Read Meat Online

Authors: Joseph D'Lacey

Tags: #Fiction, #Horror, #Thrillers, #Suspense, #Science Fiction, #General, #General Fiction

Meat (38 page)

BOOK: Meat
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Sie hielt am Fenster. Die Männer mit den schwarzen Mänteln erhoben sich hinter dem Pförtner, der das Fenster öffnete und den Kopf heraussteckte.

»Bisschen spät für 'ne Inspektion, meinen Sie nicht auch, Pastorin?«

»Wir leben in gefährlichen Zeiten«, erwiderte sie. »Da ist es niemals zu spät, wachsam zu sein. Ordern Sie bitte eine Eskorte für mich?«

Der Pförtner schüttelte den Kopf.

»Nicht möglich, Pastorin, wir können keinen Mann entbehren.« Er schielte zu den Wachen, die hinter ihm standen, und bemühte sich, dankbar zu klingen. »Magnus hat zwar Männer zur Verstärkung geschickt. Sie bewachen das Werk, während wir arbeiten. Aber auch die kann ich Ihnen nicht zuteilen.«

Pastorin Mary Simonson wollte ohnehin keine Eskorte, sie hatte nur gefragt, um höflich zu sein und das Protokoll nicht zu verletzen. Pastoren waren ermächtigt zu gehen, wohin auch immer sie wollten. Das galt insbesondere für das Gelände der MFP-Fabrik. Aber es war lange her, dass man ihnen das Gefühl vermittelt hatte, hier auch erwünscht zu sein.

»Nun, dann werde ich meine Inspektion alleine absolvieren.«

Ein Anflug von Schwäche übermannte sie, und ihr wurde kurz schwarz vor Augen. Sie streckte eine Hand aus und stützte sich gegen die Wand des Wachhäuschens. Langsam lüftete sich der schwarze Nebel, und die Ohnmacht ließ nach.

»Geht es Ihnen gut, Pastorin?«

Überrascht stellte sie fest, dass der Pförtner aufrichtig besorgt aussah.

»Alles ... in Ordnung. Es ... war eine lange Schicht, das ist alles.«

»Ich kann Ihnen etwas zu essen bringen lassen. Das ist das Mindeste, was ich für Sie tun kann.«

Sie fragte sich, ob sie wohl tatsächlich so blass aussah, wie sie sich beim bloßen Gedanken daran fühlte.

»Das wird nicht nötig sein, aber ich danke Ihnen.«

Sie ging um das geschlossene Tor herum und auf das nächste Gebäude zu. Sie konnte die Blicke von Magnus' Männern in ihrem Rücken spüren, aber sie hatte keine Angst.

 

21

 

Maya Shanti war für Magnus' Geschmack ein wenig zu willig. Er bevorzugte Frauen, die kämpften. Frauen, die sich wehrten und schrien, bevor sie sich ihm unterwarfen. Das Problem war, dass sie es zu sehr wollte. Ihr Mann hatte sie etwas
zu
lange vernachlässigt.

Sie schlief jetzt, nackt, neben ihm, in seinem riesigen Bett. Magnus konnte nicht schlafen. Der Sex hatte ihn nicht befriedigt, und es ging ihm viel zu viel im Kopf herum. Von Shanti gab es immer noch keine Reaktion. Warum war er noch nicht aufgetaucht? War dem Mann so wenig an seiner Familie gelegen? Zumindest seine Frau schien ihn nicht allzu sehr zu kümmern, angesichts der Bereitwilligkeit, mit der sie ihn betrog. Aber was war mit den Mädchen? Machte er sich keine Sorgen darüber, was seinen beiden wunderschönen Zwillingen zustoßen könnte? Bei dem bloßen Gedanken daran, wie er sich der Mädchen annehmen würde, durchströmte ein Prickeln seine Leiste, und sein Schwanz wurde hart.

Er zog die Kordel für die Dienstmädchen. Irgendwo, weit entfernt im Haus, erklang eine Glocke.

Darum bemüht, Maya nicht zu wecken, schlüpfte er aus dem Bett. Der Spaß würde umso größer sein, wenn es eine Überraschung für sie war. Er schlich zur Schlafzimmertüre und wartete draußen auf die Dienstmädchen. Als sie kamen, rieben sich beide immer noch den Schlaf aus den Augen. Sie kannten seine Bedürfnisse und waren allzeit be
reit, ganz gleich, ob Tag oder Nacht, diese zu befriedigen. Es war ihre Pflicht.

