Zodiac (30 page)

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Authors: Robert Graysmith

Tags: #True Crime, #Murder, #Serial Killers

BOOK: Zodiac
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Die Frau, die sich um das Wohnhaus in Vacaville kümmerte, hatte einen »dunkelgrünen viertürigen Ford gesehen, der im hinteren Bereich der Anlage geparkt war.« Am Steuer saß ein schlampig gekleideter Mann. Der Wagen war offensichtlich an mehreren Nachmittagen dort gewesen. Einmal im April wandte sich der Mann sogar an die Hausverwalterin, weil er angeblich eine Auskunft haben wollte. Er stellte ihr einige Fragen und fuhr dann wieder weg. »Er war ziemlich schlampig gekleidet und hatte einen Bauch. Er machte nicht gerade einen sehr seriösen Eindruck«, berichtete die Hausverwalterin.

Die Polizei hatte allen Grund, sich für die Sache zu interessieren: Immerhin hatte eine junge Frau Briefe bekommen, die stark an den Zodiac-Killer erinnerten; außerdem war ein Mann bei der Wohnanlage gesehen worden, der äußerlich dem Hauptverdächtigen im Zodiac-Fall zu gleichen schien. Die Polizei beschloss, herauszufinden, ob es sich bei dem Mann, der mit der Hausverwalterin gesprochen hatte, um Walker handelte. Dies hätte zwar noch nicht bewiesen, dass Walker der Mann war, der die anonymen Briefe an die Lehrerin schrieb, oder gar, dass er der Zodiac war - doch es wäre zumindest ein weiterer interessanter Hinweis gewesen.

Sie fädelten es so ein, dass die Hausverwalterin zu einer der Versammlungen ging, an denen Walker einmal wöchentlich teilnahm. Sie erkannte ihn in der Gruppe von fünfundzwanzig Personen auf Anhieb. »Er ist heute so ordentlich gekleidet«, sagte sie, »aber er ist ganz sicher der Mann, der damals zu mir gekommen ist.«

Die Ermittler von Vallejo witterten eine heiße Spur. Walker war ohnehin schon ein heißer Verdächtiger im Zodiac-Fall, und jetzt stellte sich möglicherweise heraus, dass der Mann anonyme Briefe verschickte, die große Ähnlichkeit mit den Zodiac-Briefen an die Zeitungen aufwiesen. Außerdem beschäftigte sich die Polizei nun auch mit den Berichten über Walkers verdächtiges Verhalten auf verschiedenen Parkplätzen. Bei den Zodiac-Morden hatten Autos und Parkplätze bekanntlich stets eine große Rolle gespielt. Man erinnerte sich an jenen Mann, der sich in Terry’s Restaurant nach Darlene erkundigt hatte, und es war durchaus denkbar, dass dieser Mann Walker war. Einige der Ermittler begannen den Mann in ihrer Freizeit unter die Lupe zu nehmen (diese Detectives, zwei Polizisten und ein Ermittler vom FBI, haben mich gebeten, ihre Namen nicht zu nennen).

Ein siebzehn Seiten umfassender geheimer Bericht über Walker wurde ausgearbeitet, der den Titel »Was, noch ein Zodiac-Verdächtiger?« trug. Einer der Detectives lud mich zu sich nach Hause ein und erlaubte mir, bei einer Tasse Kaffee den Bericht im Beisein seiner Kollegen zu lesen und zu kopieren. Im Laufe der Jahre wurde ich noch mehrmals mit diesem Bericht konfrontiert, unter anderem im Police Department von Berkeley und im Büro einer renommierten Privatdetektivin.

Bevor ich ging, diskutierte ich noch ausführlich mit den Ermittlern über ihren Bericht. Sie erzählten mir von den Fotos, die man Darlenes Schwester Linda in San Jose vorgelegt hatte. »Sie hat Walker erkannt«, teilten sie mir mit. »Na ja, sie hat jedenfalls gemeint: ›Er war wahrscheinlich der Mann, der Darlene in den Monaten vor ihrem Tod terrorisiert hat.‹ Sie hat angegeben, dass sie den Mann zweimal gesehen hat - einmal im Februar 1969 (bei Terry’s) und einmal im Mai 1969 (bei der Umzugsparty).«

All das bestärkte die Zuversicht der Detectives, auf der richtigen Fährte zu sein.

