Read Zodiac Online

Authors: Robert Graysmith

Tags: #True Crime, #Murder, #Serial Killers

Zodiac (34 page)

BOOK: Zodiac
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»Deputy Chief DeAmicis möchte Sie in seinem Büro sprechen«, teilte ihm seine Sekretärin mit. Es war mittlerweile drei Uhr nachmittags.

Der Detective sah den vertrauten Plastikumschlag für Beweisstücke auf dem Schreibtisch des Deputy Chief, und den Brief mit der blauen Schrift, der darin steckte.

»Sehen Sie sich das hier mal an«, forderte DeAmicis ihn auf. »Was halten Sie davon?«

Toschi war so aufgeregt, dass er nur einzelne Wörter vor sich sah und sich kaum auf die Botschaft als Ganzes konzentrieren konnte.

»Das sieht wirklich gut aus«, stellte Toschi fest.

DeAmicis war Ende der Sechzigerjahre, als Zodiac die Stadt in Angst und Schrecken versetzt hatte, noch nicht bei der Mordkommission gewesen. Diese Aufregung angesichts eines einfachen Briefes war etwas Neues für ihn.

Toschi rief sofort John Shimoda an, den Leiter des kriminaltechnischen Labors des Postal Service in San Bruno.

»John, ich habe da eventuell einen neuen Zodiac-Brief. Wie lange sind Sie noch im Büro?«

»Nur bis ungefähr halb fünf.«

»Dann komme ich gleich zu Ihnen rüber.«

Toschi fertigte sechs Fotokopien des Briefes an - drei für sich selbst und drei für DeAmicis. Es konnte durchaus sein, dass Shimoda den Brief bis morgen behalten wollte.

Er erreichte Shimoda um zehn nach vier Uhr nachmittags.

Mit einer Pinzette trug der Handschriftenexperte den Brief zu einer Kassette, in der er Fotografien der Zodiac-Briefe aufbewahrte, die bis zum Jahr 1973 geschrieben worden waren. Nach einer halben Stunde blickte er zu Toschi auf.

»Ich würde sagen, er ist wieder da.«

»Sind Sie sicher?«

»Das ist der Mann«, betonte Shimoda. »Er ist wieder da.«

»Ich brauche eine schriftliche Bestätigung von Ihnen. Der
Chronicle
wird auf alle Fälle eine Geschichte darüber bringen«, sagte Toschi.

»Es ist garantiert seine Handschrift.«

Toschi rief DeAmicis von Shimodas Büro aus an und meldete, dass der Brief als echt befunden worden war. Sein nächster Anruf galt Duffy Jennings vom
Chronicle
und er sagte nur ein Wort: »Ja.«

»Es waren vier lange Jahre gewesen«, erzählte Toschi später. »Ich war total aufgeregt.«

Obwohl der
Chronicle
Fotos von dem Brief hatte, verzichtete die Zeitung darauf, sie abzudrucken, um die Arbeit der Polizei nicht zu behindern, die ein kleines Detail des Briefes geheim halten wollte, nämlich die letzte Zeile.

Toschi ging direkt in DeAmicis Büro. »Was machen Sie jetzt mit dem Original?«, fragte der Deputy Chief.

»Das bringe ich ins Fotolabor.«

Der Brief wurde in Toschis Anwesenheit fotografiert. »Ich wollte ihn nicht aus den Augen lassen«, erzählte er mir später.

Schließlich wurden auch noch zehn Fotokopien für andere Polizeidienststellen angefertigt. Danach ging Toschi mit dem Brief ins kriminaltechnische Labor, wo er ihn Ken Moses, dem Experten für Fingerabdrücke, übergab. Moses besprühte das Schriftstück mit Ninhydrin, doch es kam nichts Brauchbares zum Vorschein. »Ich warte bis morgen früh und versuche es dann mit einer Silbernitratlösung. Vielleicht bringen wir damit irgendetwas zutage«, sagte er. Doch all diese Maßnahmen blieben erfolglos.

Noch am selben Abend verlas DeAmicis den Brief auf einer Pressekonferenz, die im Fernsehen übertragen wurde. »Er enthält eigentlich keine Drohungen; der Ton ist ganz anders als in den Briefen, die wir bisher erhalten haben«, stellte DeAmicis fest.

