In einem Geschäft, wo er einmal gearbeitet hatte, wurde er von seinen Kollegen schikaniert. Er forderte einen von ihnen auf, herzukommen, wenn er den Mut dazu habe. Er packte den Mann, hob ihn hoch und schleuderte ihn in einen Stapel Pappschachteln.
War der Mann kräftig genug, um tote Studentinnen in Santa Rosa über irgendein Geländer oder einen Zaun hinweg in die Büsche zu werfen?
In der Navy hatte Starr eine Ausbildung in Verschlüsselungstechnik erhalten und war als Telegrafist und Segelmacher tätig gewesen. Trotz seines Gewichts und seiner Probleme mit dem Blutdruck gab er sein Hobby, das Sporttauchen, nicht auf.
Als er wegen Kindesmissbrauchs eingesperrt wurde und gegen Kaution freikam, erzählte er seinen Freunden, dass er im Gefängnis war, weil er der Zodiac sei.
Während des Prozesses versuchte er, Druck auf den Assistenten des Sheriffs auszuüben, der gegen ihn aussagte, indem er immer wieder abends beim Haus des Mannes auftauchte und nicht mehr wegging. Schließlich kam der Cop heraus und jagte ihn fort.
Als Starr verurteilt wurde, kam die Polizei zu ihm nach Hause und wurde von seiner Mutter hereingelassen. Sie fanden ihn in seinem Kellerraum, wo er unter wilden Schreien seine Backenhörnchen auf sich herumklettern ließ, bis ihm »der Tiermist von den Schultern tropfte.«
In der Zeit, als er in Haft war, schrieb Starr an seine Freunde, dass er hoffe, Zodiac möge einen weiteren Mord begehen oder einen Brief an die Zeitungen schreiben. »Damit würde ich als Verdächtiger ausscheiden.«
Nach seiner Entlassung im Jahr 1978 wurde Starr überredet, verschiedene psychiatrische Tests bei einem Psychologen in Santa Rosa, Dr. Thomas Rykoff (Name geändert), durchzuführen. Aus meiner Quelle erfuhr ich, dass der Psychologe zu folgendem Schluss gekommen sei: »Starr ist extrem gefährlich. Er ist ein Soziopath (er verspürt keinerlei Schuldgefühle). Er ist hochintelligent und unfähig, mit Frauen normal umzugehen.« Auffällig war auch, dass Starr geweint habe, als er von Zodiac sprach. Dr. Rykoff hatte das Gefühl, dass Starr »einen tief sitzenden Hass unterdrückt.«
In der Zeit, als er mit Starr arbeitete, war der Psychologe auch mit der Organisation einer Rehabilitationsgruppe zur sozialen Orientierung beschäftigt; in diesem Zusammenhang hypnotisierte er eines Tages eine junge Frau. Als die Frau ihm immer mehr über die dunkle Seite ihres Schwagers erzählte, fiel Rykoff plötzlich auf, dass ihm die Person, von der die Frau sprach, beängstigend vertraut war. »Ist das möglich?«, dachte sich Rykoff. »Das klingt hundertprozentig nach Starr.«
Rykoff schwieg jedoch, obwohl es sich bei der Frau tatsächlich um Starrs Schwägerin handelte. Der Psychologe fragte sich, ob das alles ein Zufall war. Zuerst hatte er sich mit Starr beschäftigt, weil ihn Lieutenant Husted und Starrs Parole Officer darum gebeten hatten, und nun tauchte auch noch die Schwägerin des Patienten auf und sprach über den Verdacht, den sie ihm gegenüber hegte. Dieser Robert Starr wurde dem Psychologen immer unheimlicher, und er wollte herausfinden, wer der Mann war und warum sich so viele Leute für ihn interessierten.
Am 1. November 1978 bat Rykoff seinen Bruder, einen Polizisten in San Francisco, sich nach Starrs Hintergrund zu erkundigen und festzustellen, wessen man den Mann verdächtigte. Am nächsten Abend erhielt Rykoff einen Anruf von seinem Bruder.
»Und so erfuhr ich, dass er einer der Hauptverdächtigen im Zodiac-Fall war«, erzählte Rykoff.
»Oh, Mist,« stieß der Psychologe hervor, als er die Nachricht von seinem Bruder erhielt. »Sieh zu, dass du mehr über den Mann herausfindest, damit ich weiß, wie ich mit ihm umgehen soll.«
Was er daraufhin erfuhr, war alles andere als beruhigend.
