Meat (40 page)

Read Meat Online

Authors: Joseph D'Lacey

Tags: #Fiction, #Horror, #Thrillers, #Suspense, #Science Fiction, #General, #General Fiction

BOOK: Meat
8.95Mb size Format: txt, pdf, ePub

»Wie ich schon sagte: Erzähl es ihm selbst.«

»Also gut.« Shanti füllte seine Lungen und begann zu brüllen. »Magnus! MAGNUS! Ich weiß, wo Collins ist. Ich kann dich sofort zu ihm führen.«

Der Griff an seinem Arm festigte sich.

»Reg dich ab, Shanti.«

Er schrie lauter.

»MAGNUS. KANNST DU MICH HÖREN? ICH WEISS, WO ER STECKT. ICH BRING DICH HIN.«

Die beiden Männer schleuderten Shanti gegen die Wand. Ein Bild fiel zu Boden, Glas splitterte auf die Dielen und den Teppich. Shanti spürte, wie die Spitze eines Messers die Haut seines Halses durchstach. Er schluckte, und die Klinge sank ein wenig tiefer.

»Du bist jetzt auf der Stelle still, Mr. Eispickel, oder ich schnitze dir ein neues Lächeln.«

Er hatte keine Wahl.

Im Flur ertönten schwere Fußschritte, dann schwang die Türe auf.

»Was ist hier los?« Magnus war noch damit beschäftigt, sich in seinen Morgenmantel zu wickeln. Seine sexuelle Erregung augenscheinlich. Er blickte sich um. »Wer hat das Bild zerbrochen?«

Die Wachen blickten einander an.

»Der hier war's, Mr. Magnus. Er wollte sich nicht benehmen. «

»Ich frage mich, wer ihm das erlaubt hat?«

Keine der Wachen antwortete.

»Habe ich dich richtig verstanden, Shanti? Sagtest du, dass du uns zu Collins' Versteck führen kannst?«

»Ja, ich kann Sie direkt dort hinbringen.«

»Warum erzählst du uns nicht einfach, wo es ist, und überlässt uns den Rest?«

»Ich nehme an, das könnte ich tun, aber ich war erst einmal dort. Die Chance, dass ich Ihre Männer zum richtigen Ort führe, ist größer, wenn ich meinen eigenen Spuren folge.«

»Du bist wie jeder Fleischhauer dein Gehalt wert. Ich erkenne Bockmist, wenn ich ihn rieche. Du lügst mich an.«

»Nein, ich lüge nicht. Wenn du darauf bestehst, dass ich dir den Weg beschreibe, werde ich das tun. Aber die Elite der Pastoren des Großbischofs befindet sich gerade jetzt auf dem Weg dorthin. Wenn du willst, dass deine Männer vor ihnen dort sind, dann erlaube mir, sie zu begleiten.«

»Scheiße. Ich scheiß auf dich. Du hinterlistiges Stück Dreck. Woher sollten sie wissen, wo er ist?«

Shanti zuckte mit den Achseln. Er bemerkte, dass Magnus am ganzen Körper bebte. Es war nicht bloß der Zorn. Selbst sein Kopf schien zu wackeln.

»Ich hab es ihnen gesagt.«

»Ich kann nicht glauben, was ich da höre. Du hast dem Großbischof tatsächlich gesteckt, wo sich der dürre Irre und seine kranken, dürren Kumpels verkrochen haben?«

»Ich hatte keine Wahl.«

»Der Tod scheint mir noch zu gut für deine Frau und deine Töchter zu sein. Viel zu gut.«

»Wenn ich es denen nicht erzählt hätte, wäre ich jetzt nicht hier und könnte Ihnen dieselbe Information geben, Mr. Magnus. Ich habe Ihnen nicht die beste Route beschrieben. Es besteht die Möglichkeit, dass sie sich unterwegs ein wenig verlaufen. Damit habe ich Ihnen, Mr. Magnus, etwas mehr Zeit verschafft, und Sie stehen hier rum und vergeuden sie. Möchten Sie Collins für sich haben, oder nicht?«

»So spricht niemand mit mir, Shanti.«

»Wenn ich Ihre Männer erfolgreich zu dem Versteck führe und Sie Collins bekommen, dann will ich Ihre Garantie, dass Sie meiner Familie kein Leid zufügen.«

Magnus schnaufte.