Viel später sprach ich selbst mit Linda über diese Dinge. Steve Baldino von der Polizei Vallejo, der ein enger Freund von Darlene war und ebenfalls an der Party teilgenommen hatte, bestätigte, dass Walker damals anwesend gewesen sei. »Steve ist das alles sehr zu Herzen gegangen«, erzählte mir Linda. »Er hat die Familie gekannt. Er war wirklich ein guter Polizist, und als Darlene starb, da wurde er fast ein bisschen übereifrig, weil er um jeden Preis den Mörder finden wollte.«

Die Ermittler hatten sich einen Ausdruck von einem Entschlüsselungs-Computer der NSA besorgt und behaupteten, dass in dem Geheimtext Wörter, bei denen es sich um Walkers Namen handeln konnte, mehrmals vorkamen. Besonders interessant war in diesem Zusammenhang auch der letzte Satz in Zodiacs Brief vom 31. Juli 1969: »Wir hatten hier leider eine kleine Überflutung durch den starken Regen«, hatte der Killer damals geschrieben. Die Gegend um Walkers Haus war zur Zeit dieses Briefes tatsächlich überflutet gewesen, und die Ermittler beschafften sich Fotos, die das eindeutig belegten. »Guckt zwischen den Kiefern hindurch«, hatte Zodiac in einer anderen Botschaft geschrieben. Einer der Detectives erläuterte mir, dass Walker in einer abgelegenen Gegend wohnte, in der jede Menge Kiefern standen. »Man kann das Haus überhaupt nicht sehen, wenn man nicht ganz nahe herangeht und zwischen den Kiefern hindurchblickt, die dort in langen Reihen stehen.«

Ich sah mir die Fotos von Walkers Haus an, auf denen das Wasser die Straße überschwemmt und richtige Schlammwälle aufgetürmt hatte. Als ich selbst hinfuhr, um mir einen Eindruck zu verschaffen, stellte ich fest, dass die Gegend trotz der grünen Kiefern etwas seltsam Trostloses an sich hatte.

Die Detectives zählten eine lange Liste von Ähnlichkeiten zwischen Walker und den Morden und Briefen des Zodiac-Killers auf. »Er hat jedenfalls eindeutig einen Bezug zum Sierra Club.« Zodiac hatte den Sierra Club auf derselben Karte erwähnt, auf denen sich auch der Hinweis mit den Kiefern befand.

Die Ermittler hatten in langen Recherchen sogar einen Bezug des Mannes zum Lake Berryessa herstellen können: An dem Tag, als Bryan Hartnell und Cecelia Ann Shepard am See überfallen worden waren, kam ein stämmiger Mann in den Gemischtwarenladen in der Nähe des Sees. Er war auffallend nervös und fragte alle möglichen Leute, wie man auf dem schnellsten Weg vom See wegkäme.

Man hatte einen Zeugen gefunden, der zur selben Zeit in dem Laden zu Mittag gegessen hatte und der aussagte, dass sich der Mann ziemlich merkwürdig benommen habe. Er folgte dem Fremden sogar, als dieser hinausging, und beobachtete, wie der Mann in ein weißes Auto stieg und vom See wegfuhr. »Ein paar Mädchen, die in der Nähe der Stelle, an der auf Hartnell und Shepard eingestochen wurde, in der Sonne lagen, sahen am selben Tag einen Mann, der von ihrer Beschreibung her dem Kerl im Gemischtwarenladen entsprach«, verrieten mir die Ermittler. »Die Polizei hat diesen Mann und seinen Wagen nie gefunden.« Ich wandte ein, dass der Mann, der am See gesehen wurde, den Beschreibungen zufolge erheblich jünger als Walker sein musste.

»Wir haben dem Zeugen verschiedene Fotos vorgelegt«, erwiderten sie, »und er hat unseren Mann auf Anhieb erkannt. Seiner Ansicht nach war Walker der Mann im Gemischtwarenladen. Am Dienstag darauf nahmen wir den Mann zu einer dieser Versammlungen mit, zu denen Walker immer ging, damit er ihn
in natura
sehen konnte. Er war sich nicht hundertprozentig sicher, dass Walker der Mann war, den er gesehen hatte. Unser Zeuge meint, er könnte sich die Haare gefärbt haben. Er gab aber an, dass Walkers Stimme der Stimme des Mannes, der damals nach dem Weg gefragt hatte, zumindest sehr ähnlich sei. Und immerhin lag der Mord an Cecelia Shepard schon fünf Jahre zurück. Leider starb unser Zeuge zehn Tage, nachdem wir ihm Walker bei dem Treffen gezeigt hatten, bei einer Explosion. Der Tod des Zeugen galt als Unfall.«

