Read Sebastian Online

Authors: Anne Bishop

Tags: #Fiction, #Fantasy, #General

Sebastian (56 page)

BOOK: Sebastian
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Teaser sah beunruhigt aus, zuckte aber mit den Achseln. »Ich komme mit dir.«
»Warum?«
Er ließ ihren Arm los und trat zurück. »Weil wir eine Familie sind.«
 
Dalton verließ die Halle der Zauberer, blieb dann stehen und starrte blind in den vor ihm liegenden Hof und die Gärten.
Mit einem Verweis dafür, dass er Zauberer Koltak nicht vor dem Angriff des Fremden geschützt hatte, hatte er gerechnet. Aber damit?
Der Befehlsgewalt und des Hauptmannstitels enthoben. Aus der Stadt der Zauberer verbannt. Nicht, weil er es nicht geschafft hatte, Koltak zu beschützen, sondern weil er ihn davon abgehalten hatte, einem Mann Schaden zuzufügen, der gefesselt und wehrlos war.
Einem Mann, der glaubte, betrogen worden zu sein.
Du machst einen Fehler, Koltak!,
hatte der Fremde gerufen, als sie zurück in die Stadt der Zauberer geritten waren.
Der Weltenfresser ist dort draußen. Belladonna ist deine einzige Hoffnung, Ephemera zu retten!
Das Schicksal des Fremden lag jetzt in den Händen der Zauberer. Er konnte dem Mann nicht helfen, war sich nicht einmal sicher, ob er sich selbst jetzt noch helfen konnte. Er musste seine Frau und die Kinder vor dem morgigen Sonnenuntergang aus der Stadt schaffen, zusammen mit allen Haushaltsgütern, die sie auf dem gro ßen Händlerwagen mitnehmen konnten, der Aldys Vater gehörte.
Aber wo sollten sie hingehen? Und wessen Antwort
könnte er vertrauen, wenn er nach anderen Landschaften fragte?
Wie von einem unsichtbaren Seil gezogen, wandte sich Daltons Kopf den Gefängnisräumen zu.
Eine Person gab es, die es vielleicht wissen könnte.
Er blickte sich im Hof um. Addison stand am schmiedeeisernen Tor, das auf die Straße führte. Kein Zeichen von Guy oder Henley. Sie mussten in die Kaserne zurückgekehrt sein.
Dalton blickte zu dem Teil des Hofes, in den es ihn zog, lief an verschlossenen Türen und mit Läden versehenen Fenstern vorbei. Als er den Gefangenen hier zurückgelassen hatte, war ihm aufgefallen, dass im hintersten Fenster ein faustgroßes Stück Glas fehlte. Vielleicht hatte die letzte Person, die in diesem Raum eingesperrt gewesen war, das Glas in einem vergeblichen Fluchtversuch zerbrochen. Oder vielleicht hatte sie sich verzweifelt gewünscht, etwas anderes zu hören, als das Schweigen des eigenen Herzens. Warum auch immer, die Öffnung war da, und Dalton dankte den Wächtern des Herzens für diese Möglichkeit, mit dem Mann zu sprechen.
Nahe jener Ecke des verschlossenen Fensters lehnte er sich gegen die Wand. »Psst. Könnt Ihr mich hören?« Er sprach mit leiser Stimme, um zu verhindern, dass jemand, der vorbeiging, zuhören konnte. Sollte ihn ein anderer Wachmann sehen, könnte er sagen, er bewache den Gefangenen. Aber wenn ein Zauberer ihn bemerkte, würde er zweifellos in einem weiteren dieser verschlossenen Räume enden und seine Frau und Kinder nie wiedersehen.
Ein schlurfendes Geräusch ertönte. Ein dumpfer Schlag, als sich jemand gegen die Wand fallen ließ.
»Was wollt Ihr?« Die Stimme klang heiser, erschöpft.
Was wollte er? Zu dem Moment zurückkehren, in dem der Fremde von der Brücke gestolpert war. Um die Gelegenheit
zu haben, seinem Instinkt zu folgen, als er gesehen hatte, wie Koltak von der Brücke trat.