»Wir hatten schon damals das Gefühl, dass Starr der heißeste Verdächtige war«, teilte Toschi dem Bruder des Psychologen mit. »Wir mussten ihn aber in Ruhe lassen, weil wir einfach keine handfesten Beweise gegen ihn hatten. Glauben Sie mir, wir haben wirklich alles versucht. Mein Gefühl sagt mir, dass er es ist. Sagen Sie Dr. Rykoff, dass er nur an einem Ort mit dem Mann sprechen soll, von wo er schnell verschwinden kann, wenn es sein muss. Er soll ihm nicht zu nahe kommen, und vor allem soll er ihn nicht reizen.«
Rykoff unterhielt sich erneut mit Starrs Schwägerin Sheila und versetzte sie am 15. November zusammen mit Husted in Hypnose. Als sie sich an einige Zeilen von merkwürdigen Symbolen erinnerte, die sie 1969 auf einem Blatt Papier gesehen hatte, das Starr in der Hand hielt, forderte Husted sie auf, die Zeichen aufzuschreiben. Langsam schrieb sie daraufhin vier Zeilen von Symbolen nieder, die eine starke Ähnlichkeit mit der dritten Zeile der 340 Zeichen umfassenden verschlüsselten Botschaft des Zodiac hatten. Als die Frau im Laufe der Hypnosesitzung immer mehr von Starr enthüllte, begann sie am ganzen Leib zu zittern. Schließlich sah sich Rykoff gezwungen, sie aus der Hypnose zu wecken.
Rykoff und Starrs Schwägerin waren nicht die Einzigen, die Angst vor dem Mann hatten. Auch seine eigene Mutter schien ihn zu fürchten. Sie lebte mit ihrem Sohn unter einem Dach, doch sie war fast ständig auf Reisen durch die USA und Europa. Tat sie das etwa, um ihm fern zu sein? Sowohl der Parole Officer als auch seine Schwägerin hegten diesen Verdacht.
Dem Parole Officer, unter dessen Schutzaufsicht Starr stand, fiel auf, dass der Mann meist eine altmodische Hose mit Bügelfalte trug. Zu der Zeit, als der Beamte herausfand, dass sein Schützling einer der Hauptverdächtigen im Zodiac-Fall war, sah er einmal aus dem Fenster seiner Wohnung in Bodega und sah den Studenten unten am Swimmingpool der Anlage stehen. Starr blickte lächelnd zu seinem Fenster herauf und hielt ein kleines Mädchen an der Hand. Es gab keinen Grund, warum der Mann hätte hier sein sollen; er wirkte wie ein Fremdkörper unter den jungen Leuten am Pool. Die Hand des Mädchens hatte er wohl nur genommen, um mitten unter den jungen Familien nicht aufzufallen.
Eines Tages fuhren zwei Polizisten zu dem Platz, an dem ein Mörder mehrere Leichen von Studentinnen aus Santa Rosa deponiert hatte. Zu ihrer Verblüffung sahen sie, wie ihnen Starr auf der Sully Road entgegenkam, offensichtlich aus der Umgebung des Fundorts kommend. Den staunenden Polizisten erzählte er, dass er hier unterwegs sei, um tauchen zu gehen.
Mittwoch, 12. März 1980
An diesem Abend beobachtete ich Starr erneut an seinem Arbeitsplatz. Einmal stand ich praktisch direkt neben ihm und hörte zu, wie er mit seiner leisen Stimme mit einem Kunden sprach. Er machte wirklich einen überaus kräftigen Eindruck, hatte aber auch einen gewissen Bauchansatz, so wie ich es aus den Beschreibungen des Zodiac kannte.
Starr trug einen roten Mantel mit einem Schild auf der linken Brusttasche, auf dem »Bob« stand. Er hatte zuvor im hinteren Bereich des Geschäfts gearbeitet, doch jetzt hielt er sich fast nur noch in der Nähe des Schaufensters auf. An der Wand sah ich ein Schild hängen, das mit Filzstift beschrieben war. Die Handschrift erinnerte mich stark an die Zodiac-Briefe.
Später knipste ich noch von der anderen Straßenseite aus ein paar Fotos von Starr, als er den Kopf vom Schaufenster abgewandt hatte. Ich fürchtete, dass er mich sehen könnte. Um 17.15 Uhr fuhr ich weg und machte einige Aufnahmen von Starrs Haus, bevor ich wieder zum Geschäft zurückfuhr.
