Zodiac (10 page)

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Authors: Robert Graysmith

Tags: #True Crime, #Murder, #Serial Killers

BOOK: Zodiac
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Von diesen Fakten war bisher nichts in die Öffentlichkeit gelangt.

 

Letzte Weinachten
bei diesem Vorfal hat sich die Polizei
gefragt, wie ich meine Opfer in der Dunkelheit
so genau treffen konnte. Sie haben es nicht
ausdrücklich gesagt, aber angedeutet, indem sie
gemeint haben, dass es eine helle Nacht war
& dass ich zumindest die Umrise der Leute
erkennen konnte.
Quatsch dieser Platz ist von Bäumen &
Hügeln umgeben. Was ich gemacht habe war
das: ich habe eine kleine Taschenlampe
an den Lauf meiner Pistole geklebt. Falls es Ihnen
schon mal aufgefallen ist - wenn Sie die Lampe
auf eine Wand richten, dann sehen Sie in der Mitte
des Lichtstrahls einen dunklen Punkt.
Wenn man die Taschenlampe am Lauf einer Pistole
befestigt, trifft die Kugel genau in den dunklen
Punkt im Licht.
Ich brauchte also nur noch abzudrücken …
Keine Adresse.

 

Zodiac hatte geschrieben, dass ihn die Polizei »haben würde«, wenn es ihr gelingen sollte, den Code zu knacken. Was der Mörder nicht wusste, war, dass die Hardens seinen Geheimtext bereits entschlüsselt hatten, dass das Rätsel seiner Identität aber trotzdem ungelöst blieb.

 

Dienstag, 12. August 1969

 

Die Lösung der Hardens wurde schließlich veröffentlicht, und die Amateur-Codeknacker der Bay Area waren übereinstimmend der Ansicht, dass es sich bei den Buchstaben am Ende des Textes, nämlich »EBEORIETEMETHHIPITI«, um ein Anagramm handelte, also ein Buchstabenrätsel, das durch Umstellung von Buchstaben entstand und hinter dem sich der wahre Name des Mörders verbergen könnte. Einer der Lösungsvorschläge lautete, dass man nur hier und dort ein R, M und P einzufügen brauchte und damit zur Lösung »ROBERT EMMET THE HIPPIE« kam.

In den folgenden Wochen schlugen einfallsreiche Leser des
Chronicle
immer neue Möglichkeiten vor: EMMET O. WRIGHT, ROBERT HEMPHILL, VAN M. BLACKMAN, I AM O. RIET, KENNETH O. WRIGHT, LEO BLACKMAN, F. L. BOON, TIMOTHIE E. PHEIBERTE.

Ein Leser meinte, der wahre Hinweis liege in der Anmerkung »Rush to Editor« (»Rasch an den Chefredakteur weiterleiten«), die auf allen vier Briefumschlägen des Zodiac zu finden war, und man solle doch nach einem Mr. Rush suchen. Ein wohl meinender Mitbürger schrieb an Lynch, dass die rätselhaften Buchstaben am Ende der entschlüsselten Botschaft für »San Benito Mental Hospital« stünden. Das Problem war nur, dass es keine psychiatrische Klinik mit diesem Namen gab.

Lynch glaubte nicht daran, dass die vorgeschlagenen Lösungen des Anagramms den richtigen Namen des Mörders enthüllen würden; er meinte, dass die »Signatur« am Ende des Textes höchstens ein Pseudonym des Killers darstellte. Robert Emmet war der Name eines irischen Revolutionärs, der im Jahr 1803 hingerichtet wurde. Aber um sicherzugehen, ließ Lynch alle Robert Emmets überprüfen, egal ob Hippie oder Spießbürger. »Der Buchstabensalat am Ende des Textes hat vielleicht gar keine verborgene Bedeutung, sondern allein den Zweck, uns auf eine falsche Fährte zu locken«, meinte er. »Schließlich schreibt er ja in seiner Botschaft: ›Ich werde euch nicht meinen Namen verraten.‹< Dass sich der Name ›Robert Emmet‹ dahinter verbergen könnte, ist nur eine Möglichkeit von vielen. Vielleicht schickt er ja noch einen Brief und schreibt etwas mehr dazu.«

Harden war der Ansicht, dass die letzte Zeile nur angefügt wurde, damit auch dieser Teil des Geheimtextes acht Zeilen umfasste und die Entschlüsselungsexperten nicht wissen konnten, welcher Teil der letzte war.