»Leid? Du hast ja keine Ahnung.«

»Ich meine es ernst. Wenn sie die Kontrolle über die Stadt behalten wollen, läuft die Zeit. Versprechen Sie mir, ihnen kein Leid zuzufügen.«

»Ich dachte, meine Einladung wäre deutlich genug gewesen, Shanti. Du bist spät. Sehr spät. Und ich mag es überhaupt nicht, wenn man mir gegenüber unhöflich ist.«

»Was haben Sie ihnen angetan?«

»Oh, ich hatte noch keine Gelegenheit dazu. Nicht wirklich. Noch nicht.«

Shanti dachte an das Weinen und die Erektion, die sich immer noch unter Magnus' Morgenrock abzeichnete.

»Ich will sie sehen.«

»Nein. Aber eines kann ich dir sagen: Deine Frau ist die geborene Ehebrecherin. Es gibt nichts, was sie nicht für ihre Familie tun würde. Du hast allen Grund, stolz zu sein.«

»Meine Mädchen. Was ist mit meinen Mädchen?«

»Ah. Die sind natürlich von einem ganz anderen Kaliber. Eine wahre Offenbarung für mich. Mit Zwillingen hatte ich noch niemals zuvor das Vergnügen, obwohl ich schon vielen Mädchen ihres Alters begegnet bin. Und sehr viel jüngeren. Lass es mich so formulieren: Ich habe sie äußerst behutsam in die Pflichten und Aufgaben einer Frau eingeführt.«

Übelkeit und rasende Wut stiegen in Shanti auf. Er spürte, wie ihm das letzte Fünkchen Selbstkontrolle, das er noch hatte, zu entgleiten drohte.

»Bitte. Lasst sie mich sehen.«

»Nein. Aber weißt du was? Wenn meine Männer und du mit Collins zurückkehren, bevor die Pastoren ihn haben,
gebe ich dir mein Wort darauf, kein Mitglied deiner Familie jemals wieder anzufassen. Aber ihr müsst alle beide mit meinen Männern zurückkehren. Oder ich mache mit ihnen, wonach immer mich gerade gelüstet. Und das nicht über Tage und Wochen, sondern über Jahre. Mir zum Vergnügen und ihnen ― nun, was immer sie daraus mitnehmen. Verstanden, Shanti? Du bringst ihn mir. Du bringst mir John Collins. Und zwar lebend. Dann, und nur dann, wird deine Familie in Sicherheit sein.« Seine Erektion war abgeklungen. Er zog den Morgenmantel um seine Schultern und strich ihn über seiner Wampe glatt. »Ich muss sagen, ich bin ein wenig ungehalten darüber, von dir unterbrochen worden zu sein. Aber wie heißt es doch so richtig«, er hob die Handflächen, »erst das Geschäft, dann das Vergnügen, hä? Das ist es, was in dieser Welt die Gewinner von den Verlierern unterscheidet.«

Magnus ging durch die Tür des Arbeitszimmers und brüllte nach unten.

»Bruno! Nimm dir jeden, der entbehrlich ist, und geh ins verlassene Viertel. Shanti wird dich zu unserem alten Freund bringen. Sieh zu, dass beide lebend zurückkommen. Solltest du da draußen auf Pastoren treffen«, er dachte einen Augenblick nach, »mach sie kalt. Jeden Einzelnen von ihnen.«

Er kehrte ins Arbeitszimmer zurück.

»Du erwähntest, dass die Zeit knapp wird, Shanti.«

Und Shanti sprintete erneut los. Hinter ihm Magnus' bullige Wachen, deren schwarze Mäntel nach ihren Hacken schnappten.

Nach einem sich scheinbar endlos dehnenden Moment, der in Wirklichkeit nur wenige Sekunden dauerte, stürzte sich Pastor James Jessup in den Kampf. Seine Brüder versuch
ten verzweifelt, sich vom Schock des Angriffs zu erholen. Sie hatten die Formation, jeglichen Zusammenhalt verloren und benötigten dringend ein Zentrum.

»Zu mir!«, brüllte er.

Die anderen Pastoren schienen bei seinem Ruf aufzuwachen und das Ausmaß der Bedrohung zu begreifen. Sie stürzten auf ihn zu, ihre Reihen wurden dichter und gewannen wieder an Stärke. Ihr Training zeigte endlich Wirkung, und sie schwangen ihre Keulen als Einheit. Die gottlosen Angreifer ― Pastor James Jessup konnte nur annehmen, dass es Collins' Anhänger waren und dass sich Collins unter ihnen befand ― setzten ihnen nach.

Der Ansturm geriet zwar nicht ins Stocken, aber er verlangsamte sich. Die Pastoren schienen nicht mehr ganz so häufig zu fallen, aber Pastor James Jessup schätzte, dass sie bereits dreißig Männer verloren hatten. Verblieben also siebzig von ihnen gegen dreißig Gegner. Ihre Chancen sollten dementsprechend immer noch deutlich höher sein, aber es sah nicht danach aus. Er füllte die Lücke, die ein gefallener Kamerad hinterlassen hatte, und rückte an den Rand ihres Zirkels nach.