Kaum war die Pressekonferenz vorüber, wandten sich die Medienvertreter sofort an Toschi. Er teilte ihnen mit, dass die Polizei Kopien des neuen Zodiac-Briefes an alle betroffenen Bezirke schicken würde und dass bisher keine Fingerabdrücke oder sonstigen Hinweise darauf gefunden werden konnten.

 

Samstag, 29. April 1978

 

Die Medien waren in den nächsten Tagen voll mit Analysen des Briefes und Spekulationen darüber, wo sich der Mörder in den vergangenen vier Jahren aufgehalten hatte. Toschi war recht erstaunt, dass man ihm einen Polizeihauptmann zuwies, der seine Interviews mit den Medien gleichsam überwachte. Ich hatte so meine eigene Theorie, warum das so war. Toschi war von der italienischen Gemeinde der Stadt gebeten worden, für das Amt des Sheriffs zu kandidieren, und die Frau, die den Posten des City Supervisors bekleidete und Ambitionen auf das Amt des Bürgermeisters hatte, ließ durchblicken, dass sie Toschi gerne als Polizeichef sehen würde. Seit der neue Zodiac-Brief gekommen war, stand der intelligente und erfolgreiche Toschi wieder absolut im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses.

DeAmicis reagierte auf den Brief insofern, als er Inspektor Tedesco von der Abteilung für Sonderermittlungen und Inspektor James Deasy vom Sonderdezernat für Bandenkriminalität auf den Fall ansetzte. »Tedesco wird unsere Maßnahmen koordinieren«, erläuterte DeAmicis, »Toschi bleibt der Chefermittler und Deasy wird die Informationen analysieren, die wir zusammentragen.« Polizeichef Charles Gain entzog Toschi nicht nur die Leitung der Ermittlungen, sondern kontrollierte von nun an auch den Umgang des populären Detectives mit den Medien.

Toschi musste feststellen, dass irgendjemand hinter ihm herschnüffelte und heimlich seine Unterlagen durchsah. Konnte es sein, dass da jemand versuchte, Material zu sammeln, das sich gegen ihn verwenden ließ, falls sich der Inspektor als politische Bedrohung herausstellen sollte?

Als die Journalisten fragten, warum Toschi die Maßnahmen der Polizei nicht leitete, antwortete DeAmicis: »Ein Detective kann sich unmöglich gleichzeitig um die Ermittlungen, die Koordination und die Analyse des Materials kümmern.«

Toschi hatte kein gutes Gefühl bei der Sache. Als sensibler, aufmerksamer Mensch spürte er, dass sich da irgendetwas zusammenbraute.

 

 

Freitag, 5. Mai 1978

 

»Dieses Stadtschwein toschi ist gut. Aber ich bin schlauer und besser er wird irgendwann müde werden und mich in Ruhe lassen«, hatte Zodiac in seinem jüngsten Brief geschrieben. Warum hatte der Mörder von all den Ermittlungsbeamten, die an dem Fall arbeiteten, ausgerechnet ihn herausgepickt? Hatte er den Detective im Fernsehen gesehen oder irgendetwas über Toschi gelesen, das ihn zu einer Reaktion anstachelte oder ihm Respekt einflößte? War der Ermittler vielleicht sogar nahe daran, den Wahnsinnigen zu entlarven? Stand Zodiacs echter Name gar irgendwo in den Unterlagen, die Toschi über ihn angesammelt hatte? Handelte es sich möglicherweise um einen Mann, den die Polizei bereits befragt und als unschuldig befunden hatte?

»Was meinen Sie - sollte ich beunruhigt sein, weil er mich in dem Brief erwähnt hat?«, fragte mich Toschi.

»Seien Sie vorsichtig«, riet ich ihm.

 

Mittwoch, 14. Juni 1978

 

Duffy Jennings kam zu mir, als ich gerade die Karikatur für den nächsten Tag zeichnete. Er teilte mir mit, dass er sich vertraulich mit zwei Männern treffen würde, die behaupteten, im Besitz einer Handschrift zu sein, die mit dem Zodiac-Fall zu tun haben könnte, und die unsere Meinung dazu einholen wollten. Es handelte sich um Ron Pimentel vom Detektivbüro Roper in Oakland und einen Polizisten aus Oakland, der in der Beurteilung von Handschriften sehr versiert war.

