir gehen, gleich jetzt.

Erleichterung.

»Sagen Sie, Bailey?« sagt Mulligan. »Tut mir leid, daß wir so in Eile sind, aber es geht um eine große Sache. Sie kennen das Rattennest, ja? Eine Freundin von uns steckt da- in Schwierigkeiten, müssen sie herausholen. Macht Ihnen sicher doch nichts aus, oben auf Lacey zu warten?«

»Natürlich nicht, aber sag mir, amigo - wenn ihr Unterstützung braucht, dann komme ich mit.«

»Ach, ganz unnötig.« Mulligan zuckt leichthin die Achseln und hofft, daß es lässig genug wirkt.

»Nunks und ich, wir schaffen es schon allein.«

Kleiner Bruder: Verrückt! Diesen Mann mitnehmen!

NEIN! Erklärung später.

Während Nunks in seinem Zimmer nach dem Ersatzschlüssel von Laceys Gleiter sucht, bringt Mulligan Sam nach oben in das Büro, dann gibt er Rick neue Anweisungen, wie Nunks aufgetragen hat: Maria muß im Büro bleiben, die ganze Zeit, von Buddys Sensoren bewacht, ganz gleich, was am Tor oder im Garten passierte. Sollte der Mörder versuchen, ins Haus zu kommen, soll er die Polizei rufen und nicht den Helden spielen wollen, auch nicht mit Sams Unterstützung. Mulligan läßt Rick das alles vor Buddy wiederholen, so kann er sicher sein, daß er sich auch daran halten wird.

»Eines noch, Einheit Mulligan«, sagt Buddy schließlich.' »Du hast kein Terminal an deinem Gürtel.

Wie soll ich da Kontakt mit euch halten?«

»Wer sagt denn, daß du das sollst?«

»Ihr könntet im Rattennest in Schwierigkeiten kommen.«

»Ach ja? Nun, wenn das der Fall sein sollte, dann wird uns irgendein elektronischer Wichtigtuer auch nicht helfen können!« Mulligan dreht sich um und geht hinaus.

»He, Mann!« ruft Sam ihm nach. »Die Maschine hat recht, glaub mir!«

Während Mulligan die Treppe hinunterstürzt, immer zwei Stufen auf einmal, geht es ihm durch den Kopf, daß er lieber

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tot wäre, als auf Sam zu hören. Und was Buddy betrifft -sein Haß ist so stark, daß er diese hochnäsige Stimme nie wieder hören möchte.

Mit hundert Gramm Sarah-Haschisch in ihren Taschen besteigt Lacey in der Vierten Straße die U-Bahn nach Porttown. Es sind noch einige Stunden bis zur Rush-hour des späten Abends, so hat sie einen ganzen Wagen für sich allein, bis auf einen Teenager, eine Bianca mit rotem Haar, die sich geräuschvoll über ein besonders stark duftendes Paket mit Lizzie-Chips hergemacht hat.

Durchdringend riecht es nach Zwiebeln und Essig. Essen ist zwar verboten in der U-Bahn, aber Lacey schweigt. Das Mädchen trägt ein Messer an der Wade, und obwohl Lacey ihr das abnehmen könnte, ohne es recht zu wollen, scheint es ihr die Mühe nicht wert. Statt dessen öffnet sie das nächste Fenster; staubige, aber durch die Ionisation frisch duftende Tunnelluft strömt ein. Die Belüftung funktioniert in keinem der Züge, die durch Porttown fahren, weil, so behauptet die Transportgesellschaft, ungezogene Blanco-Kinder Abfall in die Ventilationsöffnungen stopfen.

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