Er konnte nicht sehen, was den Pastor niedergestreckt hatte. Auf der Robe des Mannes sah er keinen dunklen Fleck, der auf eine Wunde schließen ließ. Es gab keine Verletzung an Kopf oder Gesicht, die auf einen Schlag hinwies. Aber Pastor James Jessup hatte schon viele Male Männer sterben sehen, und er war sich sicher, dass sein Bruder tot war. Absolut sicher.

Plötzlich sah er sich dem gottlosen Flittchen gegenüber, das ihn erschlagen hatte.

Voller Wut hob er zum Schlag an, voller Wucht schwang er den Knüppel auf sie herab. Sein Hieb würde der Frau den Schädel zertrümmern. Aber in dem Augenblick, als der
Knochen sein Ziel finden sollte, befand sie sich außerhalb seiner Reichweite. Er begriff nicht, wie es ihr gelungen war, sich so schnell zu bewegen. Überzeugt davon, die Distanz falsch eingeschätzt zu haben, holte er erneut aus, diesmal in die Gegenrichtung. Er kalkulierte den Schlag anhand des Fehlversuchs. Dieses Mal sah er, dass sie nicht erst auswich, als sie den Hieb kommen sah, sondern bereits kurz bevor er zum Schlag ansetzte.

Jeden Moment würde sie ihn attackieren, und er vergeudete Energie, indem er den Totschläger durch die Luft schwang wie ein besoffener Kneipenschläger im Dinos.

Er täuschte an. Sie wich aus, und, genau wissend, in welche Richtung sie sich wegducken würde, stieß er mit dem Knochen zu. Er traf sie am Solarplexus ― exakt so, wie er es geplant hatte. Sie drehte sich allerdings bereits aus der Schlagbahn, weshalb der Totschläger sie mit weniger Wucht traf, als er angenommen hatte. Als er seine Balance wiedergefunden hatte, befand sie sich schon wieder direkt vor ihm, und er konnte den stillen Jubel in ihrem gelassenen Gesicht sehen. Ihre ungebrochene Willensstärke und die vollständige Abwesenheit von Furcht. Das erschütterte seinen Glauben grundlegender als die unglaubliche Geschwindigkeit ihrer Bewegungen.

Hinter sich hörte er Schreie des Schreckens und der Frustration, als die anderen Pastoren sich mit der gleichen Gewandtheit, mit der gleichen Selbstsicherheit konfrontiert sahen, wie er sie gerade erlebt hatte, und begriffen, dass sie dem Tode geweiht waren.

Jeder von ihnen.

Unverzüglich.

Ohne Gnade.

Und doch auch ohne Arglist.

Wie die Auserwählten.

 

23

 

Er musste sein Tempo drosseln, damit Magnus' Männer mit ihm mithalten konnten.

Das Stampfen Dutzender Stiefelpaare echote durch Abyrnes Straßen, als die bulligen Männer in ihren schwarzen Mänteln mit großen Sätzen die rissigen Bürgersteige entlangrannten. Shanti lief ihnen voraus wie ein Windhund vor einem Rudel Wölfe. Die Leute duckten sich in Hauseingänge, warfen verstohlene Blicke aus dem Fenster und drückten sich mit dem Rücken gegen feuchte Ziegelmauern, als die Schläger vorbeikamen. Solange Magnus' Männer durch die Straßen der Stadt trampelten, ließ ihr Stolz es nicht zu, sich anmerken zu lassen, dass ihnen das Rennen an die Substanz ging. Aber als sie die Ausläufer des verfallenen Viertels erreichten, waren ihre Gesichter schmerzverzerrt. Keiner von ihnen verfügte über Shantis Kondition. Nicht einmal annähernd.

In den verwüsteten, trostlosen Distrikten des verlassenen Viertels begannen sie zu stolpern und zu humpeln, während Shanti immer noch leichtfüßig jedem Hindernis auswich.

»Warte«, keuchte Bruno. »Stopp ... einen Augenblick ... verflucht noch mal.«

Shanti warf einen Blick über die Schulter und lief ein wenig langsamer.

»Was ist los?«

»Sieh uns doch an ― wir sind erschöpft.«

Hinter Bruno zog sich die Reihe des Magnusmobs, an
geblich seine besten Leute, wie ein Flüchtlingstreck in die Länge. Selbst Shanti konnte sehen, dass sie leichte Beute waren.

Er hielt, und Bruno schloss zu ihm auf. Der riesige Mann rang nach Atem. Nach und nach trudelte der Rest der Männer ein. Es dauerte mehrere Minuten, bis der Letzte von ihnen ― kleiner und fetter als die anderen ― schließlich bei ihnen war. Um Shanti herum saßen und lagen die Schläger des Fleischbarons auf den herumliegenden Trümmern.