Sie stellten nur eine Bedingung für das Treffen: »Ihr dürft es nicht Toschi erzählen.« Der Cop aus Oakland wollte, dass seine Vorgesetzten nichts von seiner Theorie erfuhren.«

 

Donnerstag, 15. Juni 1978

 

Am Telefon wollten uns die beiden Männer aus Oakland nur den Vornamen des Verdächtigen preisgeben. Den Nachnamen wollten sie uns erst verraten, wenn wir ihnen unsere Meinung zu den sieben Seiten umfassenden Handschriftenproben mitgeteilt hatten. Das Treffen wurde dreimal verschoben, sodass Duffy allmählich ärgerlich wurde.

Der Detektiv war auf den Verdächtigen aufmerksam geworden, nachdem dieser den Zodiac-Film dreimal besucht hatte und dabei erwischt worden war, wie er nach den brutalsten Szenen auf dem Klo masturbierte. Die beiden Männer aus Oakland hatten es nicht schwer, mehr über den Betreffenden zu erfahren, weil er eine Karte mit Name und Adresse in die Schachtel im Golden Gate Theatre geworfen hatte, wo den Kinobesuchern der Gewinn eines Motorrads in Aussicht gestellt wurde, wenn sie in fünfundzwanzig Worten sagten, warum Zodiac tötete. Tom Hansen, der Produzent des Films, hatte dem Detektivbüro Roper 100 000 Dollar für die Ergreifung des Zodiac-Killers vesprochen; das Geld würde von dem Gewinn kommen, den der Film im Zuge der Ergreifung einspielen würde. Dem Polizisten aus Oakland hingegen ging es weniger um das Geld, sondern vielmehr um die Anerkennung, die demjenigen winkte, der dem Serienmörder das Handwerk legen konnte.

Inspektor Toschi hatte übrigens immer schon vermutet, dass Zodiac beim Schreiben seiner Briefe masturbierte.

Nachdem das Treffen erneut verschoben wurde, beschloss ich, anhand der Informationen, die wir bereits bekommen hatten, auf eigene Faust herauszufinden, wer der Verdächtige war. Ich wusste, dass der Mann irgendwo in Santa Rosa lebte, dass er Vietnam-Veteran war, als Mechaniker arbeitete und aus St. Louis stammte.

Ich fand den Mann schließlich in meiner Akte von Verdächtigen. Er war bereits von Toschi und Armstrong befragt und aus dem Kreis der Verdächtigen ausgeschlossen worden.

Am nächsten Tag bekam ich die Handschriftenproben schließlich zu sehen. Sie zeigten keinerlei Ähnlichkeit mit Zodiacs Handschrift.

 

Montag, 10. Juli 1978

 

Nachdem Dave Toschi fünfundzwanzig Jahre für die Polizei gearbeitet hatte, davon achtzehn Jahre als Star der Mordkommission, brach für den Inspektor am Tag vor seinem siebenundvierzigsten Geburtstag eine Welt zusammen.

»Knalleffekt im Zodiac-Fall«, lautete die Schlagzeile in der
Oakland Tribune
.

Um 16.55 Uhr gab Chief Gain nicht nur eine Pressemeldung heraus, in der er Toschis Versetzung von der Mordkommission in die Pfandleiheabteilung bekannt gab - er bezweifelte außerdem in einer zweiten Pressemitteilung die Echtheit des neuen Zodiac-Briefes. Er fügte hinzu, dass nun andere Experten den Brief prüfen würden.

Am 6. Juni 1978 hatte sich Armistead Maupin, ein Kolumnist des
Chronicle
, zusammen mit seinem PR-Mann Kenneth Maley an Toschis Vorgesetzte gewandt und ihnen mitgeteilt, dass der jüngste Zodiac-Brief ihrer Meinung nach im Ton manchen anonymen Fanbriefen glich, die Maupin erhalten hatte und in denen Toschi in den höchsten Tönen gelobt wurde. Sie äußerten den Verdacht, dass Toschi diese Briefe selbst geschrieben hatte. In Maupins Erzählungsband »Stadtgeschichten« kam Toschi als Berater des fiktiven »Inspektor Tandy« vor, den Toschi schließlich als den berüchtigten Serienmörder »Tinkerbell« entlarvte, der dem Zodiac-Killer nachempfunden war.