Ich nahm mir vor, ein Foto von Starr zu knipsen, als er das Geschäft verließ. Um 18.30 Uhr kam er schließlich heraus, überquerte die Straße und ging weiter in meine Richtung. Ich wich ein paar Schritte zurück und wartete darauf, dass er an mir vorbeiging. Doch er kam nicht.
Mir wurde klar, dass er an diesem Abend wohl nicht zu Fuß nach Hause ging. Er musste mit dem Wagen zur Arbeit gefahren sein. Ich lief zu meinem VW und setzte mich rasch ans Lenkrad - doch ich konnte Starr nirgends sehen. Ich ließ den Motor an, schaltete das Licht ein und wollte schon losfahren, als das VW-Coupé, das hinter mir geparkt war, plötzlich gestartet wurde und ohne Licht auf die dunkle Straße hinausfuhr. Der Wagen war hinter einem riesigen Baum verborgen gewesen. Als er langsam an mir vorbeifuhr, blickte der Fahrer zu mir herüber. Es war Starr.
Er bog an der nächsten Ecke ab und fuhr in östlicher Richtung weiter. Ich wartete einen Augenblick, schaltete das Licht aus und folgte ihm. Er fuhr ganz bestimmt nicht nach Hause.
Nach drei Blocks hielt er an, und ich stellte meinen Wagen einen Block von ihm entfernt ab und ging auf ihn zu. Als ich nahe genug war, um ihn in der Dunkelheit erkennen zu können, blickte er sich um, wie um sich zu vergewissern, dass ihn niemand beobachtete.
Dann eilte er zu einem anderen Auto hinüber, stieg ein und brauste davon. Als ich meinen Wagen erreicht hatte, war er längst verschwunden.
Ich hatte eigentlich herausfinden wollen, wo er seine Wohnwagen stehen hatte und wo er sich abends herumtrieb. Warum hatte er das Auto gewechselt? Hatte er den Verdacht, dass er verfolgt wurde? Wenn ich ihm das nächste Mal folgen wollte, würde ich einen anderen Wagen nehmen müssen.
Selbst wenn Starr nicht der Zodiac-Killer war, ging der Mann offenbar eigenartigen Tätigkeiten nach, bei denen er nicht gesehen werden wollte.
Freitag, 14. März 1980
Lieutenant Husted kaufte seiner Tochter gerade ein Pony. Ich stand etwa dreißig Meter entfernt an dem Stacheldrahtzaun und sah ihm zu. Es war ein stürmischer Tag; am Himmel zogen dunkle Wolken herauf, und das Gras wiegte sich im Wind.
Husted glaubte, dass Zodiac für die Mordserie an den Studentinnen aus Santa Rosa verantwortlich war. An diesem Nachmittag hatte er mir eine zweiseitige Liste der Opfer gezeigt.
»Es gibt da so einiges, was ich Ihnen nicht gesagt habe und auch nicht sagen kann«, verriet er mir. »Etwas anderes wäre es, wenn Sie offiziell an der Mitarbeit beteiligt wären - dann könnte ich Ihnen viel mehr erzählen. Wir brauchen dringend mehr Informationen, damit wir einen Durchsuchungsbefehl bekommen. Ich möchte noch einmal einige der Zeugen in Hypnose versetzen, und wenn Sie als Polizeizeichner dabei wären, könnten wir ein gutes Phantombild zustande bringen. Für Ihr Buch wäre das, nebenbei bemerkt, auch nicht schlecht.«
»Von mir aus sehr gern«, antwortete ich.
»Starr hat einen Freund, von dem ich Ihnen noch nichts gesagt habe«, fuhr Husted fort. »Ihm hat er offenbar anvertraut, dass er der Zodiac-Killer ist. Er hat ihm auch Einzelheiten über die Morde erzählt.« An diesem Punkt muss man natürlich einwenden, dass ein solches »Geständnis« noch nicht automatisch bedeutet, dass Starr die Morde tatsächlich begangen haben muss. Falsche Geständnisse kommen in Mordfällen immer wieder vor.