Im Gegensatz zu Dr. D. C. B. Marsh, dem Leiter der American Cryptogram Association, war ich nicht der Ansicht, dass der Mörder ein Experte in Sachen Verschlüsselung war. Ich hatte eher den Eindruck, dass Zodiac nach ganz bestimmten Vorlagen vorging. Der Mörder war wohl in dieser Hinsicht genauso ein Amateur wie die Hardens. Wir wussten also jetzt, welchen Buchstaben des Alphabets jedes der verwendeten Symbole darstellte, doch was mich besonders interessierte, war die Frage, nach welchen Kriterien der Mörder seine Auswahl der Symbole getroffen hatte.

Fünfundfünfzig Zeichen bilden eine sehr komplizierte Geheimschrift. Handelte es sich um eine Chiffre, die Zodiac sich selbst gebastelt hatte, oder hatte er für sein Zeichensystem auf bestimmte Quellen zurückgegriffen? Wenn er irgendwelche Bücher über Verschlüsselung als Grundlage verwendet hatte, so konnte man damit vielleicht die entscheidende Spur zum Mörder finden.

Ich begann also, nach Büchern über Verschlüsselung zu suchen. In der Einleitung zu »The Codebreakers« von David Kahn wird ein Beispiel für ein Verschlüsselungsalphabet vorgestellt; acht der sechsundzwanzig Ersetzungen hatte der Mörder übernommen. Zodiac hatte dieses Buch mit Sicherheit zu Hause.

Was den Rest der merkwürdigen Symbole betraf, die fast schon religiös anmutenden Dreiecke, Kreise, Quadrate und Kreuze, so erinnerte mich das alles an eine Geheimschrift, die im Mittelalter verwendet worden war. Es handelte sich um ein Alphabet aus Symbolen, die dem Uneingeweihten geheimnisvoll erscheinen sollten und die als »beeindruckend« und »unheimlich« beschrieben wurden - also genau die Merkmale, die einem Menschen wie dem Zodiac-Killer wichtig sein mussten.

Ich fand dieses Alphabet ebenso leicht wie den Code von Kahn, in einem Buch mit dem Titel »Codes and Ciphers« von John Laffin. Der Name dieses Alphabets aus dem 13. Jahrhundert lieferte mir auch die Erklärung für den bizarren Namen des Mörders; es wurde das »Zodiac-Alphabet« genannt. Zodiac hatte jeden Buchstaben des Alphabets durch verschiedene Symbole ersetzt und sich bei seiner Wahl von dieser frühen Geheimschrift inspirieren lassen.

So verwendete der Mörder für das »R« ein »«, während im Zodiac-Alphabet das Symbol für das »R« ein »« ist. Für das »T« wiederum benutzte der Mörder ein »«; im Alphabet steht dafür »«.

Wenn sich der Zodiac-Killer von diesen beiden Büchern hatte inspirieren lassen, so dachte ich mir, dann mussten sie eigentlich in einer Bibliothek der Bay Area zu finden sein. Und dort musste dann auch verzeichnet sein, wer diese Bücher in letzter Zeit ausgeliehen hatte. Da im Geheimtext des Mörders eine Reihe von Symbolen vorkamen, die irgendwie an die Navy erinnerten, und nachdem der Mörder in Blue Rock Springs laut Zeugenaussagen einen militärischen Bürstenschnitt hatte, konzentrierte ich mich besonders auf Army- und Navy-Einrichtungen im Umkreis von San Francisco und Vallejo.

Ich rief im Armystützpunkt in Presidio in San Francisco, im Navy-Stützpunkt auf Treasure Island (wo ein Teil der Bibliothek bei einem Brand zerstört worden war) und im Army Terminal von Oakland an. In allen diesen Büchereien galten die betreffenden Bücher als vermisst und waren möglicherweise gestohlen worden. Auf dem Navy-Stützpunkt von Alameda hatte man diese Bücher nie besessen, und am Luftstützpunkt Hamilton gab es »keine Aufzeichnungen zu diesen Büchern.« Der Bibliothekar in der Naval Shipyard von Mare Island teilte mir mit, dass man die Aufzeichnungen kürzlich gelöscht hatte.

Im JFK Information Center in Vallejo erfuhr ich, dass das Buch vor einiger Zeit als verloren gemeldet wurde und dass »Codes and Ciphers« als Einführungshandbuch für Schüler verwendet wurde, weil es so verständlich geschrieben war. In der Public Library von San Francisco stand das Buch sogar in der Kinderabteilung.

