Zodiac (47 page)

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Authors: Robert Graysmith

Tags: #True Crime, #Murder, #Serial Killers

BOOK: Zodiac
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»Und was ist mit Bob?«, fragte ich weiter.

»Bob? Oh, Bob Starr. Ich habe mich mehrmals ziemlich ausführlich mit ihm unterhalten. Er ist Sporttaucher und war angeblich zur Tatzeit in Bodega Bay. An jenem vierten Juli 1969 war er mit drei oder vier Freunden unterwegs, sagt er.«

»Wann haben Sie mit ihm gesprochen? 1971?«

»Nein, schon viel früher. Einen oder zwei Monate nach dem Mord. Ich weiß gar nicht, wie ich überhaupt auf ihn gekommen bin. Er ist ein ziemlich kräftiger Bursche. Haben Sie ihn schon mal gesehen?«

»Er ist heute sogar noch stämmiger als damals«, antwortete ich. »Husted hält ihn für einen ganz heißen Tipp.«

»Ich nicht. Ich war mir sicher, dass er es nicht war. Als ich ihn sah, sagte mir irgendwas sofort, dass er nicht der Zodiac ist. Ich habe mich ungefähr eine Stunde mit ihm unterhalten. Ich habe seinen Wagen überprüft - eine ziemlich alte Kiste, die überhaupt keine Ähnlichkeit hatte mit dem …«

»Er hatte immer schon mehrere Autos«, warf ich ein. »Heute sind es vier.«

»Oh, das habe ich nicht gewusst«, räumte Lynch ein.

Ich dachte mir, dass für ihn Starr deshalb nicht als Täter infrage kam, weil er einfach nicht seiner Vorstellung von dem Mörder entsprach.

Lynchs Nachfolger machten sich nicht einmal die Mühe, noch einmal zurückzublicken und jene Verdächtigen zu überprüfen, die Lynch
ad acta
gelegt hatte.

 

Sonntag, 29. März 1981

 

Sheriff Al Howenstein wusste nicht mehr, wo ihm der Kopf stand. In zwei Jahren hatte er bei seiner Suche nach dem berüchtigten »Trailside Killer« über zweitausend Verdächtige angehäuft. Dieser Mörder hatte die steilen Wanderwege im Marin County heimgesucht und sieben junge Frauen erschossen oder erstochen, nachdem er zuvor allem Anschein nach irgendein sexuell motiviertes Ritual vollzogen haben dürfte und in einigen Fällen sein Opfer tatsächlich vergewaltigt hatte. Seltsamerweise passierten die meisten dieser Verbrechen an Feiertagen.

Die Opfer des Trailside Killers waren:

Edda Kane (44), mit zwei Kugeln Kaliber 44 in den Hinterkopf getötet.

Barbara Schwartz (23), mit einem Fleischermesser erstochen, das zusammen mit der blutbefleckten Bifokal-Hornbrille des Mörders gefunden wurde.

Anne Evelyn Alderson (26), mit einer großkalibrigen Waffe erschossen.

Diane O’Connell (22) und Shauna May (23), beide durch Kopfschuss förmlich hingerichtet.

Während der Suche nach O’Connell und May wurden die stark verwesten und voll angekleideten Leichen von Cynthia Moreland (18) und Richard Stowers (19) gefunden, die beide einen Monat vorher durch Kopfschuss ermordet worden waren. Die Polizei kam zu dem Schluss, dass der Täter mit den Morden an May und O’Connell offenbar auf seine früheren Verbrechen aufmerksam machen wollte.

 
 

Heute hatte es zwei weitere Opfer gegeben, rund einhundertfünfzig Kilometer vom Tatort des letzten Trailside-Mordes entfernt: Ellen Marie Hansen (20), die sofort tot war, und Steven Russell Haertle (20), der schwer verletzt überlebte. Die beiden jungen Leute hatten sich in den Bergen oberhalb von Santa Cruz aufgehalten.

Nach der Operation beschrieb Haertle den Täter in allen Einzelheiten, sodass ein brauchbares Phantombild angefertigt werden konnte. Der Mörder war fünfundvierzig bis fünfundfünfzig Jahre alt, etwa einen Meter fünfundsiebzig groß und etwa achtzig Kilo schwer. Er hatte kurz geschnittenes graues Haar, braune Augen und trug eine dunkle Hornbrille. Der Mann sprach »langsam und bedächtig« und hatte sehr saubere Hände. Er war mit einer blauen Levis-Schlaghose, weißen Laufschuhen, einer goldfarbenen Nylon-Windjacke mit der Aufschrift »Olympic Drinking Team, Montana« auf dem Rücken und einer grünen Baseballmütze bekleidet. Er hatte schiefe gelbe Zähne. Einige Zeugen sahen, wie der Mörder zu Fuß floh, die Brille abnahm und mit einem roten »ausländischen Wagen« davonbrauste.