»Wenn ich es noch einmal tun könnte, würde ich Euch entkommen und dorthin zurückkehren lassen, wo auch immer Ihr hergekommen seid.«
»Warum?«
»Als Koltak von der Brücke trat, hat sich alles falsch angefühlt.
Er
hat sich falsch angefühlt. Ihr nicht.«
Und du hast den Blitz nicht dazu eingesetzt, meinen Männern zu schaden. Du hättest es tun können. Jeder Zauberer hätte es getan.
»Was Ihr Koltak über den Weltenfresser erzählt habt - ist das wahr?«
Schweigen. Dann: »Es ist wahr.«
Ihm blieb nicht viel Zeit. Jeden Moment konnte jemand vorbeikommen. »Ich bin aus der Stadt verbannt worden. Ich muss meine Familie in eine andere Landschaft bringen. Gibt es einen Ort, zu dem ich sie führen kann, an dem sie in Sicherheit sein wird?«
Eine lange Pause entstand. »Die Hoffnung des Herzens liegt in Belladonna. Ihre Landschaften … sind die einzig sicheren Orte. Eine Resonanzbrücke … bringt Euch vielleicht … in eine von ihnen. Aber wenn die Zauberer sie vernichten … besteht keine Hoffnung mehr. Für niemanden.«
Er musste fort. Er war bereits zu lange geblieben. »Es tut mir leid, dass ich an Euer Gefangennahme beteiligt war.«
Erneutes Schweigen.
Als Dalton vom Fenster zurücktrat, hörte er ein gemurmeltes: »Reise leichten Herzens.«
Als er das Tor erreichte, wartete Addison immer noch auf ihn.
»Wir sollten besser gehen, Hauptmann«, sagte Addison. »Etwas stimmt heute nicht mit diesem Ort. Mehr als sonst.«
»Ich bin nicht länger Euer Hauptmann«, sagte Dalton,
als er das Tor öffnete und hinausging. »Man hat mich verbannt.«
»Es tut mir leid, dass Ihr Schwierigkeiten bekommen habt, aber ich kann nicht sagen, dass es mir leid tut, dass Ihr geht.« Addison schüttelte den Kopf und seufzte. »Vielleicht ist es einfach die Art der Wahrer, Euch wissen zu lassen, dass es an der Zeit ist, diesen Ort zu verlassen.«
Vielleicht, dachte Dalton. Aber tief im Innern seines Herzens glaubte er nicht, dass seine Verbannung irgendetwas mit dem Licht zu tun hatte.
 
Sebastian schleppte sich zurück zum wackligen Tisch und dem Stuhl, den einzigen Möbelstücken im Raum. Keine Kerze oder Öllampe. Die Leisten der Fensterläden ließen ein wenig Tageslicht hinein, aber war die Sonne erst einmal untergegangen, würde in diesem Zimmer schwärzeste Dunkelheit herrschen.
Er stützte sich mit den Händen auf dem Tisch ab, ließ sich auf den Stuhl nieder und wartete, bis er sich kräftig genug fühlte, bevor er nach der Wasserflasche griff - und fragte sich, ob der Hauptmann ihn wohl aus Freundlichkeit mit Wasser versorgt hatte. Er trank einen Schluck, schloss dann die Flasche und stellte sie zur Seite. Mit geschlossenen Augen saß er ganz still da und wartete darauf, dass der Schmerz in seinem Kopf sich legte und wieder zu einem dumpfen Pochen abklang.
Tageslicht, tat das weh! Aber trotz der Beule auf seinem Kopf und dem oberflächlichen Riss, den der erste Schlag hinterlassen und der sein Haar stellenweise mit Blut getränkt hatte, glaubte er nicht, dass er schwer verletzt war. Natürlich hatte er Schmerzen, aber da schien nichts zu sein, was man nicht mit ein wenig Kopfschmerzpulver und Schlaf hätte kurieren können.
Außer dem Gefühl, dass raue Finger leicht an der Innenseite seines Schädels entlang kratzen. Außer den flüsternden Stimmen, die nah genug waren, dass er sie
hören konnte, aber zu weit entfernt, um zu verstehen, was sie sagten - Stimmen, die immer näher zu kommen schienen, wenn sein Geist abschweifte.