In seinem Brief schrieb Zodiac:

 

WENN ICH STERBE WERDE ICH IM PARADIS WIEDER
GEBOREN
UND DIE ICH GETÖTET HABE SIND DANN MEINE
SKLAVEN.

 

Professoren an der Stanford University stellten fest, dass diese seltsame Mischung aus christlichen Vorstellungen und alten Kulten seine Wurzeln einerseits in Südostasien hatte, dass sie andererseits aber auch an satanische Sekten, wie jene von Anton LaVey in San Francisco, erinnerte. Konnte es sein, dass Zodiac einer solchen Sekte angehörte?

 
 

In seinem verschlüsselten Text vergleicht der Mörder seine Taten mit der Jagd auf Wildtiere - nur dass die Menschenjagd viel gefährlicher, und deshalb aufregender sei. Das erinnerte mich an einen alten Film mit dem Titel »The Most Dangerous Game«. Ich sah ihn mir schließlich in einem kleinen Kino in der Nähe von San Francisco an, das auch Stummfilme zeigte.

Der Film aus dem Jahr 1932 basiert auf einer sehr bekannten Kurzgeschichte von Richard Connell aus dem Jahr 1924. Es ist die Geschichte eines wahnsinnigen Jägers, des Grafen Zaroff, der vorüberfahrende Schiffe mit falschen Lichtsignalen von der Fahrrinne weglockt, damit sie zu seiner Insel kommen, wo die Schiffe dann stranden. Die Überlebenden der sinkenden Schiffe werden zu menschlichem Freiwild im privaten Dschungel des Grafen. Zaroff, der von Leslie Banks verkörpert wird, ist ein groß gewachsener Russe mit einer auffälligen Narbe auf der Stirn, die zum Sinnbild seines Wahns wird. »Mein Leben war immer schon eine einzige glorreiche Jagd«, teilt er seinen Gefangenen mit. »Ich könnte unmöglich sagen, wie viele Tiere ich schon getötet habe. Aber eines Nachts, als ich in meinem Zelt wach lag, wurde ich plötzlich von einem schrecklichen Gedanken beschlichen: Die Jagd auf Tiere begann mich zu langweilen … und mit der Freude an der Jagd verlor ich auch meine Freude am Leben und an der Liebe. Hier auf meiner Insel jage ich nun das gefährlichste Tier von allen [Menschen]. Nur nach dem Töten erfährt der Mensch die wahre Ekstase der Liebe«, sagt Zaroff. »Es ist ein ganz natürlicher Instinkt. Töte, und dann liebe! Wer das erkennt, der weiß erst, was Ekstase ist!« Mit seinem Rudel von schwarzen Doggen streift der ganz in Schwarz gekleidete Graf, mit seinem Präzisionsgewehr und einem langen Messer bewaffnet, durch den Nebel, um ein junges Paar zu verfolgen.

Nach dem Film stand ich in der milden abendlichen Luft und betrachtete die dunkle Straße, die vom Nebel feucht war, und fragte mich, ob es sein konnte, dass ein einfach geschriebenes Buch über Verschlüsselung und ein alter Film den Mörder von Vallejo zu seinen Taten inspiriert hatten.

 
 

Die Los Angeles Times druckte die Information ab, die die California Medical Facility in Vacaville der Polizei von Vallejo gab, nachdem der Code geknackt worden war:

»Es handelt sich wahrscheinlich um einen Mann, der sich von seinen Mitmenschen isoliert fühlt; das aufregende Gefühl des Tötens mit der Lust am Sex zu vergleichen, deutet gewöhnlich auf Minderwertigkeitsgefühle hin.

Er hat wahrscheinlich das Gefühl, dass seine Mitmenschen aus irgendeinem Grund auf ihn herabblicken. Der Glaube, dass seine Opfer in einem Leben nach dem Tod seine Sklaven sein würden, ist der Ausdruck eines Allmachtsgefühls, das auf einen paranoiden Größenwahn hindeutet; er greift dabei auf eine Vorstellung zurück, wie sie in der Geschichte der Menschheit bei primitiven Völkern recht häufig anzutreffen war.