In den Abendnachrichten im Fernsehen war von einer »politisch motivierten Schlacht rund um einen altgedienten Cop« die Rede. Gouverneur Jerry Browns Büro bot Toschi »jede nur erdenkliche Unterstützung« an.

Duffy Jennings erreichte Toschi zu Hause. Der Detective gab offen zu, im Jahr 1976 drei Briefe an Maupin geschrieben zu haben, in denen er sich selbst lobte.

»Das war ein dummer Fehler«, gestand Toschi ein. »Er machte mich zum Helden seiner Geschichte, und meine Familie und ich - wir hatten großen Spaß daran. Daher schickte ich ihm drei oder vier Briefe, in denen ich betonte, wie gut es wäre, dass er in seiner Serie einen echten Inspektor vorkommen ließ. Ich habe mir quasi selbst einen Fanbrief geschrieben. Es war einfach ein Jux, mit dem ich, so dachte ich, niemandem schade. Aber wenn man mir jetzt vorwirft, ich hätte auch einen falschen Zodiac-Brief geschrieben, dann ist das einfach absurd.

Als mir Chief Gain mitteilte, dass Experten meine Handschrift mit der des Zodiac verglichen hätten, war ich schockiert. Ich habe keinen Zodiac-Brief geschrieben. Die Tatsache, dass Zodiac mich in einem Brief erwähnt hat, war für mich und meine Familie alles andere als angenehm. Das war wirklich sehr beunruhigend.«

Sherwood Morrill, der Handschriftenexperte des CI&I, war fuchsteufelswild darüber, wie man Toschi behandelte. »Der letzte Brief stammt ganz sicher von Zodiac, da gibt es überhaupt keinen Zweifel. Ich habe gehört, sie beschuldigen Toschi, den Brief selbst geschrieben zu haben. Wenn Toschi das getan haben soll, dann ist er der Zodiac. Dann muss er alle geschrieben haben.«

John Shimoda, der Handschriftenexperte David DeGarmo und Morrill waren übereinstimmend zu dem Urteil gelangt, dass der jüngste Zodiac-Brief echt war.

»Von heute an werde ich im Zodiac-Fall nicht mehr für das San Francisco Department arbeiten«, betonte Morrill. »Armstrong und Toschi sind damals mit dem Fall zu mir gekommen, und ich habe es für sie getan. Ich glaube, einigen Leuten war es ein Dorn im Auge, dass Toschi so viel Aufmerksamkeit von den Medien bekam.«

Chief Gain stellte indessen klar, dass er innerhalb der Hall of Justice keine weiteren Diskussionen über die Zodiac-Kontroverse dulden würde.

 

Dienstag, 11. Juli 1978

 

Carol Toschi führte mich ins Wohnzimmer der Familie. Dave stand in seinem braunen Bademantel von seinem Sessel auf und kam mir entgegen. Er wirkte völlig erschöpft und ausgebrannt, beinahe wie in Trance. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen und Bartstoppeln im Gesicht. Im Jahr 1977 hatte er gleichzeitig an einem Herzleiden und einer Lungenentzündung laboriert. Ich spürte, dass sich Carol um seine Gesundheit Sorgen machte.

»Hör mal, Dave«, sagte sie, »er hat dir ein paar Bücher gebracht - sogar eins über Bigbands.«

Im Fernsehen liefen gerade die Zehn-Uhr-Nachrichten auf Channel 2, und ich nahm an, dass Toschi Maupins Pressekonferenz gesehen hatte. Der Inspektor breitete die Arme aus und zeigte mit einer Kopfbewegung auf den Fernseher. »Ich verstehe einfach nicht, was ich dem Mann getan habe.« Er legte mir eine Hand auf die Schulter. »Ich hoffe, Sie halten mich jetzt nicht für einen ausgemachten Lügner.«

»Natürlich nicht«, versicherte ich.

»Diese Leute behaupten, ich hätte den letzten Zodiac-Brief gefälscht«, sagte er.

Toschi erzählte mir, dass ihn DeAmicis vergangenen Freitag um elf Uhr zu sich gerufen und ihn von den Vorwürfen gegen ihn informiert habe. Sein Vorgesetzter forderte ihn auf, über die Sache nachzudenken. Um 13 Uhr wurde er dann zu den Anschuldigungen befragt.

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