Waren Zauberer zu so etwas in der Lage? Sich in einen Geist einzuschleichen? Fanden sie so heraus, ob jemand wirklich unschuldig war? Nicht durch die Fragen, die man der Form halber stellte, sondern durch dieses Eindringen?
Er würde sie nicht für immer fernhalten können. Sein Körper sehnte sich nach Schlaf - und der Schlaf würde ihn den Stimmen schutzlos ausliefern. Das leichte Kratzen würde bald zur Qual werden. Aber noch konnte er bestimmen, was diese Stimmen finden würden, wenn sie schließlich in seinen Verstand eindrangen, und was im Innern seines Herzens verborgen bleiben würde.
Er hätte darauf bestehen sollen, eine Stunde über Koltaks Bitte nachzudenken. Er hätte sich diese Stunde selbst zugestehen sollen, um die Vor- und Nachteile zu erwägen, die es mit sich brachte, den Pfuhl zu verlassen, um die Stadt der Zauberer aufzusuchen. Hätte er das getan, wäre ihm aufgefallen, was ihn an Koltaks Reise in den Pfuhl so beunruhigt hatte.
Koltak hatte ihn als Köder für diese Falle gebraucht, ihn aber nicht
wirklich
finden wollen, denn er hatte es
nie
gemocht, mit ihm zusammen zu sein. Ephemera hatte auf diesen Konflikt in seinem Herzen reagiert und die Reise so schwierig werden lassen.
Das war es, was ihn beunruhigt hatte - die Tatsache, dass Koltak Tage damit zugebracht hatte, den Pfuhl zu suchen. Aber die Worte »um Ephemera zu retten« hatten den Gedanken weggefegt, noch bevor er auftauchen konnte, bevor er stark genug werden konnte, um jeder Beeinflussung zu widerstehen.
Sebastian öffnete die Augen und starrte an die Wand. War es das, was Koltak getan hatte? Seine Entscheidung mit dem Appell beeinflusst, die Welt zu retten? Aber er
hatte dieses Kratzen nicht gespürt, dieses Gefühl, als dränge etwas in ihn ein. Als Koltak davon gesprochen hatte, die Welt zu retten, hatten seine Worte glaubhaft geklungen.
Lügner. Betrüger. Wahrheitsschänder.
Wenn Ephemera wirklich jeder Person gab, was ihr Herz verdiente, so würde Koltak den Lohn für seinen Ehrgeiz erhalten - und es würde ein bitterer Lohn sein.
Jetzt war nicht die Zeit, über Koltak nachzudenken. Solange er konnte, musste er nehmen, was er am meisten liebte und es tief in seinem Herzen verstecken … wo die Zauberer seine Liebe niemals finden würden.
Er wagte nicht, ihren Namen durch seinen Verstand hallen zu lassen, aber er stellte sie sich vor - die blauen Augen, das lockige braune Haar, das ausdrucksstarke Gesicht, das am unschuldigsten aussah, wenn sie versuchte, zu lernen, wie man unanständig war. Wie sie aussah, wenn sie den Catsuit trug. Wie sie sich anfühlte, wenn sie sich liebten.
Sein Häschen, das sich jeden Tag ein wenig mehr in eine Löwin verwandelte.
Einen Augenblick lang konnte er ihre Resonanz in seinem Herzen spüren. Dann verbarg er all seine Erinnerungen, all seine Gefühle für sie.
Glorianna würde nicht kommen, um ihm zu helfen. Er wollte nicht, dass sie kam, um ihm zu helfen. Es stand zu viel auf dem Spiel, um es für den Versuch aufzugeben, einen einzigen Mann zu retten.
Also würden die Zauberer ihn töten.
Doch selbst wenn er starb, würde er seine Liebe von ihnen fernhalten.
Kapitel Dreiundzwanzig
Als sie am Waldrand hinter Sebastians Cottage stand, versuchte Lynnea alle Gedanken zu verbannen, die nicht gut waren, nicht positiv. Mit leichtem Herzen zu reisen. Jetzt war es wichtig, mit leichtem Herzen zu reisen, mehr noch als je zuvor. Obwohl es in einer anderen Landschaft stand, war Nadias Haus nicht weit von hier entfernt, aber um dorthin zu gelangen, musste sie positiv denken. Sie würden die Brücke überqueren, die auf diesem Waldweg lag. Sie würden Nadia finden, Glorianna finden, einen Weg finden, um Sebastian aus den Händen der Zauberer zu befreien.