Stowers, Moreland, O’Connell, May, Alderson und Hansen wurden alle mit einer Kugel vom Kaliber 38 ermordet. Die Ermittler gingen davon aus, dass der Mord von Santa Cruz ebenfalls das Werk des Trailside-Killers aus dem Marine County war.

Dieser Trailside-Killer erinnerte mich natürlich stark an Zodiac.

Husted ermöglichte der Polizei von Santa Cruz am 2. April den Zugang zu Starrs Akte. Am nächsten Tag wurde im Fernsehen verkündet, dass es sich aufgrund der Ähnlichkeiten der Phantombilder bei dem Trailside-Killer auch um Zodiac handeln könnte.

Schließlich wurde David Carpenter als Trailside-Killer verhaftet und verurteilt. Er war auch einer der Verdächtigen im Zodiac-Fall, doch Toschi und Husted waren aufgrund von Handschriftenproben und Fingerabdrücken zu dem Schluss gekommen, dass er nicht der Gesuchte sein konnte. Es stellte sich außerdem heraus, dass er zum Zeitpunkt von drei Zodiac-Morden im Gefängnis war.

 

Freitag, 15. Mai 1981

 

»Wir haben unsere gesamten Zodiac-Unterlagen nach Sacramento geschickt«, teilte mir Toschi niedergeschlagen und wütend mit. »Die zuständigen Stellen haben offenbar beschlossen, die Zodiac-Ermittlungen vom Justizministerium koordinieren zu lassen. Ich habe gehofft, dass Lieutenant Jack Jordan von der Mordkommission wenigstens bestimmte Teile der Ermittlungen weiterführen würde. Sie wollten sich nie ernsthaft mit dem Zodiac abgeben, weil eine Menge Arbeit damit verbunden ist. Deasy persönlich hat alles nach Sacramento geschickt. Er hat sich überhaupt nicht näher mit dem Fall beschäftigt«, klagte Toschi verbittert, »und jetzt haben sie sogar Kopien unserer latenten Abdrücke vom Taxi ans Justizministerium geschickt.

Ein Beamter des Bundesstaats wird die Sache koordinieren. Was er dabei anstellt, weiß eigentlich keiner. Das Ganze ist wirklich ein Trauerspiel, eine Schande. Wir haben überhaupt keine Unterlagen mehr hier«, fügte er kopfschüttelnd hinzu. »Morrills Berichte über die Handschriften, die Berichte über die Fingerabdrücke - alles haben sie nach Sacramento geschickt. Ich halte es für einen schweren Fehler, dass wir gar nichts behalten haben.

Wenn ich an die vielen Arbeitsstunden denke, an die Monate und Jahre, die wir aufgewendet haben, um all das Material über die Verdächtigen zu sammeln! Wenn mich jemand gefragt hat: ›Toschi, was zum Teufel unternehmen Sie eigentlich in dem verdammten Zodiac-Fall?‹, dann konnte ich auf meine Schränke zeigen und in das verblüffte Gesicht des Betreffenden blicken. Wenn mich jetzt jemand danach fragt, kann ich nur noch einen Umschlag vorweisen, der in der Schublade für ungelöste Mordfälle aus dem Jahr 1969 liegt. Das sieht ziemlich mickrig aus. Jetzt muss irgend so ein armer Teufel, der keine Ahnung von Zodiac hat, die Ermittlungen leiten.«

Toschi stand auf und trat ans Fenster. »Wie können wir erwarten, dass der arme Kerl weiß, was er tun soll. Das ist schon traurig, sehr traurig. Jetzt werden sie ihn nie schnappen«, fügte er deprimiert hinzu.

 
 

Nachdem der Zodiac-Fall an das Justizministerium übergeben worden war, begann ich mit einem Informanten zusammenzuarbeiten, den ich dort kannte.

 

Dienstag, 18. Juni 1981

 

»Es gibt ein paar interessante Spuren«, erfuhr ich von meinem Informanten im Justizministerium, »ein paar ganz neue Leute und einige alte Namen. Trotzdem glauben irgendwie alle, dass es dieser Kerl ist, der damals in Vallejo gelebt hat.«

»Ja, Starr. Er ist schon ein interessanter Typ«, stimmte ich ihm zu.