Er winkte mit dem Daumen Richtung Schlafzimmer.

»Geht da rein und fesselt sie. Knebelt sie und verbindet ihr die Augen. Macht mit ihr, was immer ihr wollt. Amüsiert euch. Wenn ihr das Gefühl habt, dass es ihr keinen Spaß mehr macht, kommt und holt mich. Dann werden wir uns miteinander beschäftigen. Und zwar, bis es hell wird. Morgen kümmern wir uns dann um die Zwillinge.«

Er schlenderte zur Toilette, zog seine Pyjamahose herunter, setzte sich aufs Klo und zündete sich einen Zigarillo an. Der Rauch vermochte die Ausdünstung seines Stuhls nicht zu übertünchen.

»Was für ein beschissener Gestank«, sagte er.

 

Sie durchquerte die Fabrik in völliger Stille. Ihr nahes Ende verwandelte den Schlachthof in eine Kathedrale der Alpträume.

Im Milchhof mühten sich die Männer, die Kühe zu melken. Da die Kühe nicht mehr automatisch fixiert werden konnten, waren zusätzliche Ketten nötig. Sobald es Schwierigkeiten gab, ließen die Männer ihren Zorn an den Kühen aus. Früher wäre ein derartiger Umgang mit den Auserwählten als schweres Vergehen geahndet worden. Jetzt schien sich niemand mehr daran zu stören. Selbst Mary Simonsons Erscheinen in den Stallungen und Gebäuden der MFP-Fabrik schien keinerlei Effekt auf das Verhalten der Arbeiter zu haben. Früher achteten sie penibel darauf, die religiösen Rituale buchstabengetreu durchzuführen, wenn sie von der Fürsorge beobachtet wurden.

Im Kälbertrakt schliff man die Tiere über den Boden, statt sie zu tragen. Der Stall war erfüllt vom pulsierenden Getrommel und röchelndem, zischendem Atmen. Die
Schlächter schlitzten den Kälbern die Kehlen auf, ohne sie vorher zu betäuben. Als sie einen der Arbeiter deswegen zurechtwies, erwiderte der bloß:

»Tot sind sie so oder so.«

»Aber Sie halten sich nicht an den Kodex des Abdominalp salters .«

Der Mann zuckte mit den Achseln.

»Die Leute müssen essen. Wir müssen sie versorgen. Alles, was zählt, ist das Ergebnis und jetzt, wo es keinen Strom mehr gibt, müssen wir die Prozedur halt etwas verkürzen. Aber glauben Sie mir, Pastorin, es geschieht zu unser aller Wohl.«

Unfähig hinzusehen, war sie gegangen und hatte sie weitermachen lassen.

Im Hauptschlachthaus waren die Bedingungen ein klein wenig besser, aber nur unwesentlich. Die Sammelpferche dienten weiterhin dazu, das Vieh aufzunehmen, wenn es zur Schlachtung angeliefert wurde. Allerdings waren die automatischen Tore des Vereinzelungsgatters und die Beförderungsanlage der Betäubungsgondeln nicht mehr funktionsfähig.

Also wurden die Auserwählten nun von den Sammelpferchen geradewegs zur Tötungsbucht geführt und dort an den Knöcheln aufgezogen. So war es ihnen möglich, sowohl das Blutbad zu sehen, das unter ihresgleichen angerichtet wurde, als auch die baumelnden Körper, die an der Schiene von Hand zu den aufeinanderfolgenden Stationen gezogen wurden. Das hatte es in der Geschichte Abyrnes noch nie gegeben. Sechs Männer hielten jedes Tier am Boden, und zwei weitere waren für das Einbringen des Bolzens zuständig. Der Bolzen bestand nun aus einem spitzen Meißel, der mit einem Vorschlaghammer in den Schädel getrieben wurde. Einige der Prozeduren gingen immer noch
mit den alten Lehren konform. Die Arbeiter richteten die Kreatur mit den Füßen nach Westen ― zur aufgehenden Sonne ― aus, und der Mann mit dem Hammer sprach das Gebet:

»Gott ist allmächtig. Das Fleisch ist heilig.«

Dann betäubte er das Tier.