Und wenn Teaser sich nicht damit beeilte, die Kerze in der Laterne anzuzünden, die er mitgenommen hatte, würde sie einen großen Ast finden - oder einen kleinen Baum ausreißen -, und ihm für jede Minute, die sie dastand und wartete, einen Schlag versetzen.
Nein, nein, nein. So durfte sie nicht denken. Es war vielleicht ein ehrliches Gefühl, aber es würde ihnen nicht dabei helfen, die Brücke zu überqueren.
Reise leichten Herzens. Reise leichten Herzens. Reise -
Endlich! »Fertig?«, fragte sie.
»Ich denke schon.«
Aber er hockte immer noch da, starrte die Kerze an und rührte sich nicht.
Berstend vor Ungeduld und fest davon überzeugt, dass jede Minute, die sie zauderten, ihr Leben auf eine Art verändern würde, die sie sich nicht vorstellen wollte, öffnete
sie den Mund, um ihn anzuschreien. Dann fiel ihr Blick auf sein Gesicht.
»Hast du Angst davor, die Brücke zu überqueren?«, fragte sie.
»Vielleicht«, murmelte Teaser. Er sprang auf. »In Ordnung, ich habe Angst.«
Die hatte er. Und das schon, wie sie plötzlich erkannte, seit er gesagt hatte, er würde sie begleiten. »Aber du bist bereits in Landschaften des Tageslichts gewesen, wenn du...« Sie verstummte, weil sie sich nicht so fühlte, als sei sie Löwin genug, um über die Dinge zu sprechen, die Teaser mit Frauen anstellte, selbst wenn sie und Sebastian das Gleiche taten. »Und du kennst Nadia bereits.«
»Das hier ist was anderes.« Teaser trat von einem Fuß auf den anderen, blickte zu Boden, in die Bäume, überall hin, nur nicht zu ihr. »Was, wenn ich nicht in eine Landschaft übertreten kann, die Sebastians Tante gehört? Was, wenn sich etwas verändert, wenn ich mit dir zusammen gehe, und wir an einem anderen Ort landen … an einem schlechten Ort?«
»Das ist eine feste Brücke, die nur aus dem Pfuhl nach Aurora führt. Das hat Nadia mir gesagt.« Sie hatte es ihr mehr als ausführlich erklärt, bevor Sebastian und sie Nadias Haus verlassen hatten.
»Sogar feste Brücken bringen einen nicht immer an den Ort, an den man will«, wandte Teaser ein. »Nicht, wenn man die Resonanz der Landschaft nicht in sich trägt.«
»Du musst nicht mit mir kommen«, sagte Lynnea sanft. »Die Brücke ist nicht weit entfernt. Ich passe schon auf mich auf.«
Er schüttelte den Kopf. »Du kannst nicht alleine gehen.«
Sie fühlte sich, als hätte sie den Versuch unternommen, sich durch eine Öffnung zu quetschen und sei dabei stecken geblieben. Er würde sie nicht alleine gehen
lassen, und er hatte Angst, sie zu begleiten. Sie hatte noch nie eine Brücke überquert - zumindest keine, an die sie sich erinnerte -, bis Ewan sie am Straßenrand ausgesetzt hatte, statt sie zur Schule der Landschafferinnen zu bringen. Aber sie wusste, dass feste Brücken nur in ein paar bestimmte Landschaften führten, also konnte man selbst dann, wenn man nicht in der Landschaft landete, in die man wollte, meist an den Ort zurückkehren, an dem man losgegangen war. Resonanzbrücken dagegen bargen die Möglichkeit,
irgendwo
zu landen, und nur die geheimen Ecken des eigenen Herzens wussten, wo man enden würde. Und selbst wenn man sich sofort umdrehte und die Brücke erneut überquerte, war es nicht wahrscheinlich, dass man sich in der Landschaft wiederfand, die man gerade verlassen hatte.
BOOK: Sebastian
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