»Ich würde diesen Freund gern unter Hypnose befragen«, fuhr Husted fort. »Und Starrs Schwägerin genauso. Und natürlich Kathleen Johns, falls wir sie jemals finden. Haben Sie schon herausgefunden, wo Sie steckt?«
»Sie hat bis Dezember in Riverside gelebt. Ich habe die Adresse, aber sie ist nicht mehr aktuell. Mein Brief ist mit dem Vermerk ›Unbekannt verzogen‹ zurückgekommen.«
Ich hatte Husted zuvor bereits erzählt, dass ich auf der Suche nach Starrs Wohnwagen war.
»Ich glaube, wir wissen jetzt, wo einer von ihnen steht, aber ich glaube nicht, dass wir dort etwas finden werden«, berichtete Husted. »Ich glaube, dass er irgendwelche Beweisstücke am ehesten im Keller aufbewahren würde. Der Kerl ist Tischler; er ist geschickt mit seinen Händen. Ich würde in seinem Keller nach irgendeinem verborgenen Raum suchen. Dort würden wir möglicherweise die blutigen Kleider, die Schlüssel und vielleicht sogar Fotos finden.
Ich glaube, Starr hat sich ein Plätzchen gezimmert, wo er seine Verbrechen in Gedanken immer wieder durchlebt.«
Sonntag, 20. April 1980
Während der Fahrt auf dem Highway 101 nach Santa Rosa versuchte ich mir vorzustellen, wie es der Mörder der Studentinnen angestellt haben mochte, die jungen Frauen aufzugabeln. Die meisten von ihnen stellten sich in die Mendocino Avenue oder an eine Tankstelle in der College Avenue, wo sie immer jemanden fanden, der sie mitnahm. Ich vermutete deshalb, dass der Mörder, um eine Anhalterin ins Auto zu bekommen, ebenfalls in Santa Rosa gewesen sein musste.
Die Opfer wurden an der Franz Valley Road gefunden, zwischen 12 und 14 Kilometer von Santa Rosa entfernt. Ich fragte mich, wie es der Mörder auf der relativ kurzen Strecke angestellt hatte, seine Opfer zu erdrosseln, in einigen Fällen sogar ziemlich sorgfältig zu fesseln und dann auf der schmalen gewundenen Straße anzuhalten und sie in einen Graben zu werfen - und dabei zu riskieren, von einem vorbeikommenden Fahrer gesehen zu werden. Drei der Opfer waren mit Strychnin vergiftet worden, was die Frage aufwarf, wie der Mörder die Frauen dazu gebracht hatte, das Gift zu schlucken, bevor er in die Franz Valley Road kam. Er musste wohl irgendeinen Platz gehabt haben, wo er die Opfer zumindest für kurze Zeit hinbringen konnte. Ich war mir sicher, dass der Täter in Santa Rosa gewohnt haben musste oder wenigstens irgendeine Unterkunft dort hatte.
Starr hatte, wie ich wusste, einen Wohnwagen in Santa Rosa stehen.
Ich fuhr im strömenden Regen die Mark West Springs Road entlang, bis ich zu einer Gabelung kam. Zu meiner Linken verlief die Franz Valley Road, zu meiner Rechten die Porter Creek Road. An beiden Straßen hatte man Leichen gefunden; ich musste an die Zodiac-Morde in der Lake Herman Road und in Blue Rock Springs denken. In beiden Fällen war der Mörder zu einer Straßengabelung gelangt; einmal hatte er sich auf der Suche nach Opfern nach links gewandt, das andere Mal nach rechts.
Ich folgte der Franz Valley Road, bis ich in die Gegend kam, in der man sieben Leichen gefunden hatte, und stellte meinen kleinen Wagen an der Straße ab. Dann arbeitete ich mich zwischen Bäumen und Büschen hindurch die Schlucht hinunter. Der Mörder musste ungeheuer kräftig gewesen sein, um die Leichen über den Zaun und das Buschwerk hinweg in die Schlucht zu werfen.
Völlig durchnässt ging ich zum Wagen zurück und fuhr bis ans Ende der Franz Valley Road, wo ich feststellte, dass der Mörder selbst dann, wenn er bei der Gabelung der Porter Creek Road gefolgt wäre, bei Calistoga wieder in die Franz Valley Road gekommen wäre. Da wurde mir auch bewusst, wie nahe ich dem Pacific Union College in Angwin war - jenem College, an dem Cecelia Shepard und Bryan Hartnell studiert hatten.
Freitag, 25. April 1980
Als ich nach Santa Rosa fuhr, dachte ich an Dean Ferrin und an die seltsamen Anrufe, die er bekommen hatte, nachdem seine Frau ermordet worden war.