Ungeübt mit der unhandlichen Ausrüstung verfehlte der Schlächter bei vier Schlägen mindestens einmal den Meißel. Sie sah ein bemitleidenswertes Tier, dem der Bolzen dreimal in den Kopf gehämmert wurde, bevor er seinen Zweck erfüllte. Die Atmosphäre in den Sammelpferchen war ganz anders, als sie es von dort kannte. Die Auserwählten drängelten und rempelten wie eine verängstigte Meute durcheinander. Sie wirkten halb aufgebracht, halb in Panik, angesichts dessen, was sie erwartete. Bisher hatte sie die Tiere nur passiv und sich demütig in ihr Schicksal fügend erlebt. Es schien, als hätten sie den Glauben in die sicheren Hände ihrer Herren verloren. Was sie spürten, war mehr als nur eine Verschlechterung ihrer Bedingungen. Sie spürten einen Bruch in der Vollkommenheit derer, die sie hegten und aufzogen.

Von einer noch entsetzlicheren Übelkeit als schon zuvor übermannt, flüchtete sie zu den Bullenpferchen, wo zumindest kein Blutvergießen stattfand. In der Vergangenheit hatte sie es immer ein wenig genossen, zuzusehen, wie die gewaltigen Männchen durch ihre Gehege stolzierten, im Stroh schliefen oder ihr Futter verschlangen, als hätten sie einen ganzen Monat gehungert. In dem Stall, in welchem sich die Bullenpferche befanden, erblickte sie nur einen einzigen Treiber. Er sah jung aus und wirkte nervös. Viele der Gehege waren verwaist, obwohl der Stall eigentlich hätte voll sein müssen.

»Wo ist der Rest der Tiere?«, fragte sie, denn sie nahm an,
dass man sie zum Weiden rausgelassen hatte oder irgendwo auf die Paarung vorbereitete.

Der verängstigte Viehtreiber schien verlegen. Er war sich offensichtlich im Klaren darüber, dass die Antwort, die er geben würde, keine Gute war.

»Sie schlachten sie.«

»Was? Alle?«

»Ja. Ich meine, natürlich nicht alle auf einmal. Aber schon innerhalb der nächsten Tage.«

Sie linste durch einen Spalt in der Verschalung in ein Gatter und sah einen Bullen, der als BLAU-792 markiert war. Ein außergewöhnliches, geradezu königliches Tier. Dieser Bulle war etwas ganz Besonderes. Sein Bestand gehörte zum Allerbesten und Wertvollsten überhaupt, und sein Ruf reichte weit über die MFP-Mauern hinaus.

»Selbst diesen hier.«

»Ja. Selbst BLAU-792. In der Tat schwer zu glauben.« »Aber warum, um Gottes willen? Wo soll die nächste Generation herkommen?«

»Torrance hat alles genau durchdacht. Wir dezimieren sie jetzt, weil wir niemals mehr die Kapazität haben werden, so viele wie bisher zu verarbeiten. Das Wachstum der Herden ist außer Kontrolle. Wir werden eine neue Generation von Bullen aus dem nach der Ausdünnung verbliebenen Bestand heranziehen, aber nicht mehr so viele wie jetzt. Sollte das Gaswerk jemals wieder in Betrieb genommen werden, können wir ihre Zahl jederzeit erhöhen. Für den Moment jedenfalls werden wir die Reproduktion einstellen oder zumindest stark einschränken.«

Mary Simonson sah den Bullen an, und der Bulle sah sie an. Es war sonderbar. Kein Auserwählter, ganz gleich, ob Bulle, Stier oder Färse, nahm jemals Blickkontakt auf. Der Bulle sah weg. Sofort wurde ihr klar, dass sie es sich nur
eingebildet haben konnte: den Ausdruck von Argwohn und Hass auf dem Gesicht eines Tieres, das immer gut behandelt worden war. Wahrscheinlich besser, als irgendein anderer Auserwählter in der Geschichte der Stadt es jemals wurde. Und es war nicht bloß Argwohn, da war noch etwas anderes. Widerspruch. Das war unmöglich, und sie verbannte die Vorstellung sofort aus ihren Gedanken.

Draußen war es dunkel und auch sehr viel kälter. Aber sie hielt es keinen Augenblick länger in einem geschlossenen Raum aus. Sie zog ihren roten Umhang enger und lief über den Hof in Richtung der Weiden und Außengebäude, wo der Großteil der Auserwählten die Nacht verbrachte. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass sie sich dort wohler fühlen würde, als unter ihresgleichen.