Hinter den höhnischen Bemerkungen und den Telefonanrufen könnten die Bitte stecken, dass man ihn identifizieren und finden möge, damit er sich dann in einer letzten großen Geste das Leben nehmen könnte, um die Welt sozusagen dafür zu bestrafen, dass sie ihn ignoriert hat.«

 

4

 

Cecelia Ann Shepard

 

Samstag, 27. September 1969

 

Für Cecelia Ann Shepard war heute der Tag des Abschieds von ihrem Freund Bryan Hartnell, einem Studienkollegen am Pacific Union College in Angwin, Napa County. Sie hatte den groß gewachsenen, gut aussehenden angehenden Studenten der Rechtswissenschaft schon in ihrem ersten Semester am PUC kennen gelernt, und die beiden hatten sich einmal sehr nahe gestanden.

Nachdem sie die Sommerferien bei ihren Eltern in Loma Linda verbracht hatte, war Cecelia für das Wochenende zum College zurückgekehrt, um die wenigen Sachen, die sie noch dort hatte, zusammenzupacken und nach Südkalifornien zu transportieren. Nachdem sie ihre zwei Jahre in Angwin absolviert hatte, wechselte sie nun an die Universität in Riverside, um ab Herbst dort Musik zu studieren.

Hartnell war aus Troutdale, Oregon, wo er ebenfalls seine Eltern besucht hatte, hergefahren, um Cecelia beim Packen zu helfen. Die beiden trafen sich schon am frühen Morgen am PUC und verbrachten nach dem Gottesdienst eine Stunde damit, Cecilias Sachen in Kisten zu packen. Die Luft war erfrischend, als sie von Newton Hall zwischen den modernen braunen und weißen Gebäuden zur Schulcafeteria hinübergingen.

Beim Mittagessen fragte Bryan: »Hast du heute Nachmittag schon irgendwas vor?«

»Warum?«

»Na ja, wir könnten ja ein bisschen spazieren gehen oder nach San Francisco fahren. Einfach nur, weil wir so gute Freunde waren.«

Bryan öffnete die Beifahrertür seines weißen VW Karmann Ghia, um das zierliche blonde Mädchen einsteigen zu lassen. Dann sprang er ebenfalls in den Wagen und die beiden fuhren gut gelaunt die Howell Mountain Road entlang, vorbei am St. Helena Sanitarium, und weiter zum Highway 29, wo sie links in Richtung Rutherford abbogen und in das Gebiet kamen, wo die traditionsreichen Weingüter wie Inglenook und Beaulieu zu Hause waren. Auf einem Kirchenflohmarkt für wohltätige Zwecke in Napa kauften sie einen alten Fernseher. Danach fuhren sie nach St. Helena weiter, wo sie ein paar Dinge besorgten und Freunde besuchten, ehe sie später ein paar von ihnen nach Hause brachten.

Anstatt nach San Francisco weiterzufahren, schlug Bryan vor, einen Abstecher nach Lake Berryessa zu machen. »Es gibt da ein schönes Plätzchen am See, wo ich schon öfter gewesen bin«, sagte er zu Cecelia.

Die beiden fuhren über das Pope Valley und die Knoxville Road am Ufer des künstlich angelegten Sees entlang. Der Lake Berryessa ist über vierzig Kilometer lang und fast fünf Kilometer breit. Es wimmelt darin von Sonnenfischen, Welsen, Regenbogenforellen und Schwarzbarschen.

Kurz zuvor, um etwa 14.50 Uhr, waren drei einundzwanzigjährige Frauen auf demselben Weg gekommen wie Bryan und Cecelia. Als die drei ihren Wagen in der Nähe eines A&W-Restaurants parkten, hielt ein anderer Wagen, von einem Mann gelenkt, neben ihnen an. Der Mann saß mit gesenktem Kopf da, so als lese er - doch die Frauen hatten irgendwie das Gefühl, dass er nur so tat.

Sein Auto war ein silberfarbener oder eisblauer Chevrolet mit kalifornischen Nummernschildern. Der Fahrer war fünfundzwanzig bis fünfunddreißig Jahre alt, etwa einsfünfundachtzig groß und neunzig bis hundert Kilo schwer. Er trug keine Brille, und sein glattes schwarzes Haar war auf der Seite gescheitelt. Bekleidet war er mit einem schwarzen kurzärmeligen Sweatshirt und einer dunkelblauen Hose. Hinten hing ihm ein T-Shirt aus der Hose, doch er wirkte gepflegt und sah durchaus nicht schlecht aus. Der Mann rauchte eine Zigarette nach der anderen.

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