Wir waren uns alle darin einig, dass Walker - abgesehen vom Alter - durchaus den Beschreibungen entsprach, die wir vom Zodiac-Killer hatten. Die Ermittler hatten außerdem herausgefunden, dass der Verdächtige zwischen 1942 und 1945 bei der Army Verschlüsselungstechnik unterrichtet hatte. Nachdem er zuvor sieben Monate ausgebildet worden war, stieg er gleich zum Lehrer auf. Er muss also ziemlich intelligent gewesen sein, wenn er das geschafft hat.«

Die Detectives hatten sich in der zuständigen Sozialversicherungsstelle nach Walker erkundigt und dabei entdeckt, dass er nicht nur auf seinen Namen eine Karte besaß, sondern auch noch auf drei andere Namen. »Alle Zodiac-Morde und auch die Briefe fielen in die Zeiten, in denen Walker nicht arbeitete; wenn er irgendwo beschäftigt war, passierte nichts. Er ist übrigens beidhändig, davon habe ich mich selbst überzeugen können«, berichtete einer der Ermittler.

»Walker war auch oft in Terry’s Restaurant, als Darlene dort Kellnerin war«, betonten die Detectives. »Wir wissen vom Department of Motor Vehicles, dass Walker 1968 einen viertürigen weißen Biscayne, Baujahr 61, besaß. Das Design des Wagens ist bekanntlich dem des Impala ähnlich. Wir wissen auch, dass der Mann Polizisten hasst.«

Sie erzählten mir von dem Vorfall mit dem Streifenpolizisten. »Wir wissen, dass er sein Aussehen veränderte, als er bei dem Wohnhaus der Lehrerin gesehen wurde, die die anonymen Briefe bekam. Er hat zumindest zu zwei Mordfällen einen gewissen Bezug; er kannte Darlene Ferrin, und er war höchstwahrscheinlich am Lake Berryessa. Walker ist ein jähzorniger Mensch und leidet an starken Kopfschmerzen. Er hat außerdem immer Probleme damit, wenn er am Arbeitsplatz mit Frauen zu tun hat. Das haben uns jedenfalls seine ehemaligen Vorgesetzten gesagt.«

Walker gab schließlich zu, dass er »recht oft im Terry’s war«, was natürlich keineswegs bewies, dass er der Mann war, der Darlene terrorisierte. Um mehr über Andrew Walker herauszufinden, beschlossen die Detectives, ihn zu beschatten. An den Wochenenden warteten sie jeden Abend in zwei Autos in einem kleinen Wäldchen in der Nähe seines Hauses. Eines Tages, an einem Freitagabend, schoss eines von Walkers Auto, ein Dodge Baujahr 72, die Zufahrt herunter und raste in die Nacht hinaus. Die Ermittler folgten dem bronzefarbenen Wagen mit ausgeschalteten Lichtern.

»Er weiß, dass wir da sind, drück auf die Tube«, forderte der eine Detective seinen Kollegen auf. Es gelang Walker jedoch, seine Verfolger abzuschütteln. Eine halbe Stunde später kehrten die Polizisten um und fuhren zum Haus des Verdächtigen zurück. Der Dodge stand wieder auf der Zufahrt; Walker stand an den Wagen gelehnt und rauchte eine Zigarette.

In der folgenden Woche vereinbarten die Polizisten mit der zuständigen Sozialversicherungsstelle, Walker unter irgendeinem Vorwand kommen zu lassen, um auf diese Weise Handschriftenproben des Mannes zu erhalten. Als er wieder nach Hause kam, erzählte Walker seiner Frau von der Sache und äußerte die Vermutung, »dass sie irgendwelche Beweise gegen mich sammeln wollen.« Er schilderte ihr auch den Vorfall mit dem missglückten Beschattungsversuch, und seine Frau wandte sich an einen zuständigen Richter, der den Ermittlern umgehend die Weisung erteilte, Andrew Walker nicht länger zu belästigen und die Ermittlungen gegen ihn einzustellen.

Die beiden Detectives hielten es für sehr gut möglich, dass Walker der Zodiac-Killer war. Wie sie am Ende ihres Berichtes betonten, gab es nur zwei Gründe, warum die Polizei ihn nicht mehr als dringend Verdächtigen einstufte. Der erste Grund war, dass seine Handschrift nicht mit der in den Zodiac-Briefen übereinstimmte. Die Detectives fanden aber, dass man nicht genügend Handschriftenproben miteinander verglichen hatte, um ein echtes Urteil fällen zu können. Der zweite Grund war, dass Walkers Fingerabdruck nicht mit dem blutigen Abdruck an Paul Stines Taxi übereinstimmte.