 

22

 

Als es hell wurde, fiel das Licht durch ein Fenster, das zu eng war, als dass ein Mann hindurchkriechen konnte. Selbst ein so dünner Mann wie Richard Shanti.

Er saß mit dem Rücken gegen eine Wand gelehnt. Als das graue Licht an Intensität zunahm, sah er, dass sämtliche Wände weiß waren. Weiß und schmutzig. Voller Schmieren und Flecken: rostrote Schlieren und Spritzer, leicht zuzuordnen. Der Raum war vollkommen nackt. Kein Stuhl, kein Bett, kein Waschbecken. Die Tür war uralt und hölzern, in der Form eines spitz zu laufenden Bogens, der Firnis vom Gebrauch abgenutzt. Auf der Innenseite gab es keinen Türgriff, bloß eine verkratzte Metallplatte, die das Schloss verdeckte.

Er konnte an nichts anderes denken, als an Hema und Harsha. Und daran, was Magnus ihnen antun würde. Was er ihnen womöglich bereits angetan hatte. Sein Herz war voll der Begierde, diesen Mann zu zerstören, ihm mit der blanken Faust den Status zu entziehen. Stück für Stück. So sehr ihn sein Verlangen nach Gewalt auch erschreckte, so sehr gefiel ihm der Gedanke doch. Vielleicht war es das einzige ihm verbliebene Reservoir, aus dem er die Kraft schöpfen konnte zurückzuschlagen.

Noch hatten sie ihm keine Schmerzen zugefügt, nicht wirklich. Sie waren nicht gerade sanft mit ihm umgesprungen. Sie hatten ihm eine Kapuze über den Kopf gezogen, bevor sie ihn in den Laderaum des Lastwagens geworfen hat
ten. Es schien wichtig zu sein, ihn hierherzubringen. Sonst hätten sie den Treibstoff nicht verschwendet. Wie viel sie wussten und was sie bereit waren, zu tun, um den Rest herauszufinden, konnte er nur vermuten. Es war besser, nicht darüber nachzudenken. Zorn war stärker als Angst. Das war das Gefühl, das er nähren sollte.

Fußschritte draußen im Flur. Das Klirren eines Schlüsselbundes. Ein Schlüssel drehte sich im Schloss. Die Türe öffnete sich. Im Türrahmen stand ein Mann in violetter Robe. Er hatte einen langen, langsam dünner werdenden, weißen Bart und nicht mehr viele Haare auf dem Kopf. An seinen Fingern trug er zahlreiche goldene, mit opulenten Steinen besetzte Ringe. Shanti bemühte sich, die einzelnen Teile des Puzzles zusammenzusetzen. Er versuchte aber, es sich nicht anmerken zu lassen.

»Weißt du, wer ich bin?«, fragte der Mann in der Robe. »Selbstverständlich ... Eure Heiligkeit.«

»Dann weißt du auch, warum ich hier bin.«

Shanti überlegte hin und her, kam aber zu keinem Ergebnis. Er schüttelte den Kopf.

»Denk darüber nach. Warum sollte man wohl einen so vorbildlichen Bürger wie Richard Shanti, den Eispickel, in die Kerker der Zentralkathedrale einliefern?«

»Ich weiß es nicht.«

»Nun, die Antwort ist einfach.« Der Großbischof trat in den Raum. Hinter ihm standen zwei Pastoren und der Kerkermeister mit dem Schlüsselbund. Die Pastoren folgten ihm hinein. Der Wärter zog die Türe zu und schloss wieder ab. »Und gleichzeitig sehr komplex.«

Shanti war nicht aufgestanden, als die Tür sich geöffnet hatte. Doch jetzt verspürte er das starke Bedürfnis, es zu tun. Aber die Anwesenheit der Pastoren, beide unter ihren Roben von überaus kräftiger Statur, überzeugte ihn, sitzen
zu bleiben. Er wollte sie nicht unnötig gegen sich aufbringen. Außerdem bekam er allmählich das Gefühl, dass ihm nicht gar so große Gefahr drohte, wie er ursprünglich angenommen hatte.

»Du hast kürzlich Besuch von Pastorin Mary Simonson erhalten. Richtig?«

»Ja.«

»Sie hegte einige Zweifel, das Wohlbefinden deiner Töchter betreffend.«

»Ich denke, diese Zweifel konnten wir ausräumen.«

»Vielleicht. Allerdings hast du andere geweckt.«

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