»Ich habe gehört, Sie beschäftigen sich auch mit ihm. Wie gesagt, alle denken, er ist es … aber ich weiß nicht, ob wir da nicht völlig falsch liegen. Nichts, was wir gegen ihn in der Hand haben, beweist, dass er mehr ist als nur ein ganz gewöhnlicher Verrückter. Ich habe alle Unterlagen aus San Francisco bekommen. Alles scheint sich auf diesen Fingerabdruck an Stines Taxi zu konzentrieren«, verriet er mir.

»Glauben Sie, dass es sich um Zodiacs Abdruck handelt?«, fragte ich.

»Das weiß ich nicht. Wie Sie wissen, haben die Zeugen ausgesagt, dass er mit einem Lappen über verschiedene Stellen am Taxi gewischt hat, um eventuelle Fingerabdrücke zu entfernen. Ich habe mir kürzlich die Handschrift genauer angesehen. Wir haben da einen Tipp aus einer Stadt in der Bay Area bekommen. Ich bin gerade dabei, den Kerl zu überprüfen.«

»Sie sprechen nicht zufällig von Santa Rosa?«

»Woher wissen Sie das?«

»Dort lebt Starr zurzeit.«

»Wie ich schon sagte, Robert, ich bekomme so viele komische Anrufe über diesen Starr herein, dass ich den Fall jetzt erst einmal genauer studieren muss.«

Er erzählte mir von einem neuen Verdächtigen aus Montana, der im Marine County gelebt hatte. Der Mann hatte sich in Kalifornien jedenfalls noch nichts zuschulden kommen lassen. »Einer der Handschriftenexperten, Prouty, hat angedeutet, dass es durchaus Übereinstimmungen zwischen der Handschrift dieses Mannes und der aus den Zodiac-Briefen gäbe. Aber nicht genug, um wirklich zu sagen, dass das unser Mann ist. Der Experte meint, dass man dazu weitere Proben bräuchte.«

Mir wurde plötzlich klar, dass dieser »neue« Verdächtige niemand anders als Don Andrews sein konnte. Mein Informant war im Begriff, eine Menge Arbeit zu leisten, die bereits getan worden war. Es war immerhin erfreulich, dass Prouty die Auffassung von Morrill teilte, der ja bereits festgestellt hatte, dass Andrews’ Handschrift auf dem Kinoplakat große Ähnlichkeit mit der Handschrift der Zodiac-Briefe zeigte.

»Nun, es könnte durchaus sein, dass Starr der Mann ist, den wir suchen«, fuhr er fort. »Ich sage ganz sicher nicht, dass er es nicht ist. Starr sitzt häufig in Bibliotheken und liest Bücher über Verbrechen an Frauen. Er genießt es irgendwie, seine Freunde damit zu schockieren, dass er immer wieder andeutet, der Zodiac-Killer zu sein. Jeder Ermittler, mit dem ich bisher gesprochen habe, denkt, dass er es ist.«

»Ich möchte Ihnen etwas zu lesen geben«,warf ich ein. »Ich werde Ihnen einiges von dem schicken, was ich über Starr erfahren habe.«

»Sehr gut. Eine Hand wäscht die andere, wie man so sagt. Wenn ich etwas herausfinde, das Sie interessieren könnte, lasse ich es Sie wissen.«

 
 

Da ich schon einmal in Sacramento war, schaute ich auch kurz bei Sherwood Morrill vorbei, der nun im Ruhestand mindestens genauso beschäftigt war wie vorher. Ich hatte einige Briefe von Wallace Penny mitgebracht, die Morrill und ich nun mit der Zodiac-Handschrift verglichen. Wir sahen absolut keine Übereinstimmung.

»Ich sage Ihnen, Robert, das Ganze treibt schon seltsame Blüten. Es gibt da ein paar Leute aus San Francisco, die mich schon seit Jahren anrufen und mir einreden wollen, dass ein reicher Banker aus der Gegend, wo Stine ermordet wurde, der Zodiac sei. Sie sind sogar in seinen Garten eingedrungen, haben seine Mülleimer geklaut und hier bei mir im Garten abgeladen. Sie haben in seinem Abfall gewühlt, um irgendwelche Briefe oder Rechnungen mit seiner Handschrift zu finden. Ich habe nur den Kopf geschüttelt und bin ins Haus gegangen«, fügte Morrill seufzend hinzu.