Die Erklärung, die die Ermittler für diese Tatsache vorbrachten, erschien zwar ziemlich weit hergeholt, aber da sie davon ausgingen, dass Zodiac ein abartiger Mensch sein musste, für den keine normalen Maßstäbe galten, hielten sie ihre Vermutung für absolut plausibel.

»Er hatte vor, Fingerabdrücke zu hinterlassen«, behaupteten sie. »Nur waren es eben nicht seine eigenen. Wir wissen auch nicht, wie er es angestellt hat - möglicherweise hat er die abgetrennten Finger von irgendeinem Opfer dazu benutzt. Er wollte der Polizei einen falschen Hinweis liefern. Man braucht ja nur daran zu denken, wie raffiniert er bei dem Mord an dem Taxifahrer vorging. Er erschoss den Mann, riss ein Stück von Stines Hemd ab, um zu beweisen, dass er der Mörder war, und hatte auch dafür gesorgt, dass sein Fluchtauto in der Nähe des Tatorts bereitstand. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er einen solchen Schnitzer begangen haben soll, einen Fingerabdruck zu hinterlassen - es sei denn, er wollte es so.«

Ein zusätzliches eigenartiges Detail war die Tatsache, dass die Detectives an einigen Pfosten rund um das Haus des Verdächtigen von Hand gemalte farbige Symbole entdeckten. Sie fotografierten die Zeichen mit einer Sofortbildkamera und schickten die Fotos mit folgender Erläuterung an das Justizministerium:

»Anbei finden Sie fünf Fotos von verschiedenen Symbolen, die wir in einer ländlichen Gegend fotografiert haben. Bitte stellen Sie fest, ob die hier abgebildeten Symbole in irgendeinem Zusammenhang mit okkulten Praktiken stehen. Wenn es so ist, stellen Sie bitte fest, welche Bedeutung die einzelnen Zeichen haben.«

Die Experten konnten jedoch keinen derartigen Zusammenhang erkennen.

Ich zeigte Walkers Foto den drei Teenagern, die den Mord an Stine vom Fenster aus beobachtet hatten. Sie meinten, dass der Mörder nicht so alt ausgesehen habe.

Heute glaube ich, dass Walker nicht der Zodiac-Killer ist. Aber zum damaligen Zeitpunkt, fast sechs Jahre nach den Morden in der Lake Herman Road, erschien er mir und vielen anderen tatsächlich dringend verdächtig.

 

1

 

Zodiac

 

Mittwoch, 10. Juli 1974

 

Toschi hatte mittlerweile zwei neue Zodiac-Briefe in der Hand:

»Er kann uns nicht täuschen - egal, was für ein Spiel er wieder treibt. Die beiden Briefe sind mit Sicherheit von ihm. Ich habe sie einem Experten vorgelegt, der mir nach nicht einmal fünf Minuten bestätigt hat, dass sie definitiv von Zodiac stammen. Er versucht jetzt, Briefe in den
Chronicle
hineinzuschmuggeln, ohne sich als Zodiac zu erkennen zu geben.«

Die neuen Botschaften waren, wie immer, handgeschrieben, doch die Rechtschreibung und Interpunktion waren korrekt, und sie enthielten auch keine Hinweise auf neue Opfer.

Die erste Nachricht war eine Postkarte, die am 8. Mai im Alameda County aufgegeben worden war, aber erst am 4. Juni bei der Zeitung ankam.

 

Sehr geehrte Damen und Herren - ich möchte
meinem Befremden über Ihren schlechten
Geschmack & Ihre mangelnde Rücksichtnahme
auf die Öffentlichkeit Ausdruck verleihen,
nachdem sie nun Anzeigen für den Film
»Badlands« abdrucken, und zwar mit dem Satz:
›Im Jahr 1959 schlugen die meisten Leute höchstens
ihre Zeit tot. Kit & Holly hingegen töteten Menschen.‹<
Angesichts der jüngsten Ereignisse ist es
ungeheuerlich, dass auf diese Weise das Töten
verherrlicht wird (wobei ja Gewalt
niemals
in
irgendeiner Weise zu rechtfertigen wäre)
zeigen Sie doch bitte etwas mehr Sensibilität
und weigern Sie sich, diese Anzeige abzudrucken.
Ein Bürger

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