»Weiter geht's«, sagte Shanti.

Matte Protestrufe ertönten.

»Sie sollen sich ausruhen«, sagte Bruno.

»Für wie lang?«

»So lange, wie sie brauchen, um wieder auf die Beine zu kommen. In dieser Verfassung können wir sie in keine Schlacht führen.«

»Nein, sie haben sich lang genug ausgeruht. Wir müssen jetzt weiter.«

»Scheiße, wer hat ihm das Kommando gegeben?«, rief jemand.

»Hier«, sagte der Nachzügler, der immer noch nach Atem rang. »Nehmt meine Krawatte und bindet ihm seine Knöchel zusammen, dann kann er nicht mehr rennen.«

»Lasst uns einfach zurückgehen und sagen, wir hätten nichts finden können. Magnus wird mit dem da und seiner Familie kurzen Prozess machen, und alles geht weiter wie gehabt.«

Das zustimmende Gemurmel wurde lauter.

»Haltet das Maul, alle miteinander«, brüllte Bruno. »Ihr habt weitere fünf Minuten euch auszuruhen, und dann geht's weiter. Spart euch euren Atem.«

Shanti war entsetzt.

»Fünf Minuten? Das ist zu lang.«

»Aber so viel gebe ich ihnen.«

»Bruno, ich flehe dich an. Du weißt, was er meiner Familie antun wird. Meinen Mädchen. Bitte.«

Bruno setzte sich auf einen umgekippten Betonblock und fuhr sich mit den Händen durch sein fettiges Haar.

»Weißt du was, Shanti? Das hast du dir alles selber eingebrockt. Dein komischer Umgang mit den Auserwählten, die Scheißrennerei jeden Tag, kein Fleisch zu essen. Wenn du nicht so wichtig für die Fabrik gewesen wärst, hätten sie dir deinen Status schon vor langer Zeit entzogen.« Bruno kramte in den Taschen seines Mantels und brachte Tabak und Blättchen zum Vorschein. Er drehte sich eine verkrüppelte Zigarette. »Ich erzähle dir mal etwas über meinen Boss, Shanti. Wenn er sich eine Idee in den Kopf gesetzt hat, dann bekommt er sie so lange nicht wieder raus, bis er sie umgesetzt hat. In dem Augenblick, in dem er beschloss, sich deine Familie zu holen, waren sie tot. Just in jenem Augenblick sind sie gestorben. Er wird kein Versprechen halten, das er dir gegeben hat. Er wird dich benutzen, deine Frau und deine Töchter benutzen, und dann wird er euch umbringen. Alle.« Er zündete die Zigarette an und nahm einen tiefen Zug. Es schien seinen Atem auf der Stelle zu beruhigen, aber Shanti bemerkte, dass seine Finger zitterten. »Ich sage dir noch etwas. Ich werde alles tun, damit er seinen Plan auch umsetzt. Ich kann es kaum erwarten, euch endlich tot zu sehen. Ihr gehört nicht in diese Stadt.«

Shanti wandte sich von ihm ab und blickte hinaus ins verfallene Viertel. Bis zum Horizont nichts als Verwüstung. Möglicherweise erstreckte es sich noch viel weiter. Er war einer gegen viele, und er führte seine schlimmsten Feinde zum Versteck von Abyrnes Retter. Aber John Collins war nicht nur sein Verbündeter, er war zu einem Freund geworden. Sie glaubten an dieselben Dinge, hegten die gleichen
Träume. War er wirklich im Begriff, diesen Mann zu opfern, um seine Kinder vor Magnus zu retten? Wie viel mehr Kinder, Hunderttausende mehr, waren bereits, für die Gier nach Fleisch und um den maßlosen Hunger der Stadt zu lindern, dahingeschlachtet worden? Collins' Tod wäre ein sehr viel größeres Opfer als seine Töchter. Collins' Ende würde das Ende jeglicher Hoffnung bedeuten. Shanti wusste es und konnte es auch nicht leugnen. Aber die Dinge waren nun einmal in Bewegung. Und er vermochte sie nicht mehr zu stoppen. Ohne Führer käme Bruno womöglich zu spät. Vielleicht würde er Collins nicht einmal finden. Es waren seine Kinder, die seine Hilfe benötigten.

Other books

The Devils Highway: A True Story by Luis Alberto Urrea
The Littlest Cowboy by Maggie Shayne
Lady of Horses by Judith Tarr
PrimalDemand by Rebecca Airies
Seasons by Katrina Alba
Household by Stevenson, Florence