 

Mittwoch, 6. Januar 1982

 

Die Jahre der Frustration blieben für Toschi nicht ohne Folgen. Als er an diesem Abend aufstand, um sich in der Küche ein Glas Milch zu holen, brach er plötzlich vor Schmerz zusammen. Carol rief einen Krankenwagen, und Toschi wurde mit schweren inneren Blutungen ins Krankenhaus gebracht.

Als er wieder nach Hause kam, kehrten seine Gedanken sofort wieder zu dem Fall zurück, der ihn seit so vielen Jahren beschäftigte.

 

Mittwoch, 3. August 1983

 

Nachdem ich monatelang vergeblich versucht hatte, Andrews zu finden, wurde mir ganz plötzlich klar, wo ich ihn zu suchen hatte. Meine Ahnung war so stark, dass ich mich nicht einmal beeilte, als ich zum Telefon hinüberging. Ich erinnerte mich an mein Gespräch mit Narlow, in dem er mir mitteilte, dass Andrews auch unter dem Decknamen Hansen auftrat. »Sehen Sie«, hatte Narlow gesagt, »hier gibt er als Beruf Maschinenbauer an. Walt Hansen und Don Andrews - das ist ein und derselbe Mann.«

In den Gelben Seiten für San Francisco fand ich unter »Maschinenbau« folgenden Eintrag: »Andrew Donaldson« (Name geändert).

Ich bat eine Freundin von mir, unter der angegebenen Nummer anzurufen, und sie rief mich wenig später zurück.

»Ich hatte ein langes Gespräch mit ihm«, berichtete sie, »nachdem ich ihm mitgeteilt hatte, dass ich ihn eventuell für eine Reparatur bräuchte. Er sagte unter anderem, dass er nie in Südkalifornien gewesen sei, außer einmal in San Diego. Ich erzählte ihm, dass ich in Riverside studiert hätte, und er sagte darauf, dass er die Stadt nicht kennen würde. Er hat mir auch verraten, dass er die Reparaturarbeiten nur nebenbei mache. Besonders interessant fand ich, wie er mir die Tatsache erklärt hat, dass nur seine Telefonnummer, nicht aber die Adresse im Telefonbuch steht. ›Wer mich kennt, weiß schon, dass ich es bin‹, hat er gesagt. Wir haben vereinbart, dass ich morgen noch einmal anrufe, um die Adresse zu bekommen und einen Termin zu vereinbaren. Ist er der, den du suchst?«

»Es sieht ganz danach aus. Wenn du die Adresse hast, werden wir ihm einmal einen Besuch abstatten.«

 

Donnerstag, 4. August 1983

 

Der Mann, der mir die Tür öffnete, war ohne jeden Zweifel Don Andrews. Die dunkle Hornbrille war, so wie man mir gesagt hatte, mit einem elastischen Band fixiert.

Wie Narlow mir schon berichtet hatte, war Andrews ein interessanter und intelligenter Gesprächspartner, der, wenn er einmal in Fahrt war, gar nicht mehr aufhörte zu reden. Ich war beeindruckt von der Vielschichtigkeit seiner Persönlichkeit, die sich hinter der Identität verbarg, welche er sich für seine momentane Rolle zugelegt hatte. Bevor ich ihn besuchte, hatte ich mir noch Dons ehemaliges Haus im Hippieviertel Haight angesehen, wo er im Jahr 1969 gelebt hatte - also zu der Zeit, als Darlene nur einen Block entfernt gewohnt hatte.

Als ihm meine Freundin im Laufe des Gesprächs ihren Wagen beschrieb, einen weißen Renault Caravelle, hob er überrascht den Kopf. Er selbst hatte einen solchen Wagen zur Zeit des Verbrechens vom Lake Berryessa gefahren. Ich spürte, dass der Mann augenblicklich misstrauisch wurde. Während sich meine Freundin mit Don darüber unterhielt, dass sie den Wagen am nächsten Morgen zu ihm bringen werde (was sie, wie ich wusste, überhaupt nicht vorhatte), blickte ich mich in der geräumigen Wohnung um, in der jede Menge Filmplakate und Standfotos aus verschiedenen Filmen hingen. Andrews schien sich stark mit Oliver Hardy zu identifizieren. Überall hingen Bilder, die Hardy ohne Stan Laurel zeigten.

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